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Interview mit Castrol-Experten: "Wir streben nach Produkten höchster Qualität"

02.07.2024 15:13 Uhr | Lesezeit: 3 min
Castrol
Obwohl Simulationen die Motorenölentwicklung vereinfachen, müssen nach wie vor 100 Prozent des Validierungsprozesses auf Motorprüfungen basieren.
© Foto: Castrol

Schmierstoffhersteller Castrol hat eine neue Formulierung des Edge-Motorenöls auf den Markt gebracht. Wir haben mit den Castrol-Experten Rachel Howard, Senior Manager Technology Deployment for Lubricants and Alex Criddle, Expert Technologist Claims & Demos bei Castrol, über die Herausforderungen in der Motorenölentwicklung gesprochen.

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asp: Wie werden die Anforderungen für ein neues Motorenöl definiert?

R. Howard: In der Regel kommt der Anstoß für die Entwicklung einer neuen Formulierung aus der Zusammenarbeit mit einem Fahrzeughersteller für ein Produkt zur Erstbefülllung. Oder wir reagieren auf eine der neuen Schmierstoffspezifikationen, die viele Fahrzeughersteller veröffentlichen. Bei einer Erstbefüllungs-Formulierung stehen wir bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Fahrzeugentwicklung mit den Ingenieuren des Fahrzeugherstellers in Kontakt. Die Fahrzeughersteller arbeiten mit Castrol zusammen, um die Rezepturen des Motorenöles festzulegen, welche die Motorkomponenten vor Verschleiß und Reibung schützen und gleichzeitig eine Verlängerung der Ölwechselintervalle ermöglichen. Der neue Schmierstoff ist ein integraler Bestandteil, der dazu beiträgt, die aktuellen und voraussichtlichen gesetzlichen Anforderungen und Spezifikationen zu erfüllen.

asp: Wie lange dauert die Entwicklung einer neuen Formulierung im Durchschnitt?

A. Criddle: Das kann stark variieren. Vieles hängt davon ab, wie herausfordernd es ist, einer bestimmten Spezifikation nachzukommen. In manchen Fällen können wir eine Spezifikation schon nach wenigen Monaten erfüllen, zum Beispiel, wenn ein vorhandenes Produkt nur geringfügig angepasst werden muss. Demgegenüber kann die Entwicklung einer neuen Formulierung deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen – manchmal bis zu fünf Jahre von der Konzeption bis zur Markteinführung. Die Harmonisierung der Anforderungen verschiedener Herstellerspezifikationen stellt eine besondere Herausforderung dar, da sich diese Anforderungen in manchen Aspekten unterscheiden und sogar widersprechen können. Einige Leistungsziele für den Schmierstoff – zum Beispiel der Kraftstoffverbrauch – liegen höher als andere, und die Prüfmethoden können sich stark unterscheiden. Um bestimmte Ziele zu erreichen, kann es notwendig sein, die Viskositätsparameter zu reduzieren, was allerdings die von anderen Fahrzeugherstellern gesetzten Haltbarkeitsziele beeinträchtigen kann.

asp: Warum entwickeln Sie Öle, die mehrere Spezifikationen erfüllen? Wäre es nicht einfacher, nur separate fahrzeugherstellerspezifische Formulierungen zu entwickeln?

A. Criddle: Der leichteste Weg ist für uns nie die erste Wahl! Mit Castrol Edge streben wir nach Produkten höchster Qualität und maximaler Betriebstoleranz. Es hat Sinn, mit einem Produkt mehrere Spezifikationen abzudecken. Das vereinfacht das Leben für Großhändler, Händler und die Kunden, seien es Werkstätten oder Autofahrer.

Rachel Howard ist Senior Manager Technology Deployment for Lubricants bei Castrol in London
Rachel Howard ist Senior Manager Technology Deployment for Lubricants bei Castrol in London.
© Foto: Castrol

asp: Was sind die wesentlichen Schritte im Entwicklungs- und Prüfprozess einer neuen Produktformulierung? 

