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Porträt Mate Rimac: Ein Petrolhead unter Strom

18.05.2021 10:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Mate Rimac ist ein gefragter Mann.
© Foto: Rimac

Tüftler, Driftkönig, Rekordhalter, Elektro-Entrepeneur, Supersportwagen-Fabrikant und Retter der Autoindustrie: Sie haben Mate Rimac schon viele Etiketten aufgeklebt, aber in eine Schublade lässt sich der junge Kroate nicht stecken. Doch genau das macht ihn so spannend.

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Die Liebe zum Auto war bei ihm schon immer etwas ausgeprägter. Wo andere Kinder ihre Matchbox-Modelle nur mit in die Schule genommen haben oder in den Sandkasten, ist er ohne sie nicht einmal aufs Klo gegangen. Vor dem Krieg auf dem Balkan nach Deutschland geflüchtet, war er während seiner Kindheit in Frankfurt Stammgast auf der IAA, und seit er nach seiner Rückkehr nach Kroatien den Führerschein gemacht hat, gab es für den Teenager kaum ein Wochenende, an dem er nicht im Drift über irgendein Flugfeld gefegt oder auf der Jagd nach der Bestzeit über eine Rennstrecke gejagt ist: Wenn man deshalb jemanden als waschechten Petrolhead bezeichnen kann, dann Mate Rimac.

Doch leider hat das Bild des Benzin-Fetischisten einen Fehler. Denn der gerade einmal 33 Jahre alte Kroate ist zugleich der Shooting-Star der Stromer, wird von der Generation E als europäische Antwort auf Elon Musk gefeiert, von den Granden der PS-Branche als Hoffnungsträger und Entwicklungshelfer im Kampf gegen Tesla & Co. hofiert und von der Gerüchteküche sogar als künftiger Eigner von Bugatti gehandelt, der die Kronjuwelen des VW-Konzerns in die neue Zeit retten soll. Nicht umsonst hat er binnen zehn Jahren einen der bislang schnellsten und stärksten elektrischen Sportwagen gebaut und steht unmittelbar vor dem Start der zweiten Generation, ist zum Entwicklungspartner von Porsche, Hyundai, Kia, Aston Martin und Koenigsegg aufgestiegen und hat mittlerweile sogar Porsche als Anteilseigener ins Boot geholt.

In einer Dekade vom Nobody zum Hoffnungsträger einer ganzen Branche – schon das wäre ungewöhnlich genug. Doch dass Rimac ausgerechnet aus Kroatien kommt, gibt der Geschichte noch einen zusätzlichen Dreh. Denn auf der kunterbunten Weltkarte des Automobils ist das ehemalige Jugoslawien seit dem Ende des Kleinwagens Yugo im Jahr 2008 ein weißer Fleck, selbst Zulieferer findet man hier kaum. Und trotzdem hat hier schon einmal eine entscheidende Bewegung ihren Ausgang genommen: Nur 200 Kilometer südlich von Sveta Nedelja entfernt wurde ein gewisser Nikola Tesla geboren. Damit ist Rimac zumindest geografisch näher dran an Tesla als Elon Musk und scheut sich auch nicht, einen seiner Konferenzräume nach dem Erfinder des Wechselstroms zu benennen.



Da die Leidenschaft für Leistung, die Sucht nach Speed und die Freude am Fahren, dort das Engagement für Elektromobilität und eine bessere Welt – für Rimac ist das kein Widerspruch. Genauso wenig wie sein BMW M5, der unten auf dem Parkplatz vor der Hauptverwaltung steht. Denn wer was für die Umwelt tun will, soll nicht aufs Auto verzichten, sondern lieber aufs Fleisch, sagt der bekennende Veganer, der einen millionenschweren Sportwagen nur widerwillig mit Leder ausschlagen lässt. Und Elektroautos liebt er nicht wegen der geringen Emissionen, sondern vor allem wegen ihrer unerreichten Fahrdynamik.

Mit dem "Grünen Monster" zum Youtube-Star

Diese Begeisterung reicht zurück in seine ganz jungen Jahre als Drifter und Rennfahrer. Nachdem ihm bei einem Driftrennen der Sechszylinder seines 3er BMW um die Ohren flog und ihm das Geld für den fünf Liter großen V8 aus dem damaligen M5 fehlte, hat er kurzerhand die E-Maschine eines Gabelstaplers eingebaut und dabei gelernt, wie viel Spaß das explosive Drehmoment eines Elektromotors machen kann. Und wie wenig Chancen konventionelle Autos dann plötzlich haben. Denn nach ein paar Blamagen und viel Feintuning hat er mit seinem zuletzt 600 PS starken E-Dreier, dem "Grünen Monster" Wochenende für Wochenende neue Gegner düpiert und es so zum Youtube-Star gebracht. Dadurch sind irgendwann auch ein paar autoverrückte Araber auf ihn aufmerksam geworden und haben ihn im Frühjahr 2013 ermutigt, sein eigenes Elektroauto zu bauen. Und zwar nicht irgendeines, sondern das stärkste und schnellste seiner Zeit. Und als wäre das nicht schon Herausforderung genug, haben sie ihm dafür nur wenig Zeit gelassen. "Zur IAA im September musste es fertig sein."

