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Zukunft Freie Werkstatt: Das ist der Plan

17.11.2016 15:00 Uhr
Um auch künftig am Markt zu bestehen, müssen Kfz-Betriebe auf neue Anforderungen im Servicebereich reagieren.
© Foto: Fotomanufaktur JL/fotolia

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Die Fahrzeugtechnik schreitet in rasantem Tempo voran. Immer mehr elektronische Bauteile, der massive Einzug komplexer Fahrerassistenzsysteme nicht nur in der Oberklasse, neue gesetzliche Vorschriften für die Durchführung der Hauptuntersuchung, alternative Antriebe und die Bedrohung des freien Reparaturmarktes, die sich aus der digitalen Anbindung der Fahrzeuge durch den Fahrzeughersteller ableitet. Droht schon bald die digitale Aussperrung der freien Werkstatt, die mit ihren begrenzten technischen Möglichkeiten künftig das Nachsehen hat? Wie zukunftsfähig ist das Geschäftsmodell der freien Werkstatt als Alternative zum markengebundenen Service? Wir haben diese Fragen unter anderem den führenden Anbietern von Werkstattsystemen im Independent Aftermarket (IAM) vorgelegt. Beruhigend: Sie haben einen Plan, wie die Transformation in die neue Mobilitätswelt gelingen kann.

"Es wurde in den letzten Jahrzehnten bei technischen Änderungen immer wieder das Ende der freien Werkstätten prognostiziert. Immer haben sich die Betriebe angepasst und die Herausforderung gemeistert. Das Modell 'Freie Werkstatt' wird sicher nicht aussterben", glaubt Axel Birngruber, Leiter Werkstattsysteme und Schulungen WM SE. Der Teilegroßhändler Wessels & Müller ist Konzeptgeber der Werkstattsysteme Autoteam, AutoPro und Autoteam Plus.

"Es ist sicherlich nicht so, dass die freie Werkstatt in naher Zukunft keine Existenzberechtigung mehr hat. Sie muss sich aber auf die Veränderungen einstellen", gibt sich Thomas Sülzle, Leiter Marketing Services der ATR, optimistisch. Auch Klaus Grote, Manager Workshop Concepts beim Teilehändler PV Automotive, ist sich sicher: "Eine Bedrohung des Geschäftsmodells 'Freie Werkstatt' sehen wir nicht."

Schulung ist das A und O

Alle Konzeptgeber sind sich einig: Kfz-Betriebe, die auch künftig ihr Auskommen im Service suchen, müssen investieren - vor allem in Werkstatttechnik und in das Know-how der Mitarbeiter. Schulungen müssen sein - auch für den Chef selbst: "Werkstattinhaber erkennen ganz klar die Notwendigkeit in Schulungen, in die Fahrzeugvernetzung und Digitalisierung, technisches Equipment und regionales Marketing zu investieren", konstatiert Axel Birngruber. Thomas Sülzle sieht als größte Herausforderung die wettbewerbsneutrale Ausgestaltung des Datenzugriffs bei Telematikdiensten, die teils aggressiven Marketingaktionen der Fahrzeughersteller im Aftermarket, die auch auf ältere Fahrzeuge zielen, sowie die ständige Bereitschaft zur Weiterbildung seitens der Werkstätten. "Nur wer sich laufend mit den neuen Techniken beschäftigt und seine Mitarbeiter schult, wird bei der schnellen Entwicklung der Fahrzeugtechnik mithalten können", erklärt Sülze.

Investitionen stehen an

"Man muss in einer gut aufgestellten Werkstatt über die entsprechende Technik verfügen. Hier kommen auf die Betriebe auch künftig weitere Investitionen zu." Als Beispiel nennt Sülzle die Kalibrierung von Fahrerassistenzsystemen, den Klimaservice oder die Einstellung moderner Beleuchtungssysteme. Neue LED-Scheinwerfer können beispielsweise mit analogen Scheinwerfereinstellgeräten überhaupt nicht mehr eingestellt werden.

Aufgrund der HU-Scheinwerfer-Prüfrichtlinie ergeben sich für bereits bestehende Prüfplätze ab dem neuen Jahr neue Anforderungen an deren Ausgestaltung. Entscheidend ist das Vorhandensein einer geeigneten Aufstellfläche für das Fahrzeug und das Scheinwerfer-Einstellung-Prüfgerät (SEP) - viele Betriebe müssen deshalb in bauliche Maßnahmen investieren oder die Vorgaben durch den Einsatz von nivellierbaren Plattensystemen für die Fahrzeugaufstellfläche erfüllen.

