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Nicht aufzuhalten

18.11.2011 12:02 Uhr

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Interview mit Bernd Neitzel, Continental Powertrain

Bernd Neitzel, Leiter der Geschäftseinheit Hybrid & Electric Vehicle bei Continental Powertrain, überautomobiltaugliche Elektromotorbauarten sowie deren Einbauposition, Thermomanagement und Instandsetzung. Bei Continental rechnet man für 2020 mit deutlich mehr Hybrid- als reinen Elektrofahrzeugen.

Bis zur Anerkennung des Elektro-autos als vollwertige Alternative zum Benziner und Diesel ist bei den elektrischen Energiespeichern noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Akkubau-arten sind vielfältig; nicht jede Bauart eignet sich für mobile Anwendungen.

Während die Vielfalt der Akkubauarten bekannt ist und auch kommuniziert wird, ist bei künftigen Antriebseinheiten meist pauschal von Elektromotoren die Rede. Auch hier gibt es verschiedene Bauarten und auch hier sind nicht alle gleicher-maßen für Fahrzeugantriebe geeignet.

Um zu erfahren, welche Elektromotorbauarten für Fahrzeugantriebe die besten Lösungen darstellen, sprach die asp-Re-daktion mit Bernd Neitzel, dem Leiter der Geschäftseinheit Hybrid & Electric Ve- hicle bei Continental Powertrain.

Im Zusammenhang mit Elektromobilität ist oft von nötiger Weiterentwicklung der Akkutechnik die Rede. Sind auch bei der Elektromotortechnik weitere Entwicklungsschritte nötig und absehbar? Oder gelten Elektromotoren als ausgereift?

Die Technologie der Elektromotoren hat bereits eine lange Geschichte. Allerdings kommen Elektromotoren als Automobil-antriebe erst jetzt in größeren Stückzahlen auf den Markt. Somit ist eine Weiterentwicklung von der bekannten stationären zur neuen mobilen Anwendung nötig, die beispielsweise auf die Verbesserung des Leistungsgewichts abzielt. Die Elektromotoren, die Continental aktuell in die Serie überführt hat (Anmerkung der Redaktion: vgl. Infokasten „Renault Kangoo Z.E./Fluence Z.E.“ auf Seite 17), haben diesen Entwicklungsschritt bereits hinter sich und befinden sich auf einem hohen Niveau. Kleinere Schritte wird es auch weiterhin geben, doch solche fundamentalen Ent-wicklungen, wie wir sie bei den Akkus noch erleben werden, stehen bei den Elektromotoren nicht auf der Agenda.

Auch wird oft von den zahlreichen Akkubauarten gesprochen, jedoch stets nur von dem Elektromotor. Welche Elektromotorbauarten kommen für den Fahrzeugantrieb überhaupt in Frage?

Im automobilen Antriebsstrang zeigt die permanent erregte Synchronmaschine ein gutes Leistungsgewicht. In einer vergleichbaren Leistungsklasse ist man mit der fremd erregte Synchronmaschine unterwegs. Letztere wird über elektrische Wicklungen erregt, während bei der permanent erregten Synchronmaschine hierfür Dau-ermagneten Verwendung finden. Angesichts der Preisentwicklung der für die Produktion von Dauermagneten nötigen so genannten Seltenen Erden bietet die fremd erregte Synchronmaschine einen signifikanten Kostenvorteil. Geht es nicht um Antriebsmotoren, sondern beispielsweise um riemengetriebene Startergeneratoren, tut es auch eine Asynchronmaschine; sie bietet in dem hier gefragten Drehzahlbereich ein gutes Moment.

Alle aufgeführten Elektromotoren benötigen einen Umrichter, dessen Wirkungsweise bekanntermaßen eine ganze Menge elektromagnetische Strahlung produziert. Hat man das Problem der elektromagnetischen (Un-)Verträglichkeit inzwischen im Griff?

Man muss natürlich Maßnahmen ergreifen, um diese elektromagnetische Strahlung zu unterdrücken oder beseitigen, was aber Stand der Technik und beherrschbar ist.

