Trommelbremsen
Der Trend zur Scheibenbremse auch an den Hinterachsen von Kompakt- und zum Teil Kleinwagenverlangsamt sich, manche Automobilhersteller kehren zur Trommelbremse zurück. Eine gute Gelegenheit, dem vernachlässigten Thema Trommelbremse im Service wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Der erste Pkw mit Scheibenbremsen war ein Rennfahrzeug, ein Jaguar C-Type, gefahren von Sir Stirling Moss und Jaguar-Entwicklungschef Nor-man Dewis zur Mille Miglia 1952. In den inzwischen vergangenen sechs Jahrzehn-ten entwickelten sich Scheibenbremsen zum Standard an der Vorderachse. Vor etwa 15 Jahren begann mit der vierten Generation des VW Golf ein Trend, der die Trommelbremse temporär auch von der Hinterachse verdrängte, zumindest bis hinunter in das Segment der Kompakt-klasse. Vereinzelt sind sogar die Hinterachsen stärker motorisierter Kleinwagen mit Scheibenbremsen bestückt.
„Ein Treiber dieser Entwicklung war mit Sicherheit der Bremsentest der Zeitschrift ‚Auto Motor und Sport‘: zehnmal von 100 Kilometer pro Stunde bis zum Stand, und das ohne Unterbrechnung. Diesen so ge- nannten AMS-Test bestehen Fahrzeuge mit Scheibenbremsen rundum leichter. Der Test wird benotet, wobei die Auto-mobilhersteller gut abschneiden wollen, denn das kann kaufentscheidend sein“, erklärt Ralf-Peter Glänzer, Marketing-Direktor beim Marienheider Bremsbelag-Hersteller Federal-Mogul (Ferodo, Beral).
Seit geraumer Zeit gibt es Rückkehrer. Von einem Trend zu sprechen, wäre wohl zu früh. Ralf-Peter Glänzer: „Fakt ist, dass man sich mit Scheibenbremsen an der Hinterachse besonders bei Klein- und Kompaktwagen auch Nachteile einhandelt. Diese sind nicht nur auf der Kostenseite zu sehen, sondern auch in der Beanspruchung – oder besser: Nichtbeanspruchung. Diese Fahrzeuge werden nicht immer so bewegt wie bei AMS, häufig kommt es zum Verglasen der Beläge durch Unterforderung mit verminderter Bremswirkung und Geräuschen als Folgen.“ Von der Renaissance der Trommelbremsen ist man auch bei TMD Friction Services, Leverkusen, überzeugt. Marketing-Managerin Sabine Brühl: „VW, Seat und Skoda verbauen bei Pkw bis 105 PS wieder Trommelbremsen an der Hinterachse. Gründe hierfür liegen darin, dass Trommelbremsen leichter und günstiger sind.“
Dass Trommelbremsen auch wie-der als Option für größere Fahrzeugklassen in Frage kommen, zeigt die Ankündigung von TRW, eine elektromechanische Parkbremse für die Vorderachse entwickeln zu wollen. Der EPB-Sattel wirkt auf die vorderen Scheiben, hinten können Trommeln verbaut werden.
Abhängigkeit vom Einsatzzweck
Bedingt durch deutlich höhere Motorleis-tungen, werden auch viele Transporter mit Scheibenbremsen rundum bestückt. Hier entscheidet aber auch der Einsatzzweck: „Frontgetriebene Transporter können ex- trem flache Aufbauten aufweisen, die nicht genug Platz für Scheiben lassen. Mit Trommeln kann man hingegen auch in die Breite gehen“, erklärt Ralf-Peter Glänzer.
Wie wirkte sich die zeitweise Abkehr von Trommelbremsen auf den Servicemarkt aus? Nicht jeder der von asp befrag-ten Zulieferer ist diesbezüglich wirklich ehrlich. „Ja, das Thema wurde vernachlässigt, da man vom Aussterben überzeugt war. Mittlerweile widmen wir einen Teil unserer Produktschulungen wieder dem Thema Trommelbremse“, lautet die klare Aussage von Sabine Brühl vom Marketing bei TMD Friction Service.