"Die Kalibrierung und Prüfung von Fahrerassistenzsystemen in neueren Fahrzeugen, neue Anforderungen an Bremsenprüfstände und die neuen Scheinwerfereinstellsysteme, sowie alles, was die Onlinediagnose der Fahrzeuge betrifft, sind derzeit hochaktuelle Themen für die Werkstätten", zählt Axel Birngruber die drängendsten Baustellen für die Werkstätten auf. Immer wichtiger werde es für die freie Werkstatt online auf den Herstellerportalen zu arbeiten, beispielsweise das digitale Serviceheft, das Online-Flashen und herstellergeführte Fahrzeugdiagnose. WM biete seinen Partnerwerkstätten die entsprechenden Schulungen an.

Freien Werkstätten werde in den nächsten Monaten einiges an Investitionen abverlangt, ist auch Klaus Grote von PV Automotive überzeugt: "Neue Bremsenprüfstände, Klimaservicegeräte für R1234yf Kältemittel, Scheinwerfereinstellplatz, Kalibrierung von Fahrerassistenzsystemen, OE-konforme Diagnose und vieles mehr. Wer künftig Inspektionen nach Herstellervorgaben durchführen möchte oder weiterhin die HU anbieten will, muss tatsächlich erheblich investieren, um die neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen."

Diagnosetool EuroDFT

Stichwort Herstellerportale: Das Deutsche Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) bietet seit diesem Sommer mit dem Diagnosetool EuroDFT den Zugang zu Diagnoseportalen von fünf Autoherstellern mit einem Gerät. Kern des Systems, das der ZDK in Zusammenarbeit mit dem Start-up-Unternehmen Adis entwickelt hat, ist eine Software, die es schafft, die verschiedenen Herstellerwartungssysteme auf einem Computer laufen zu lassen. Das System, das aus einem OBD-Schnittstellenadapter und der Software auf einem Computer besteht, erlaubt bei Euro-5- und Euro-6-typengenehmigten Fahrzeugen die Fehlerdiagnose, Codierung und Programmierung sämtlicher Steuergeräte im Fahrzeug mit der Original-Software des Fahrzeugherstellers auf einem Tool und bietet Zugang zu Reparatur- und Wartungs-Informationen (RMI). Derzeit erlaubt das EuroDFT den Zugang zu den Systemen von insgesamt zehn Marken der Hersteller Volkswagen, BMW, Ford, Mercedes-Benz und Opel. Die Kosten liegen, je nach Ausstattung, bei um die 8.000 Euro. Daneben gibt es Leasingmodelle.

Connected Car - das Gold der Daten

Ein offener Konflikt zwischen Automobilindustrie und dem freien Aftermarket tobt schon seit geraumer Zeit um die Frage, wer von den Daten profitieren darf, die in modernen Fahrzeugen ständig erzeugt und in neueren Modellen gleich via eingebauter SIM-Karte an den Fahrzeughersteller gefunkt werden. Dahinter steht die Frage, wem diese Daten gehören. Während politisch um die Antwort noch gerungen wird, schaffen die Fahrzeughersteller Fakten und bieten wie BMW, Mercedes oder Opel bereits zahlreiche "Connected Services" an. Das betrifft auch direkt das Geschäft der Werkstätten. Proaktive Hinweise zu fälligen Services aufs Fahrzeugdisplay mit entsprechender Werkstattempfehlung sind heute schon Realität. Mit Verweis auf Sicherheit und Datenschutz beanspruchen die OEM die Over-the-Air-Schnittstelle für sich. Der VDA hat das auf Anfrage bestätigt. Zwar würden bestimmte Daten nach Freigabe des Kunden dann auch Dritten zur Verfügung gestellt werden - allerdings hätte der OEM dann die Funktion des Gatekeepers. Damit will sich der freie Markt nicht abfinden und kämpft weiter um eine gesetzliche Regelung, die den direkten Datenzugriff ermöglicht.

Aus Sicht des Großhandels müsse die Frage des Datenzugriffs politisch gelöst werden. "Es muss vor allem auf politischer Ebene eine klare Linie her. Im Interesse des Verbrauchers ist es notwendig, dass es ein offenes System geben muss", sagt Thomas Sülzle von ATR. Handelskollege Klaus Grote sieht das ähnlich: "Wie beim Smartphone auch, sollte die Hoheit über die persönlichen Daten beim Verbraucher, also dem Autofahrer, und nicht beim Hersteller liegen."

