Lange hatte der zweitgrößte deutsche Tankstellenkonzern Shell gezögert, nun geht es ganz schnell: Schon in wenigen Tagen soll an allen 2.200 Stationen mit der Muschel der umstrittene Sprit E10 zu kaufen sein. Gleichzeitig werde überall der Superkraftstoff E5 mit 95 Oktan angeboten sowie ein teurer Premiumkraftstoff mit 100 Oktan. Super plus mit 98 Oktan wird aus dem Shell-Angebot komplett herausgenommen. "Damit haben wir dann wieder ein einheitliches Angebot im deutschen Netz", sagte Shell-Tankstellenchef Jörg Wienke am Montag in Hamburg. Ein Dreivierteljahr nach der missglückten Einführung von E10 mit zehn Prozent Ethanol klärt sich damit so langsam, welches Angebot die Autofahrer in Deutschland an den Tankstellen vorfinden und wie die Preisstrukturen sind. Zunächst hatten die Konzerne versucht, Superbenzin mit 95 Oktan aus dem Markt zu nehmen und durch E10 zu ersetzen. Das war am mangelnden Zuspruch der Autofahrer gescheitert; die Branche stoppte den Umbau ihrer Netze und Raffinerien auf halbem Wege. Die Folge war ein Chaos am Benzinmarkt mit gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Mineralölwirtschaft, Autoindustrie, Politik und Autofahrerclubs. Ein eilig anberaumter "Benzingipfel" in Berlin blieb weitgehend folgenlos. Nun ist E10 das günstigste Benzin auf dem deutschen Markt. Super 95 mit fünf Prozent Ethanol ist drei Cent teurer, was der ADAC akzeptabel findet. In Wirklichkeit ist die Preisdifferenz noch geringer, weil E10 weniger Energie enthält als E5, also die Verbrauchswerte des Autos sich leicht verschlechtern. Der nächstteure Kraftstoff ist Super plus mit 98 Oktan, das aber nicht mehr überall zu bekommen sein wird. Bei Shell gar nicht, bei Aral bei weniger als der Hälfte der Stationen. Es ist sieben Cent teurer als E10. Darüber folgen dann die Edel-Sorten mit 100 Oktan und mehr, die zwischen neun und 19 Cent je Liter teurer sind als E10. Problem Bioquoten Aral hat sein Netz schon bundesweit umgestellt, die freien Tankstellen arbeiten daran, bei Esso lässt man sich etwas mehr Zeit und will das Angebot grundsätzlich durchdenken und "nachfrage- und bedarfsgerecht" am Kunden ausrichten. Dem Druck der Politik zur Einführung von Bio-Kraftstoffen kann sich keine der Firmen entziehen. "Eigentlich müsste jeder verkaufte Liter Benzin E10 sein, um die Vorgaben zu erfüllen", sagte eine Konzernsprecherin. Davon ist die Branche jedoch weit entfernt; höchstens jeder dritte Autofahrer, der es könnte, tankt E10. In diesem Jahr werden die Tankstellenkonzerne aufgrund von Sonderbedingungen ihre Bioquoten erfüllen, aber das sieht im nächsten Jahr vielleicht anders aus. Der ADAC fordert, dass die Mineralölfirmen jetzt mit einer Informationskampagne dem E10-Absatz mehr Schub verleihen. (Eckart Gienke, dpa)
Streitfall E10: Klarheit nach einem Jahr
Nach Aral führt nun auch Shell als zweiter Großanbieter in ganz Deutschland den umstrittenen Sprit E10 ein. Aber Unterschiede zwischen den Anbietern bleiben.