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"Teile sind keine Haushaltswaren"

28.05.2020 11:00 Uhr
"Teile sind keine Haushaltswaren"

Seit zwei Jahren gehört Stahlgruber zum US-Teileriesen LKQ. Arnd Franz, LKQ-Europachef, sowie Stahlgruber-Chef Frank Schöller sprechen über den Zusammenschluss und seine Folgen, die Zukunft des Werkstattgeschäfts und über Corona.

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asp: In Europa standen viele Räder still. Wie hat sich der Lockdown auf das Werkstattgeschäft ausgewirkt?

A. Franz: Wir haben in allen Ländern Umsatzeinbrüche zu verzeichnen, die von einem Lockdown betroffen sind bzw. waren. Besonders in den Ländern, in denen selbst eine Reparatur nicht mehr möglich war, beispielsweise in Frankreich und Belgien. Es gab dann dort nur Notreparaturen und die Instandhaltung systemrelevanter Fahrzeuge.

asp: Herr Schöller, in Deutschland konnten die Werkstätten weiterarbeiten. Wie hat sich die Auslastung der Betriebe in den vergangenen Wochen entwickelt?

F. Schöller: Die freien und die Markenbetriebe waren unterschiedlich betroffen. Gerade die Markenbetriebe hatten ja teilweise geschlossen. Aber gerade im März hatten auch die freien Werkstätten Umsatzverluste um bis zu 80 Prozent zu verzeichnen. Das hat sich im April verändert. Die Lockerungen, das gute Wetter und die angestandene Reifenwechselsaison nach Ostern haben die Auslastung im Reifenfachhandel und bei den freien Werkstätten verbessert.

asp: Wie beschreiben Sie jetzt die aktuelle Situation des Reparaturgeschäfts in Europa aufgrund der Lockerungen?

A. Franz: Mit der Stabilisierung der Infektionszahlen bzw. der Reduzierung in Verbindung mit den Lockerungen stellen wir fest, dass es in einigen Ländern wieder anzieht. Auch in Italien tastet sich der Markt in Richtung Normalität vor. Das wird aber noch eine ganze Weile dauern.

asp: Sind Sie als Unternehmen voll arbeitsfähig?

A. Franz: LKQ hat in den 1.100 Niederlassungen in Europa extrem viel gemacht, um seine Mitarbeiter zu schützen. Wir haben aber auch dafür gesorgt, dass unsere Mitarbeiter den Kundenkontakt halten. Klar konnten wir die Werkstätten nicht mehr besuchen. Es wurden aber alle anderen Kanäle wie Telefon, Videokonferenz oder E-Mail intensiv genutzt. Wir waren und sind voll arbeitsfähig.

asp: Bleibt die Vielfalt im Reparaturgeschäft auch in Zukunft erhalten?

A. Franz: Die Vielfalt ist ein Kennzeichen unseres Marktes. Sie wird sicher in Zukunft noch zunehmen. Denken Sie nur an die Elektromobilität. Mit der Vielfalt umzugehen, ist eine unserer Stärken. Dazu zählt auch, dass LKQ europäisch aufgestellt ist und auf der anderen Seite durch seine Tochterunternehmen die Märkte der jeweiligen Länder kennt und optimal bedienen kann.

asp: Herr Schöller, welche Auswirkungen auf den deutschen Markt erwarten Sie?

F. Schöller: Wir sehen eine Tendenz, dass sich Vertragswerkstätten verstärkt zu Multimarken-Reparaturbetrieben entwickeln. Die Teilevielfalt nimmt zu und die Komplexität der Reparaturen. Wir brauchen den Schulterschluss zwischen Industrie, Werkstatt und Teilehandel. Nur so sind die komplexen Reparaturen für alle Betriebe möglich.

asp: Es gab verschiedene Maßnahmen von Stahlgruber zur Unterstützung der Kunden. In welcher Form haben die Werkstätten davon Gebrauch gemacht?

F. Schöller: Wir haben frühzeitig unsere Kanäle, beispielsweise Facebook, YouTube und Instagram, genutzt, um unsere Kunden über den jeweiligen Sachstand zu informieren. Wir haben unseren finanzstarken Kunden mit entsprechenden Schreiben für ihre Banken hinsichtlich der Bonität geholfen. Man konnte sich bei uns außerdem Adressen zu den jeweiligen Behörden und Ämtern besorgen und für unsere Systembetriebe haben wir zusätzlich eine Telefon-Hotline eingerichtet.

asp: Sind weitere Hilfsmaßnahmen geplant?

F. Schöller: Wir führen die genannten Maßnahmen fort. Für unsere Kunden ist die Teileversorgung essenziell. Wir halten unseren Service, zum Beispiel die Frequenz bei den täglichen Lieferungen, hoch, um die Betriebe zu versorgen. Gleichzeitig bieten wir wie gewohnt unseren Werkstattausrüstungsservice an, also Wartung, Neumontage und Kalibrierung.

asp: Weltweit wurde die Produktion von Autoteilen reduziert. Konnten Sie die Lieferfähigkeit erhalten, wenn ja, wie lange?

A. Franz: Das ist eine unserer wichtigsten Botschaften seit Januar. Wir haben die Sicherheitsbestände in allen wichtigen Bereichen nach oben gefahren. Wir wussten, dass die Lieferkette in der Krise Schwächen zeigen wird. Wir sind in Deutschland voll lieferfähig und haben alles getan, um die Versorgung der Kunden sicherzustellen.

asp: Kann man davon ausgehen, dass sich die Werkstätten künftig verstärkt der Digitalisierung der Prozesse widmen?