Kurzfassung

Die Gleichung ist einfach: Investition in Know-how und Equipment ist gleich Zukunft. Die Fahrzeugtechnik, eine neue Kundengeneration, aber auch der Gesetzgeber stellen neue Anforderungen an den freien Werkstattbetrieb.

Interview

Der Zugang zu Reparatur- und Serviceinformationen ist für freie Werkstätten unverzichtbar. Das Unternehmen Alldata hat sich auf die Bereitstellung von Original-Herstellerdaten spezialisiert. Wir sprachen mit Michael Krampe, Managing Director Alldata Europe, über das Geschäft mit Reparaturdaten.asp: Welche Bedeutung haben digitale Reparaturdaten für Werkstätten - werden diese künftig noch wichtiger?M. Krampe: Durch die zunehmende Komplexität der Autos wird der Zugriff auf umfangreiche Daten immer wichtiger. Diese Informationen sind notwendig, um diese Fahrzeuge nach Herstellervorgaben zu reparieren. Das betrifft nicht nur die eigentlichen Kfz-Reparaturen, sondern auch die Wartungs- und Inspektionsarbeiten. Wir erhalten aus den Werkstätten die Rückmeldung, dass sie sich teilweise an den jüngsten Golf gar nicht herantrauen. Man hat Angst, diese Autos zu reparieren. Das darf einem Mechatroniker nicht passieren.asp: Der Gesetzgeber ist doch aber verpflichtet, die Reparaturdaten zur Verfügung zu stellen. Eine digitale Aussperrung freier Servicebetriebe wäre gar nicht erlaubt.M. Krampe: Wenn wir von Reparatur- und Wartungsinformationen sprechen, so sind diese im Prinzip zugänglich. Es gibt heute keinen Datenengpass. Die Frage ist aber: Wie kommt man an die Daten ran? Werkstätten haben die Möglichkeit, sich kostenpflichtig auf die Hersteller-Portale aufzuschalten, entweder im Abo oder stundenweise. Alldata sieht sich mit dem Produkt Alldata Repair als vollwertige Alternative für die Mehrmarkenwerkstatt. Die Daten sind im Prinzip identisch. Derzeit haben wir 22 Fahrzeugmarken unter einem Dach.asp: Welchen Vorteil haben Werkstätten dadurch?M. Krampe: Sie finden die Informationen aller Hersteller mit einem Zugang und einer Browsereinstellung. Ein weiterer Vorteil ist die einheitliche Logik im Suchbaum. Diese Logik ist bei uns immer gleich. Erst wenn es um die Reparaturdaten selbst geht, leiten wir den Nutzer auf die Originaldokumente. Wir machen also den Einstieg deutlich nutzerfreundlicher.asp: Alldata wirbt damit, über Originaldaten zu verfügen, was heißt das?M. Krampe: Unser Datenmodell ist tatsächlich ein USP. Alldata überführt die Original-Reparaturdaten 1:1 in eine eigene Datenbank und bietet diese in einem Lizenzmodell mit 24/7 Zugriff für Mehrmarkenwerkstätten an. Das gibt es nirgendwo sonst. Wir arbeiten mit offiziellen Lizenzverträgen der Hersteller. Das erlaubt uns die Weitergabe der Daten an Dritte unter der Prämisse, diese Daten nicht redaktionell zu verändern. Wir haben uns hier als verlässlicher Partner für die OEM einen Namen gemacht.asp: Wie macht es die Konkurrenz?M. Krampe: Technische Daten werden in eigene Datenbankstrukturen überführt und standardisiert, um sie in andere Subsysteme integrierbar zu machen. Dazu muss man die Daten verändern. Es handelt sich dann nicht mehr um Originaldaten und man hat niemals die ganze Datenfülle. Das wäre überhaupt nicht zu leisten und würde Jahre dauern. Bei uns wird im Gegensatz dazu nichts abgeschnitten. Das Einzige, was wir nicht haben, sind Informationen zu Schließ- und Schlüsselsystemen. Diese sind aus der GVO bzw. Euro 5/6 ausgenommen.asp: Berücksichtigen Sie in Ihrer Datenbank auch aktuelle Rückrufaktionen der Hersteller?M. Krampe: Solche Rückrufinformationen sind sehr dynamisch auf den Herstellerportalen vorhanden, teilweise auch nur temporär und für kurze Zeit. Unsere Kunden können über das Alldata Infocenter, ein Team von Kfz-Spezialisten, Auskünfte über tagesaktuelle Informationen