R. Howard: Jedes Projekt zur Entwicklung eines neuen Motorenöls hat seine eigenen Prioritäten und seinen eigenen Plan, aber die Grundprinzipien bleiben bestehen. Die Auswahl der Formulierungsoptionen erfolgt durch verschiedene Eignungsprüfungen. Der Hauptentwicklungsprozess umfasst Labor-, Prüfstand- und motordefinierende Prüfungen. Wir führen auch die registrierungspflichtigen offiziellen Industrie- und Fahrzeughersteller-Motorenprüfungen durch. Neue Öle werden intensiven Prüfungen unterzogen – wenn passend, in den neuesten Motorenmodellen – unter extremen Druck- und Temperaturbedingungen über mehrere hundert Stunden. Bei diesen Motorprüfungen bewerten wir auch die Auswirkungen von Kraftstoffen unterschiedlicher Qualität unter verschiedenen Betriebsbedingungen.

A. Criddle: Wir prüfen eine breite Palette vorhandener Kernkomponenten, ob sie die erforderlichen Ergebnisse liefern können. Dazu zählen Basisöle und eine Auswahl von Additiven aus unserem bewährten Sortiment. Sie beeinflussen die physikalischen Eigenschaften und das Verhalten des finalen Schmierstoffprodukts über seinen gesamten Lebenszyklus. Ein wesentlicher Bestandteil der Anfangsphase ist die Auswertung umfangreicher Daten aus früheren Prüfungen. Bei jeder Motorprüfung können wir hunderttausende Datenpunkte sammeln. Dieser enorm wertvolle Informationspool ist unverzichtbar. Er beschleunigt die Bewertung der Interaktion einzelner Komponenten unter intensiven Druckbedingungen im Motor. Dabei spielt auch der menschliche Faktor eine wichtige Rolle. Zur Bewertung des sichtbaren Verunreinigungsgrades durch Schlamm und Ablagerungen im Öl sowie an Motorteilen setzen wir Prüfer ein. Sie führen nach festgelegten Prüfzyklen genau kalibrierte und fachkundige visuelle Prüfungen der Motorbauteile durch, deren Ergebnisse in das Entwicklungsprogramm einfließen.

asp: Wie haben sich die Entwicklungs- und Prüfprozesse durch den Trend zu niedrigeren Viskositäten verändert?

R. Howard: Fahrzeughersteller entwickeln zunehmend kleinere, jedoch leistungsstärkere Motoren. Die Turboaufladung erhält die Leistung aufrecht, steigert jedoch den Druck im Motor. Dadurch wird die Schmierstoffleistung mehr denn je gefordert. Kraftstoffverbrauch und Leistungsverbesserung hängen von der Formulierung ab, bei der niedrige Viskosität einer der Hauptfaktoren ist. Dies hat zu einem kontinuierlichen Bestreben nach niedrigviskosen Schmierstoffen geführt. Unsere Entwicklungsarbeiten konzentrieren sich oft darauf, mit niedrigeren Viskositäten neue Leistungsziele zu erreichen. Unsere Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Motorsportteams, bei denen die Entwicklung speziell angepasster Motorenöle mit den niedrigsten Viskositäten entscheidend ist, tragen wesentlich zu unseren Zielen bezüglich Leistung und Haltbarkeit bei.

Castrol
Neue Motorenöle werden im Motor intensiven Prüfungen unter extremen Druck- und Temperaturbedingungen über mehrere hundert Stundenunterzogen.
© Foto: Castrol

asp: Welcher Teil des Produktentwicklungs- und Prüfprozesses kann heutzutage durch Simulationen erreicht werden?  Wie hat sich das in den letzten Jahren entwickelt?

R. Howard: Obwohl wir enorme Fortschritte bei der Gesamtleistung der Schmierstoffe erzielt haben, hat sich das Prüfverfahren selbst nicht grundlegend in Richtung Simulation gewandelt. Nach wie vor müssen 100 Prozent des Validierungsprozesses auf Motorprüfungen basieren. Dieser physische Referenzpunkt ist notwendig, um absolute Sicherheit über die Ergebnisse zu erlangen. Simulationen geben nur begrenzt Auskunft über das Zusammenspiel unglaublich komplexer Bestandteile und Fahrzeughersteller fordern stets reale physikalische Prüfungen vor der finalen Freigabe. Die Rolle der Computerisierung in der Schmierstoffentwicklung, besonders in den vergangenen Jahrzehnten, sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Ziel ist es nicht die Simulation zu erleichtern, sondern die Verwaltung großer Datenmengen aus vorherigen Prüfverfahren. Diese Daten ermöglichen es uns, Trends und Nutzen zu identifizieren, die in jedes neue Projekt einfließen.


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