Empfehlung: Reparatursätze
Dabei wurde festgestellt, dass Werkstattprofis häufig den gleichen Fehler begehen: Nichtbeachtung von Verschleißmaßen der Bremstrommeln. Bei Federal-Mogul hat man beobachtet, dass Verschleißteile beim Belagwechsel nicht mit erneuert werden. Empfohlen werden einhellig Reparatursätze. Ralf-Peter Glänzer: „Diese enthalten nicht nur Bremsbeläge, sondern auch das erforderliche Zubehör wie Federn und Nachsteller, Radbremszylinder etc. Das beschleunigt den Austausch der Teile und die Bremse ist wirklich sicher repariert. Häufig sind Trommelbremsen aufwendiger in der Reparatur, so dass man in einem Arbeitsschritt die Teile auswechseln sollte. Sonst hat man neue Beläge, doch dann fallen andere Bauteile aus.“
Bei TRW sind die „Superkit“ genannten Reparatursätze zum Teil vormontiert. „In vielen Fällen werden sie mit einer von TRW patentierten Nachstelleinheit ver-kauft, welche mit Hilfe eines Thermoclips verhindert, dass thermische Einflüsse zu erhöhtem Verschleiß und somit zu frühzeitiger Nachstellung führen“, ergänzt Marketing-Mann Andreas Schäfer.
Neben diesen Hinweisen der Zulieferer gibt es bei der Reparatur von Trommelbremsen diese Grundsätze zu beachten:
bei der Demontage einer korrodierten Bremstrommel weder die Trommel noch die Radnabe beschädigen (Trommel nur durch leichtes Klopfen lösen)
Federteller der Bremsbackenhalter mit Spezialwerkzeug demontieren
Auflagefläche der Radnabe mit einer Spezialbürste reinigen, Radnabe mittels Messuhr auf Schlag prüfen, auf die metallisch blanke Auflagefläche keinen Schmierstoff etc. aufbringen
stets einen neuen Sicherungsring für die Handbremsseilzüge verwenden (Seegerring nach DIN 6799)
Radbremszylinder nach Montage mit Kolbenklammer sichern (verhindert das Herausfallen der Kolben)
zur Montage von Bremsschläuchen stets neue Halteklammern verwenden
Bremssystem nur an vorgegebenen Stellen und nur mit vorgegebenem Mittel schmieren
Grundeinstellung der Bremsbacken nur bei gänzlich entspannten Handbremsseilen durchführen
selbst sichernde Muttern an den Zug-stangen der Handbremsseile generell erneuern
Einstellvorgang und Rastenzahl der Handbremse sind modellspezifisch (Hinweise beachten); Quelle: Bosch
45 Prozent Trommelbremsen
Die anfangs genannten Entwicklungen auf dem Gebiet der Trommelbremsen zeigen, dass das System längst nicht veraltet ist. Die Vorteile der Trommelbremse sind:
für die Hinterachse genügende Bremsleistung
durch Eigenverstärkung relativ geringe Betätigungskräfte
einfache Integration der (mechani-schen) Feststellbremse
äußere Sauberkeit (Räder)
relativ geringe Herstellungskosten
Nach Erhebungen von TRW sind derzeit an weltweit rund 45 Prozent aller Neufahrzeuge Trommelbremsen verbaut. Auch in rund fünf Jahren dürfte dieser Anteil noch über der 40-Prozent-Schwelle liegen.
Peter Diehl
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Für den Bremsenservice
Der Zulieferer Continental informiert, dass über die Marke Ate das komplette System für Servicearbeiten an Bremssystemen angeboten wird. Das beginnt mit Bremsflüssigkeiten, zum Beispiel SL.6 (im Bild) für alle Fahrzeuge ab Baujahr 1990 sowie Typ 200 und Blue Racing für Rennsport-anwendungen, und geht über Befüll- und Entlüftergeräte so- wie Siedepunkttester bis hin zu Entsorgungssystemen. Hinzu kommen die Möglichkeit der Weiterbildung und Material zur gezielten Kundenansprache.
Continental Teves AG & Co. oHG
www.ate-brakes.com
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Bremsbackennachsteller
Der Heusenstammer Ersatzteilanbieter Herth+Buss hat sein Jakoparts genanntes Sortiment für Pkw-Baureihen japanischer und koreanischer Mar-ken um Bremsbackennachsteller für Trommelbremsen erweitert. Nach Angaben des Anbieters stehen diese Produkte derzeit für exakt 593 verschiedene Fahrzeuge zur Verfügung.
Herth+Buss Fahrzeugteile GmbH & Co. KG
www.herthundbuss.com
- Ausgabe 7/2012 Seite 10 (690.1 KB, PDF)