Von Wolfgang Wieland/SP-X
Was unternehmen eigentlich stressgeplagte Manager, um sich von ihrem stets gutgefüllten Schreibtisch zu erholen? Da auf dem bevorzugt topdesignten Bürostuhl eher Bewegungslosigkeit den grauen Akten-Alltag bestimmt, gehen viele, weil man es so macht, in der Mittagspause oder nach dem meist späten Feierabend Joggen, ins Fitnessstudio oder drehen ausgedehnte Runden auf dem Karbon-Fahrrad. Wer gern etwas mutiger die müden Muskeln in Bewegung halten möchte, stellt sich mit Gleichgesinnten in einen Boxring oder wälzt sich mehr oder weniger geschickt auf einer Ringermatte. Aber es geht noch sehr viel spannender: Wir haben zwei Berliner Workaholics begleitet, die sich am liebsten auf griffigem Asphalt den Kopf freipusten, auf Rennstrecken wie der Nordschleife des Nürburgrings, am Bilster Berg oder auf der legendären Ardennen-Rundstrecke von Spa.
So mal eben schnell und kurzentschlossen am Abend geht dies selbstredend nicht, dafür müssen sich die beiden dann schon mal ein paar Tage Auszeit vom Büro nehmen. Der Immobilienkaufmann André Leidel und der Rechtsanwalt Marcus Mende haben sich ausschließlich für diesen rennsportlichen Zweck das passende Equipment gekauft: straßenzugelassene Porsche-GT3-Renner aus der 991-Serie. Die heckgetriebenen Supersportwagen kosten so zwischen 150.000 und 195.000 Euro, leisten 350 kW / 475 PS in der Normalversion, beziehungsweise 368 kW / 500 PS in der RS-Variante. Das reicht für einen Launchcontrol-optimierten Sprint von null auf 100 km/h in nur 3,3 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit, bei Racern auch gern mal "Vmax" genannt, liegt so zwischen 310 und 318 km/h, je nach Fahrwerks- und Heckflügeleinstellung. Um sich schon optimal auf die schnellen Runden auf den berühmten Rennstrecken vorzubereiten, fahren Leidel und Mende stets auf eigener Achse von Berlin zu den jeweiligen Strecken. Das können dann schon mal gut 700 Kilometer auf Autobahnen und Landstraßen werden.
Man könnte sich die Fahrzeuge natürlich auch im Lkw anliefern und den Rennanzug von der ortsansässigen Hotel-Wäscherei aufbügeln lassen, um dann bequem im Flugzeug hinterher zu jetten, aber das wäre den Hobbyrennfahrern viel zu snobistisch. "Wir wollen auch hier fast alles selbst in die Hand nehmen, Anreise, Ölstand messen und den Reifendruck der Außentemperatur und den Streckenbedingungen anpassen", erzählt Marcus Mende, der seine eigenen Sportwagen aus Zuffenhausen seit über 30 Jahren immer wieder auf Rennstrecken bewegt. Mende weiter: "Ich bin in Bonn-Bad Godesberg geboren und aufgewachsen, nur etwa eine halbe Autostunde vom Nürburgring entfernt. Da hat man schon dank der Nähe zur Nordschleife von Anfang an Benzin im Blut."
Farbenfroher Racer
Kommt Renn-Kollege André Leidel mit seinem 991 GT3 RS an eine Rennstrecke, drehen sich erst einmal alle Anwesenden um. Warum? Zusätzlich zur eh schon extravaganten Sonderlackierung in ultraviolett (kostet bei Porsche 2.654 Euro Aufpreis) wurden Kofferraumhaube, Dach und einige Zierteile in neongelb beklebt. Wer den farbenfrohen Racer dann im Rückspiegel heranrauschen sieht, macht da doch lieber gleich Platz, in dem man den Blinker rechts oder links setzt, je nachdem, welche Fahrbahnseite günstiger zum Überholen erscheint.
