Einen Tag vor der bundesweit ersten Musterfeststellungsklage im Diesel-Skandal geben sich Verbraucherschützer kämpferisch. "Der 1. November 2018 wird Volkswagen als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem auf die Samthandschuhe der Politik die Boxhandschuhe der Verbraucherschützer folgten", sagte der Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Am Donnerstag will der Verband stellvertretend für Zehntausende Dieselfahrer gegen Volkswagen vor Gericht ziehen und Schadenersatz erstreiten.
Auch Verbraucherministerin Katarina Barley zeigte sich zuversichtlich, dass die Musterfeststellungsklage vielen Dieselfahrern helfen kann. "Unterschiedliche Berechnungen gehen allein für VW davon aus, dass zwei Millionen Verbraucher von einer Einer-für-alle-Klage profitieren können", sagte die SPD-Politikerin dem 'Handelsblatt'. Den Ausgang des Verfahrens könne man allerdings nicht vorhersagen.
Das Instrument der Musterfeststellungsklage ist neu, es tritt zum 1. November in Kraft. Die Klage soll Verbrauchern helfen, bei Prozessen gegen Unternehmen leichter zu ihrem Recht zu kommen. Fast 40.000 Verbraucher hätten sich dafür interessiert, sagte Müller. Auch wenn sich am Ende nicht alle wirklich anschlössen, sei die Zahl doch "erfreulich groß". Die Anwälte des Verbands rechnen damit, dass sich mehrere Zehntausend Dieselfahrer in das offizielle Register eintragen, das nach Einreichung der Klage beim Bundesamt für Justiz eingerichtet wird.
Besitzer können sich Musterfeststellungsklage anschließen
Im September 2015 hatte VW Manipulationen an Dieselmotoren einräumen müssen. US-Umweltbehörden hatten festgestellt, dass nur bei Tests die Abgasreinigung voll aktiviert war, während der Ausstoß auf der Straße viel höher lag. Vom Pflichtrückruf bei Volkswagen sind 2,5 Millionen Autos betroffen. Wenn sie nicht selbst vor Gericht gezogen sind, können sich die Besitzer der Musterfeststellungsklage anschließen.
"Wir blicken mit Respekt zum Gericht nach Braunschweig und mit Optimismus und Kampfeswillen zum Verursacher des Skandals nach Wolfsburg", sagte Müller. Volkswagen rechnet damit, dass der Fall danach zum Bundesgerichtshof geht. Barley schloss auch nicht aus, dass einzelne Fälle vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg entschieden werden müssen.
Wenn die Verbraucherzentralen im Musterprozess Recht bekommen, müssen die Dieselfahrer die Höhe des Schadenersatzes allerdings selbst durchsetzen und dafür womöglich noch einmal vor Gericht. Barley hält es jedoch auch für möglich, dass VW in diesem Fall zu Entschädigungen bereit ist. Wenn im Musterfeststellungsverfahren geklärt wurde, dass es einen Anspruch auf Schadenersatz gebe, werde sich das beklagte Unternehmen "sehr gut überlegen, ob es sich überhaupt noch von jedem einzelnen Geschädigten verklagen lässt oder ob es nunmehr schnell, einfach und fair entschädigt", sagte sie. (dpa)