War es eine Panne, die ihn auf den Elektroantrieb gebracht hat, war es eine Beinahe-Pleite, die ihn zum Hoffnungsträger für die etablierte Autobranche machte. Denn mitten in der Arbeit an diesem elektrischen Erstling mit 1.000 PS und mehr als 350 km/h Spitze haben ihn seine Investoren im Stich gelassen, erinnert sich Rimac an eine Zeit, in der seine Firma von der Hand in den Mund gelebt hat: Um den Laden am Laufen zu halten, die Löhne zahlen und das Projekt doch irgendwie noch zu Ende bringen zu können, haben sie nebenbei Entwicklungsaufträge von anderen Unternehmen angenommen, und dabei schnell gemerkt, dass man damit mindestens genauso gutes Geld verdienen kann. Rimac: "Damals waren wir geschockt, aber in der Rückschau war es das Beste, was uns passieren konnte."

Denn die Arbeit für andere hat sich gelohnt. So konnte Rimac nicht nur tatsächlich jenen C1 bauen, immerhin acht Exemplare verkaufen und sich so zum ersten Automobilhersteller auf dem Balkan seit dem unrühmlichen Ende der Staatsmarke Yugo aufschwingen. Vor allem hat er damit den Grundstein gelegt für das wahrscheinlich erfolgreichste Start-up des jungen Landes und einen Entwicklungshelfer, der nur zehn Jahre nach der Gründung in einem Atemzug genannt wird mit altgedienten Giganten wie Magna, Conti oder Bosch.

Zweite Hypercar-Generation in den Startlöchern

Wusste er anfangs nicht, wie er die Gehälter seiner Mannschaft zahlen sollte und konnte deshalb so mache Nacht nicht schlafen, sieht seine Welt heute ein bisschen anders aus: Die zweite Generation seines elektrischen Hypercars– diesmal mit über 1.400 kW / 1.900 PS und mehr als 400 km/h – steht unter dem Projektkürzel C2 kurz vor dem Serienstart, und statt nicht mal einem Dutzend Exemplaren will er davon künftig bis zu 150 Autos herstellen – und zwar pro Jahr. Außerdem hat er einen Deal mit Pininfarina und baut für die Italiener auf Basis des C2 den technisch nahezu identischen Battista.

Petrolhead
Bis zu 150 C2-Fahrzeuge will Rimac pro Jahr herstellen.
© Foto: Rimac

Doch längst machen die Aufträge aus Stuttgart, aus England oder Korea viel mehr aus am Arbeitspensum in Sveta Nedelja. Und nicht ohne Grund hat Porsche gerade die Beteiligung an seiner Firma von 15 auf 24 Prozent erhöht. Sorgen um Geld und Gehälter muss sich Rimac aktuell wohl kaum mehr machen, und wenn ihn die Ruhe zum Schlafen fehlt, dann wegen der vielen Projekte, in denen er mittlerweile involviert ist. Und mehrmals die Woche landet auf dem nahen Flughafen von Zagreb wieder ein Learjet mit irgendeiner PS-Delegation, die von seinem Know-how und seiner Flexibilität profitieren will.

Wenn man Rimac fragt, wo er seine Firma in fünf Jahren sieht, sind es deshalb auch dann nur 100 oder 150 Autos, die er pro Jahr bauen will. Schließlich mag er seinen Kunden ja keine Konkurrenz machen. Aber dafür sollen Woche für Woche dutzende Lastwagen voller E-Komponenten aus seinem Werk rollen: Batterie-Steuerungen, Ladeelektroniken und Motorteile, mit denen die Elektroautos und Hybrid-Modelle von Hyundai oder Kia, Aston Martin oder Porsche im Rennen gegen Tesla & Co besser bestehen sollen.

Großer Firmen-Campus entsteht

Auch wenn Rimac in der Elektromobilität nicht das alleinige Mittel zur Rettung der Welt sieht und langfristig von autonomen Pods träumt, die das Auto weitgehend ablösen werden, sieht er für Supersportwagen wie seinen C2 oder eben den Bugatti selbst in dieser schönen neuen Welt noch ein Platz. "Denn solche Autos wird es immer geben, genau wie Rennpferde. Selbst wenn seit 100 Jahren niemand mehr Reiten muss, um von A nach B zu kommen." Und auch dem "Green Monster", mit dem vor über zehn Jahren alles begonnen hat, hält der 33-jährige Selfmade-Mann die Treue: Um seine mittlerweile 1.000 Mitarbeiter adäquat unterzubringen und nicht mehr an einem halben Dutzend Standorten um Zagreb herum verteilen zu müssen und vor allem um dringend benötigtes neues Personal in die Diaspora auf dem Balkan locken zu können, baut er gerade einen 200 Millionen Euro teuren Campus im Stil des Apple-Hauptquartiers in Cupertino mit Produktion, Entwicklung, Hotel, Bio-Bauernhof – und einem Museum, in dem der elektrische Erstling auf Basis des Dreiers einen Ehrenplatz bekommt.


Pininfarina Battista beim Test in Nardò

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