Die ersten von Continental gelieferten Motoren kommen in den Renault-Baureihen Kangoo Z.E. und Fluence Z.E. gerade auf den Markt. Von welchen Außenmaßen der Motoren reden wir?

Unsere Motoren bauen äußerst kompakt. Ihr Durchmesser liegt bei 30 Zentimeter, ihre Länge bei 50 Zentimeter.

Bei solchen Maßen und gegenüber Verbrennungsmotoren womöglich veränderten Einbaupositionen träumen Autodesigner von gänzlich neuen Möglichkeiten. Welche Einbaupositionen hält man bei Continental für realistisch?

Man kann den Motor auf die Vorderachse setzen und einen Frontantrieb abbilden. Weil er deutlich kleiner als ein Verbrennungsmotor ist, kann man einen solchen Elektromotor aber durchaus auch auf der Hinterachse unterbringen, was ein heckgetriebenes Elektrofahrzeug ergibt. Vor-stellbar ist auch ein Elektromotor an der Hinter- und ein Verbrennungsmotor an der Vorderachse – der Antrieb eines Hy- bridfahrzeugs. Den Mehrkosten des Elektromotors stehen hier Vorteile bei Ver-brauch, Emission und Antrieb gegenüber. Mit einem solchen Fahrzeug kann man, je nach Erfordernis, emissionsfrei oder auch mit Allradantrieb unterwegs sein.

Wie realistisch sind Radnabenmotoren?

In der Theorie haben Radnabenmotoren ihren Sinn, denn in den Radschüsseln ließe sich ausreichend Antriebsmoment unterbringen. Nachteilig wirkt sich das nötige doppelte Vorhandensein von Motor und Umrichter aus, was jeweils auch doppelte Kosten verursacht; erfahrungsgemäß sind zwei kleinere Komponenten meist teurer als eine größere. Auch bei Elektrofahrzeugen muss man auf die Kosten achten und ich fürchte, dass es bei der Endauswahl der Antriebskonfiguration hierauf ankommt.

Mögliche Schwierigkeiten mit ungefederten Massen und aufwändigem Thermomanagement spielen offenbar keine großen Rollen.

Auch das Thermomanagement wäre für zwei Motoren erforderlich und deshalb teurer. Die Bedeutung der ungefederten Massen hängt hingegen vom Fahrzeug ab. Bei einem Kleinwagen wäre es durchaus möglich, diese Massen an der Hinterachse unterzubringen, ohne den Fahrkomfort signifikant zu beeinträchtigen. An diesem Thema würden Radnabenmotoren nicht scheitern, wohl aber an den Kosten.

Apropos Thermomanagement: Wird man die Motoren mit Luft oder Flüssigkeit kühlen?

Auch die Antwort auf diese Frage ist vom Anwendungsfall abhängig. Einige unserer Versuchfahrzeuge, Kleinstwagen mit zwei oder drei Sitzen, sind tatsächlich mit luftgekühlten Motoren ausgestattet. Leistung, Bauraum und Kühlluftversorgung lassen das zu. Bei größeren Fahrzeugen, geringerem Bauraum oder ebensolcher Kühlluftversorgung ist man gut beraten, auf Flüssigkeitskühlung zu setzen. Hier haben wir mit der altbekannten Kühlmittelmischung – Wasser und Frostschutzmittel – gute Erfahrungen gemacht.

Werden Motor und Akkupack von unterschiedlichen Flüssigkeitskreisläufen temperiert?

Das ist die Entscheidung der Automobilhersteller. Sind Elektromaschine und Akku thermisch nicht hoch belastet, kann man beide an einen Kühlkreislauf anschließen, anderenfalls könnte die thermische Trennung die richtige Entscheidung sein. In der Praxis wird es beide Lösungen geben.

Fahrzeuge mit Otto- oder Dieselmotor werden häufig technisch getunt. Ist so etwas auch bei Elektrofahrzeugen vorstellbar?

