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Schwung und Schmerzen: Neuer Conti-Chef will noch mehr Umbau

16.12.2020 09:25 Uhr | Lesezeit: 5 min
Nikolai Setzer
Der neue Conti-Chef Nikolai Setzer will verstärkt in neue Software investieren.
© Foto: picture alliance/dpa/Jochen Lübke

Das Erbe, das Nikolai Setzer bei Continental antritt, ist kein leichtes. Viele Jahre lief es bei dem Autozulieferer gut, dann kamen der Branchenumbruch und Corona. Der Neue will frischen Wind reinbringen - er muss aber die verunsicherte Belegschaft mitnehmen.

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Continental will mit verstärkten Investitionen in Software und Elektronik die Krise meistern - am schmerzhaften Umbau mit Jobverlusten führt aber auch unter dem neuen Chef Nikolai Setzer kein Weg vorbei. "Wir setzen künftig mit noch mehr Kraft und Mitteln auf unsere Wachstumsfelder und Zukunftstechnologien", kündigte der Nachfolger des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Elmar Degenhart am Mittwoch an. "Die Software macht den Unterschied."

Bei Kürzungen in älteren Bereichen versprach Setzer genaue Prüfungen: "Jede einzelne Maßnahme und Auswirkung auf Beschäftigte haben wir im Vorstand abgewogen." Man habe keine andere Wahl, als sich profitabler aufzustellen. "Gerade für mich, 23 Jahre bei Continental, sind diese Pläne und Transformation natürlich sehr bitter und schmerzhaft."

Der Dax-Konzern aus Hannover gibt sich eine neue Strategie. Bereiche wie Vernetzung, Assistenzsysteme und Hochleistungsrechner im Auto werden ausgebaut. Daneben gelte es, die Position in gesättigteren Segmenten wie Sicherheitstechnik, Anzeigesystemen oder dem Reifengeschäft in Europa zu halten sowie "Wertbeiträge zu sichern".

Im jetzt startenden Corona-Shutdown sieht Setzer die Kunden aus der Autoindustrie grundsätzlich weiter produzieren - abgesehen von den Weihnachtsferien. "Wie das nun in dem Lockdown, der seit heute gilt, weiterläuft, das lässt sich schwer sagen", schränkte er ein. Im Frühjahr hatte auch Conti die Produktion herunterfahren müssen, weil Autobauer ihre Fabriken dichtmachten. Noch im November seien 2.000 Mitarbeiter an durchschnittlich vier Tagen in Kurzarbeit gewesen.

Autozulieferung schwächelt

Das Kerngeschäft mit der Autozulieferung hatte bei Conti zuletzt merklich geschwächelt. Auf Konzernebene strebt Setzer mittelfristig nun ein Wachstum aus eigener Kraft - also ohne Wechselkurseffekte und Zukäufe - von fünf bis acht Prozent jährlich an, nachdem Branchenflaute und Pandemiefolgen den Hannoveranern das Geschäft verhagelt hatten. Bei der um Sondereffekte bereinigten Gewinnspanne vor Zinsen und Steuern plant Setzer mit acht bis elf Prozent - ohne die Antriebstechnik, die im kommenden Jahr in die neue Firma Vitesco ausgelagert werden soll.

Der neue Chef erklärte, das Autozuliefergeschäft solle mit sieben bis elf Prozent Wachstum wesentlicher Treiber sein und damit auch um zwei bis vier Prozentpunkte mehr zulegen als der Markt. Die Antriebstechnik rechnet Conti auch hier schon nicht mehr dazu - man konzentriert sich neben Bremsen und Innenraumteilen auf Elektronik, Sensorik und Software.

In der traditionellen Reifensparte, die lange unter der Führung von Setzer war, will das Unternehmen vor allem in Asien und Nordamerika seine Marktanteile erhöhen. In Europa hält Continental das Volumen größtenteils für erschöpft. So wurden auch Schließungen wie in Aachen begründet, die das Management unter Degenhart und die Kapitalseite gegen Widerstand aus Betriebsrat und Gewerkschaften durchdrückten.

Verständigung mit Arbeitnehmern lief holprig

Diesen Konfliktherd muss nun Setzer einhegen. Die Verständigung mit den Arbeitnehmern über das genaue Wie und Wann des Umbaus lief bisher mehr als holprig. Die IG Metall brach Anfang Dezember die Gespräche ab. Der Chef der IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, drohte: "Dieser Stellenabbau wird teuer." Allein in Deutschland stehen rund 13.000 Arbeitsplätze bei Continental im Feuer. Eine Beschäftigungssicherung ist bislang nicht vereinbart.

Der Chef des IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger, reagierte am Mittwoch skeptisch auf die neuen Leitlinien. "Es ist schon mehr als befremdlich, dass Continental eine Unternehmensstrategie vorstellt, in der Beschäftigte keinerlei Erwähnung finden", kritisierte er. "Das passt zu dem angekündigten brutalen Arbeitsplatzabbau in der Rhein-Main-Region." In den vergangenen Wochen hatte es auch an hessischen Standorten Proteste gegen den Sparkurs gegeben.

Kritik am Conti-Management

Viele Beschäftigte fühlen sich außen vor gelassen - auch Politiker waren das Conti-Management im Herbst wegen fehlender Absprachen hart angegangen. Belegschaftsvertreter werfen der Führung vor, profitable Werke zu schließen, um die Arbeit in Niedriglohnländer zu verlagern.

Insgesamt könnte das Reifengeschäft laut den Erwartungen des Managements ein wichtiger Ertragsbringer bleiben, angepeilt wird eine bereinigte Gewinnspanne von 12 bis 16 Prozent des Umsatzes. Die Zukunft soll aber vor allem auch der Auto-Vernetzung gehören. Bei Hochleistungszentralrechnern für moderne Fahrzeuge, wie sie etwa im ID.3 von VW eingebaut werden, bezifferte Conti den Auftragsbestand mehrerer Hersteller auf derzeit rund vier Milliarden Euro.

Das Digitalgeschäft sei ein "sehr stark technologiegetriebener" Bereich, so Finanzchef Wolfgang Schäfer. "Da werden wir sicher auch zukaufen müssen." Konkurrent Bosch teilte mit, für seine eigenen Fahrzeug-Computer mittlerweile "Aufträge in Höhe mehrerer Milliarden Euro" zu haben. Ein Einstieg in die Fertigung von Batteriezellen, wie sie etwa VW-Konzernchef Herbert Diess bei mehr europäischen Zulieferern fordert, ist für Continental nach wie vor kein Thema. (dpa)

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