Da war der Fälscher schneller als der Originalanbieter: Bereits drei Monate vor dem Erscheinen der Volkswagen-Navigations-SD-Karte hatte das polnische Unternehmen Itprocars gefälschte SD-Karten über seinen Ebay-Shop mit Top Bewertungen (99,8 Prozent positiv) in VW-Markenoptik angeboten. Dafür vergab heute die Plagiarius-Jury im Rahmen der Frankfurter Konsumgütermesse "Ambiente" in Frankfurt den Sonderpreis "Fälschung".
In der "Laudatio" wurde die ganze Dreistigkeit des Vorgang deutlich: Der Anbieter räumte zwar die Markenrechts-Verletzungen ein, weigert sich aber, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Stattdessen will der Fälscher gegen eine Zahlung von 2.000 Euro erreichen, dass Volkswagen von der rechtlichen Verfolgung des Betrugs absieht. Die gefälschten VW SD-Karten werden nun nicht mehr angeboten, dafür aber Fälschungen von solchen Karten anderer namhafter Autohersteller.
Strafverfahren eröffnet
Um die Sicherheit ging es beim dritten Rang der Plagiarius-Vergabe, um das Fahrzeug-Diagnose-System "Xentry Diagnosis" von Mercedes-Benz für On-Board-Diagnose (OBD). Die Jury bezeichnet das OBD-System vom Vertrieb OBD Diagnostic Tools, Fellbach als Fälschung. Solche Systeme unterstützen bei Wartung und Reparatur. Als Schnittstelle zwischen Fahrzeug-OBD-Dose und Diagnose-Computer dient hier der sogenannte Multiplexer "SDconnect". Wegen Verletzung der Marke "Mercedes-Benz", des Mercedes-Sterns und der für Diagnosesoftware geschützten Marke Xentry gab es eine zivilrechtliche Verurteilung durch das Landgericht Stuttgart; zusätzlich wurde ein Strafverfahren eröffnet.
Gefälschte Fahrzeugdiagnosesysteme können missbraucht werden, um zum Beispiel Gurtwarner oder die Höchstgeschwindigkeits-Begrenzer zu deaktivieren. Sie verwenden außerdem meist veraltete Software ohne (Sicherheits-)Aktualisierungen. Reparaturen und Wartungen erfolgen dann nicht auf dem aktuellen Stand der Technik. Es besteht das Risiko, dass Fehler nicht erkannt werden.
Soziale Akzeptanz für Fälschungen steigt
Falsche Gucci-Caps und nachgemachte Rolex-Uhren: Im Kampf gegen Produktpiraten hat die Aktion Plagiarius auf einen Trend in den sozialen Digital-Medien aufmerksam gemacht. Sogenannte "Dupe Influencer" empfehlen dort ihren meist jungen Followern gefälschte Designer- und Luxusprodukte, kritisierte der Verein. "Sie legitimieren selbstherrlich den Verkauf rechtsverletzender Artikel und verharmlosen den Kauf als cool und akzeptabel."
In der Folge steige die soziale Akzeptanz von Fälschungen und es entstehe eine Gleichgültigkeit gegenüber den wirtschaftlichen Schäden, die bei Herstellern und Designern der nachgemachten Produkte entstehen. Mehr als jeder dritte jugendliche Europäer zwischen 15 und 24 Jahren habe schon mal vorsätzlich gefälschte Produkte gekauft.
Die Aktion kämpft seit 1977 gegen Produktpiraten mit ihren weltweiten Milliardenumsätzen. Mit dem Schmähpreis "Plagiarius" - einem Zwerg mit goldener Nase - werden Hersteller und Händler besonders dreister Nachahmungen regelmäßig angeprangert. Oftmals stammen die Hinweise von den Original-Herstellern, die mit der Vergabe des Schmähpreises einverstanden sein müssen.
Regelmäßige Zoll-Razzien
Auf der Weltleitmesse "Ambiente" finden regelmäßig Zoll-Razzien statt, bei denen die Inhaber der Original-Rechte nachgemachte Produkte beschlagnahmen lassen. Das Internet hat allerdings weit komplexere und direkte Vertriebswege ermöglicht. Die Ausprägungen digitaler Markenverletzungen würden immer vielfältiger, kritisiert der Verein. "Von klassischen Plagiaten, Fälschungen und Urheberrechtsverletzungen über Domainklau und Markenmissbrauch bis hin zu komplettem Identitätsdiebstahl und Fake-Shops." Dagegen brauche es digitale Schutzstrategien.