Die begrenzende Größe ist in diesem Fall die Batterie: Je stärker der Motor, um so kürzer die Reichweite. Man hätte zwar Spaß, aber nicht lange. Bereits heute und mit Serienfahrzeugen nimmt man gern deren hohes Beschleunigungsvermögen aus dem Stand heraus in Anspruch, ist aber schnell enttäuscht, wenn die Reichweite beschleunigt schrumpft. Auch wäre es beispielsweise unsinnig, an einem Fahrzeug, dessen Batterieleistungsabgabe ohnehin unterhalb der Motorleistungsaufnahme liegt, den Motor weiter zu tunen. Die Batterie gibt es einfach nicht her.

Wird durch den verstärkten Einsatz elektrischer Maschinen als Fahrzeugantriebe die Rolle des Elektromaschinenbauers als handwerklicher Instandsetzer neu belebt?

Hier ist das Schadenbild wichtig. Handelt es sich um einen Lagerschaden, kann es durchaus Sinn haben, das Lager handwerklich zu ersetzen. Ist aber eine Wicklung durchgebrannt, kostet deren handwerklicher Ersatz vermutlich deutlich mehr als der Ersatz des gesamten Rotors oder Stators oder industrielle Aufarbeitung.

Als Elektromotorenhersteller hat man sich bei Continental sicher Gedanken gemacht, mit wie viel neu zugelassenen Hybrid- und Elektrofahrzeugen künftig zu rechnen ist.

Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2020 etwa zwei Prozent der weltweiten Neuzulassungen Elektrofahrzeuge sein werden. Hier sind sich die Marktteilnehmer weitgehend einig, die Streuung ihrer Prognosen liegt zwischen 1,5 und drei Prozent. Bei den Hybriden lautet unsere Schätzung, ebenfalls für 2020, 15 Prozent, wobei die Bandbreite der Marktteilnehmerschätzungen zehn bis 20 Prozent beträgt. Auf allen Weltmärkten erleben wir derzeit, dass zwischen 2017 und 2020 die Emissions-anforderungen nochmals deutlich steigen. Hybridantriebe werden einen großen An- teil an der Erfüllung haben. Diese Techno-logie ist nicht aufzuhalten.

Besten Dank für die interessanten Einblicke in die Antriebstechnik künftiger Automobile.

Das Gespräch führte Peter Diehl.

Konkrete Anwendungen

Renault Kangoo Z.E./Fluence Z.E.

Sie waren Neuheiten auf der IAA, ab sofort sind die Elektrofahrzeuge bei deutschen Renault-Händlern bestellbar: Kangoo Z.E. und Fluence Z.E. Bei beiden an Bord sind elektrischer Antriebsmotor, Leistungselektronik und Steuergerät von Continental Powertrain. Bei der elektrischen Maschine handelt es sich um einen fremd erregten Synchronmotor, der mit Ein-Gang-Getriebe und Differenzial in einem Gehäuse zusammengefasst und an der Vorderachse eingebaut ist. Nennwerte: bis 226 Nm und 70 kW. Dieses Antriebsmodul fertigt Continental Powertrain im Werk Gif-horn mit einer Kapazität von anfänglich 60.000 Einheiten pro Jahr.

Interessant erscheint auch das Vermarktungskonzept von Renault: Auto kaufen, Lithium-Ionen-Akku mieten. Kauf- und Mietpreise:

Fluence Z.E. ab 26.790 Euro brutto plus monatlich 82 Euro brutto Akkumiete (bei mindestens 36 Monaten Laufzeit und abhängig von der Fahrleistung)

Kangoo Z.E. ab 20.000 Euro netto plus monatlich 72 Euro netto Akkumiete (bei mindestens 36 Monaten Laufzeit und einer Fahrleistung von 10.000 Kilometern pro Jahr)

Elektromaschinen für mobile Anwendungen

Bauarten von Elektromaschinen

Vorteile

Nachteile

Einbau als

permanent erregte Synchronmaschine

einfacher Aufbau

Kosten (Seltene Erden)

Antriebsmotor

fremd erregter Synchronmaschine

Kosten

komplexer Aufbau

Antriebsmotor

Asynchronmaschine

Kosten

Drehmomentverhalten

riemengetriebener Startergenerator

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