Da auch die erfahrensten Hobbyracer immer noch dazu lernen können, nehmen Leidel und Mende auch an sogenannten Perfektionstrainings teil. Hier wird dann für ca. 50 bis 100 Teilnehmer eine ganze Rennstrecke gemietet, um dann unter Anleitung professioneller Instruktoren möglichst schnell die Ideallinie, sowie die Brems- und Einlenkpunkte der jeweiligen Strecke zu finden. Die Instruktoren sind meist erfahrene Rennfahrer, Testfahrer oder Entwickler der jeweiligen Autohersteller.
Diesmal führt der mehrfache deutsche Rallyemeister Ruben Zeltner, gewann unter anderem auf einem Porsche 997 GT3, die Gruppe an. Über Walkie-Talkies werden alle relevanten Informationen, auch an den Stellen, wo bereits schwere, auch tödliche Unfälle passierten, an die mit zwei bis drei Wagenlängen folgenden Teilnehmer weitergegeben. Das ist wichtig, denn schließlich wollen ja alle Fahrer sich und ihre Fahrzeuge wieder heil nach Hause bringen. Und so eine unfreiwillige Kaltverformung der Sportwagen geht auch schnell ins Geld, fünfstellig. Bei den Fahrzeugversicherungen braucht man dann wenn’s wirklich mal passiert ist, wegen der zahlreichen kleingeschriebenen Ausschlussklauseln in den meisten Fällen auch gar nicht erst anrufen.
"Open pitlane" nur bei absoluter Trockenheit
Da es in der Eifel seit Stunden regnet, ist die Nordschleife des Nürburgrings mehr denn je als „Grüne Hölle“ zu bezeichnen. Die Ideallinie bei Trockenheit ist bei Nässe nahezu nicht mehr befahrbar, weil der Asphalt so abgeschliffen ist und so viel abgeriebener Reifengummi dort liegt, dass nicht nur mit Semislick-Bereifung, sondern auch mit straßentauglichen Sommerreifen der geplante Ritt auf der Kanonenkugel zur unkontrollierten Rutschpartie wird. Also fährt man hier bei Regen um ein bis zwei Meter versetzt zur sonst perfekten Spur. So drehen dann die Freizeitrennfahrer brav ihre Runden hinter dem Führungsfahrzeug, bis dann schließlich das "freie Fahren" die restliche Tagesordnung bestimmt. Bei der "open pitlane" kann dann auch ohne Pause Runde für Runde über die lange Gerade der Döttinger Höhe mit über 250 km/h gerast werden, aber eben nur bei absoluter Trockenheit.
Aber nicht nur aktuelle GT-Modelle, sondern auch ältere Porsche vergangener Jahrzehnte stehen bei den beiden Wahl-Berlinern hoch im Kurs. 911-G-Modelle (Bauzeit von 1974-1989) als Coupé, Cabrio, Jubiläums-Targa und als 930 Turbo sind jederzeit einsatzbereit. Die Krönung in der Garage ist ein Porsche Sport Classic aus dem Jahr 2010.
Das 408 PS starke 911-Sondermodell wurde nur 250 Mal zum Preis von rund 200.000 Euro verkauft und verschwand meistens zu Spekulationszwecken unter Baumwoll-Schutzdecken in Tiefgargen. Nicht so das Exemplar von Rechtsanwalt Mende, das inzwischen regelmäßig artgerecht und im Grenzbereich auf den Rennstrecken eingesetzt wird. Diese Einsatzfreudigkeit wird von vielen anderen Rennfahrern stets hochgelobt und beklatscht, denn diese in Kleinserie gebauten Fahrzeuge, sieht man äußerst selten auf Rundkursen. Und so sind auch die erst einmal hohen Einstandskosten für den GT3 und den GT3 RS gut angelegt, da auch hier durch die relativ geringen Stückzahlen ein späterer Verkauf in der Regel keinen finanziellen Verlust bedeuten wird. Keep racing!