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Vater der Fahrerassistenzsysteme: ESP-Erfinder für Preis nominiert

27.05.2016 10:11 Uhr
Anton van Zanten entwickelte Anfang der 90er Jahre beim Zulieferer Bosch das Elektronische Stabilitätssystem (ESP).
© Foto: Christoph Schmidt/dpa

Millionen Menschen dürfte die Erfindung des Elektronischen Stabilitätssystems (ESP) das Leben gerettet haben. Jetzt könnte es einen Preis des Europäischen Patentamts dafür geben.

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Von Annika Grah, dpa

Jedes Mal, wenn Anton van Zanten seine Garage öffnet, hat er den Schlüssel zu seinem Erfolg vor Augen. Dort steht eine knallrote A-Klasse. Das Auto, das maßgeblich für den Durchbruch seiner wichtigsten Erfindung verantwortlich war. Van Zanten hat Anfang der 90er Jahre beim Zulieferer Bosch das Team geleitet, dass das Elektronische Stabilitätssystem (ESP) für den Autohersteller Daimler entwickelte. Dafür könnte er am 9. Juni europäischen Erfinderpreis des Europäischen Patentamtes bekommen. Der 75-Jährige ist mit zwei anderen Kandidaten für sein Lebenswerk für den Preis nominiert.

Als ESP Mitte der 90er Jahre in Serie ging, hatte noch niemand den Erfolg vor Augen, den das kleine System einmal haben würde. Von Zanten selbst schätzte, dass Bosch im Jahr 2000 etwa eine Millionen ESP verkaufen würde. "Da haben sie mich aus der Sitzung geschmissen", schmunzelt er. Am Ende waren zur Jahrtausendwende zwei Millionen Systeme jährlich in Neuwagen eingebaut.

Heute gilt ESP als Grundlage für alle modernen Fahrerassistenzsysteme. Alle Hersteller greifen unter verschiedenen Namen auf das System zurück. Abstandswarner oder Spurhalteassistenten bauen auf ESP auf. Seit 2014 ist die Stabilitätskontrolle in allen Neuwagen in der Europäischen Union Pflicht.

Durchbruch nach "Elchtest"

Den Durchbruch brachte der desaströse "Elchtest" der damals neuen Mercedes A-Klasse. 1997 kippte das Auto bei einem Ausweichmanöver vor Motorjournalisten um. Danach wurde das Modell serienmäßig mit ESP nachgerüstet, das zuvor nur in den Luxusmodellen zu finden war. Andere Mercedes-Modelle folgten. Bosch fuhr die Produktion daraufhin von 30.000 auf 300.000 Stück hoch. "Durch die A-Klasse wurde ESP groß."

Van Zanten hatte die Idee schon viel früher: Während seiner Doktorarbeit Anfang der 70er Jahre arbeitete er in der Theorie an einer Stabilitätskontrolle. Als er später bei Bosch anfing, half er bei der Entwicklung von Anti-Blockier-Systemen (ABS) für Lastwagen. Dabei beschäftigte ihn weiter die Querdynamik, die dafür zuständig ist, dass Autos ins Schleudern geraten. "Das hat mich nicht losgelassen", sagt van Zanten.

Das Prinzip von ESP ist eigentlich simpel: Bricht das Heck auf eine Seite aus, bremst das System automatisch das Vorderantriebsrad auf der Seite. Auf diese Weise wird mit Hilfe der Gegenkraft die Beschleunigung gestoppt. Der Bordcomputer gleicht die Einstellung am Lenkrad mit der Bewegung des Fahrzeugs ab.

Gierraten-Sensor gesucht

Fast scheiterte die Entwicklung an den Sensoren: Messsysteme für Lenkwinkel und den Druck der Stoßdämpfer waren ebenso vorhanden wie Fühler für die Querbeschleunigung. Was fehlte, war ein Gierraten-Sensor, der die Rotation um die Achse misst. "Wir sind auf der ganzen Welt herumgereist", erinnert sich van Zanten. Fündig wurden sie bei General Electric in London. Dort wurde ein Sensor produziert, der für Langstreckenraketen eingesetzt wurde. Das Problem waren nur noch die Kosten: der Sensor wurde für 50.000 Euro gefertigt. Van Zanten ließ ihn in Lizenz nachbauen - und drückte den Preis unter 100 Euro.

Gut 200.000 Unfälle wurden dank des Systems nach der Forschung des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) in den Jahren 2000 bis 2013 verhindert - etwa 6.000 Menschen wurden vor dem Tod bewahrt. Etwa 30 Prozent aller tödlichen Unfälle würden mit Hilfe von ESP verhindert, das zeigten verschiedene Studien, sagt Thomas Unger, Unfallforscher beim ADAC. Ob van Zanten stolz darauf ist? "Stolz bin ich, dass es tut", lächelt er. Das sei aber auch der Verdienst seines Entwicklerteams.

Van Zanten tüftelt heute noch. Im Laufe seiner Karriere hat er rund 50 Patente mitentwickelt. Seit 2003 ist er in Rente aber arbeitet noch freiwillig für "zwei Stunden am Vormittag und zwei Stunden am Nachmittag". Seine Vision: eine Zukunftsbremse, die alle Bremssysteme im Auto verbessert. "Wenn wir automatisiert fahren wollen, muss man sich hundertprozentig auf die Bremse verlassen können."

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