bekommen. Wenn wir Anfragen zu elektronischen Serviceheften bekommen, dann müssen diese Daten dynamisch auf den Servern der Hersteller abgerufen werden. Über diese Anfrage bekommen wir also aktuelle Serviceinformationen zu Gesicht. In dem Fall spielen wir diese Dokumente an den Werkstattpartner weiter.asp: Sind das telefonische Anfragen?M. Krampe: In der Regel geschieht dies auf schriftlichem Weg. Wir haben ein Anfrageformular in unserem Produkt hinterlegt. Das wird auch jeden Tag hundertfach genutzt, sehr häufig zu den elektronischen Serviceheften, wo sie heute die exakte Herstellervorgabe zur Inspektion abrufen können.asp: Wie verhält sich die Nutzung kostenseitig?M. Krampe: Unser Abo-Modell beruht auf einer Flatfee. Die liegt bei derzeit 79 Euro pro Monat. Dies umfasst den Zugriff auf die Reparaturdaten von 22 Marken und unser Infocenter. Die Flatrate hat den Vorteil, dass die Kosten von vornherein klar sind.asp: Wie groß sind die Synergien mit der US-amerikanischen Mutter?M. Krampe: Es gibt Synergien, auch wenn die Lizenzrechte doch sehr unterschiedlich sind. Unsere kalifornische Muttergesellschaft Alldata LLC verfügt über eine 30-jährige Expertise darin, aus nicht standardisierten OE-Daten eine Datenbanklösung für Mehrmarkenwerkstätten zu bauen.asp: Wie wichtig ist für Sie der Großhandel als Abnehmer Ihres Produkts?M. Krampe: Der Teilegroßhandel ist ein wichtiger Partner für uns; zum einen natürlich als Absatzmittler, aber auch als Multiplikator in die Werkstatt. Die Großhändler bieten ihren Kunden Katalog- und Warenwirtschaftssysteme und integrieren dort eben auch Reparaturdaten. Das ist ein wichtiges Instrument, um die Werkstätten zu binden. Die Einbindung bei den Teilegrossisten ist daher eine wichtige Strategie für die technischen Datenanbieter. Auch wir gehen diesen Weg und sind unter anderem Partner von WM, Stahlgruber, PV Automotive, Matthies, der Coparts-Gruppe, Knoll oder Hess.asp: Wie ist hier das Pricingmodell?M. Krampe: Wir sehen den Grossisten als Reseller unserer Produkte, d.h. die Daten sind für die Werkstätten in den Großhändler-Portalen kostenpflichtig zubuchbar. Wir haben daneben auch Key-Account-Modelle, wo wir Lizenzen en bloc und an eine größere Gruppe verkaufen. Aber in der Regel handelt es sich um ein Wiederverkaufsgeschäft.asp: Wie viele Nutzer haben sie in Deutschland und wie groß ist das Potenzial?M. Krampe: Derzeit nutzen 4.500 Werkstätten unser System. Das Potenzial ist groß, denn eigentlich hat jede Mehrmarkenwerkstatt den grundsätzlichen Bedarf. Wir haben in den vergangenen drei Jahren sehr große Fortschritte gemacht und wachsen weiter. Wir haben uns mit unserem eigenen Vertriebsteam bislang auf die Gebiete D.A.CH. und Großbritannien konzentriert, aber auch in anderen Teilen Europas bauen wir unsere Position aus, da der Bedarf bei den Werkstätten identisch ist.asp: Hat die freie Werkstatt auch in der Zukunft noch ihre Berechtigung?M. Krampe: Eine Mehrmarkenwerkstatt wird auch in Zukunft eine Berechtigung haben. Das haben auch die Hersteller erkannt, die ihrerseits mit Aftersaleskonzepten in den Markt drängen. Das würden sie nicht machen, wenn da nichts zu holen wäre. Es wurden ja schon öfter bei Neuerungen schwarze Wolken für die freien Werkstätten an den Himmel gemalt. Aber ein zentrales Thema ist die Verfügbarkeit und Verarbeitung von Daten. Wir sehen aktuell gerade auch im Diagnosesektor sehr viel Bewegung, insbesondere im Hinblick auf das PassThru-Verfahren zur reinen OE-Diagnose. Unsere Online-Datenbank Alldata Repair ist hier auch ein idealer Baustein in dem notwendigen Datenbereich, um Werkstätten in die Lage zu versetzen, auch weiterhin Fahrzeuge reparieren zu können.

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