F. Schöller: Das kann man. Die Welt der Fahrzeugreparatur wird sich weiter digitalisieren. Unsere Werkstattinhaber sind Pragmatiker. Das heißt, sie schauen sich die Themen an und beurteilen diese nach dem Nutzen für ihren Betrieb. Wenn es diesen Nutzen gibt, sind sie auch bereit, sich diesen Themen zu stellen und sie entsprechend umzusetzen.

asp: In welcher Form wird Stahlgruber die Kfz-Betriebe dabei unterstützen?

F. Schöller: Wir bieten Schulungen und Seminare zum Beispiel zum digitalen Serviceheft oder in der Fahrzeugdiagnose. Wir schulen die Werkstätten sehr umfangreich. Bei digitalen Geschäftsmodellen sind wir alle noch in der Orientierungsphase. Wir sind gerade dabei, unseren neuen Online-Teilekatalog STAkis 4.0 in den Markt zu bringen. Unsere Kunden können damit die Teile und Informationen mit modernsten digitalen Medien suchen.

asp: Servicebörsen konnten sich ja nie so richtig durchsetzen. Es gibt Portale wie Autobutler oder FabuCar. Werden Sie sich hier engagieren?

F. Schöller: Eine Plattform wie FabuCar hat Zukunft, weil sich hier Fachleute mit Fachleuten austauschen. Das nützt den Betrieben. Die Nutzung von Reparaturportalen hat etwas mit der Auslastung der jeweiligen Werkstatt zu tun. Wir sind hier nicht aktiv und haben dies auch nicht vor.

asp: Wie hat sich Stahlgruber seit der Übernahme durch LKQ verändert?

F. Schöller: Auf der einen Seite haben wir unsere Verkaufshäuser, unser Logistikzentrum und den engen Kontakt mit den Kunden nicht verändert. Es handeln die bekannten Personen und das Leistungsportfolio ist das Gleiche geblieben bzw. wurde erweitert. In der Zentrale hat sich die Situation deutlich verändert. Waren wir früher die Muttergesellschaft eines großen mittelständischen Unternehmens, sind wir heute ein Tochterunternehmen eines international tätigen Konzerns. Das bringt Veränderungen. So ist LKQ in den USA an der Börse notiert und da gilt es, gewisse Anforderungen zu erfüllen, ob bei Compliance oder der IT-Security. Für mich hat sich sehr viel verändert, da ich inzwischen Teil eines europäischen Managementteams bin.

asp: Sind die Hausmessen noch ein zeitgemäßes Modell der Kundenansprache?

F. Schöller: Je nach Geschäftsjahr ist es uns immer eine Freude, um die 33.000 Gäste und Kunden jährlich begrüßen und betreuen zu dürfen. Das Feedback der Lieferanten und Teilnehmer ist sehr positiv. Wir setzen also weiterhin auf unser Konzept der regionalen Veranstaltung.

asp: Die LKQ Corporation gilt als der Walmart des Teilehandels. Kann man sich Ihr Unternehmen künftig auch als Amazon in diesem Bereich vorstellen?

A. Franz: Wir wollen auch in Zukunft das Arbeiten unserer Kunden einfacher und effizienter gestalten. Dazu gehört auch die Digitalisierung. Kfz-Teile sind keine Haushaltswaren, sondern technisch anspruchsvoll und erklärungsbedürftig. Wir werden hier weiter investieren. Ohne das Knowhow der Werkstatt und unser Know-how als Versorger sind eine fachgerechte Reparatur und Belieferung von Teilen aus unserer Sicht nicht möglich.

asp: Wird es weitere Zukäufe geben?

A. Franz: Zunächst geht es um die Krisenbewältigung. Wir beschäftigen uns derzeit nicht mit Zukäufen, sondern konzentrieren uns auf die nächsten Wochen und Monate. Priorität hat aktuell die Integration unserer 70 in den vergangenen neun Jahren erworbenen Unternehmen.

asp: Größe bedeutet Einkaufsmacht und h

öhere Boni, stimmt das? A. Franz: Wir sind sicher ein großer Kunde der Industrie und der Zulieferer. Wir sehen Potenzial, wenn wir uns die Sortimente unserer Firmen anschauen. Hier muss etwas passieren. Diese Komplexität bedeutet höhere Kosten und höheren Aufwand in unseren Abläufen. Wir werden also massiv die Sortimente bereinigen. Wir haben zum Beispiel 70 Marken im Bereich der Bremse. Wir werden künftig nur mit den leistungsfähigsten Lieferanten in die Zukunft gehen. Das bedeutet höhere Volumina für diese Lieferanten.

asp: Welche Zukunftsaussichten hat der mittelständische Teilegroßhandel noch?

A. Franz: Trotz unserer Größe können wir nicht überall sein und jede Nische abdecken. Wir haben aus der Zusammenarbeit mit den Werkstätten gelernt, dass der regionale Handel eine wichtige Bedeutung für unsere Branche hat. Wir werden unseren Partnern im Handel auch weiterhin attraktive Angebote machen können. Die Zukunft des Aftermarket erfordert hohe Investitionen und wir sind dazu in der Lage. Davon können auch die Partner im Handel profitieren.

Interview: Ralph M. Meunzel, Dietmar Winkler

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