Wer im Münsteraner Büroartikel-Geschäft Buschmann unterwegs ist, würde wohl kaum vermuten, dass hier auch Ersatzteile für Automobile hergestellt werden - zwar nicht in Massenproduktion, aber in kleinen Stückzahlen in Auftragsarbeit. Gleich am Eingang des Ladens befindet sich der "Urbanmaker"-Store des jungen Start-up-Unternehmens Desvicon, das mit der 3D-Druck-Technologie Gegenstände aus Kunststoff herstellt. Das kann ein defekter Lichtschalter für die Wohnung ebenso sein wie ein Handschaltknauf für einen Mercedes-SL-Roadster aus den 1970er-Jahren. Der Kunde kann Material, Farbe und Oberflächenbehandlung genau auswählen - hier sind kaum Grenzen gesetzt.
Schicht für Schicht zum Objekt
Möglich machen das Kunststoff-3D-Drucker, die dreidimensionale Objekte Schicht für Schicht aus einem Kunststoffstrang ("Filament") bauen, der zuvor erhitzt und geschmolzen wird. Diese Technik nennt sich "Fused Deposition Modeling" (FDM) und kommt mittlerweile in vielen Kunststoff-3D-Druckern zum Einsatz. "Das Verfahren ist im Prinzip mit einer Heißklebepistole vergleichbar", sagt Max Tönnemann, einer der Gründer des 3D-Druck-Shops. Der Druckkopf des 3D-Druckers kann sich in zwei Achsen bewegen und spritzt den erhitzten Kunststoff auf eine Arbeitsplatte. Die Platte senkt sich und die nächste Schicht wird aufgetragen. Schicht für Schicht wächst nun ein dreidimensionales Gebilde heran. "Je nach Druckermodell kann die Schichtstärke variiert werden und dünner als ein menschliches Haar sein", sagt Tönnemann. Dabei gilt: Je dünner die Schicht, desto filigraner können die Objekte sein. Da die Kunststoffe im 3D-Druck-Bereich auch stetig weiterentwickelt werden, sind gummiartige, transparente oder mehrfarbige Objekte möglich.
Bislang beschränkt sich das Angebot bei Urbanmaker im Automobilbereich auf Zierteile im Innenraum und nicht sicherheitsrelevante Teile. "Bei Oldtimern sind wir auf der sicheren Seite, da die Patente schon ausgelaufen sind. Wir konstruieren die Teile auch komplett neu und kopieren sie nicht einfach", sagt Desvicon-Mitgründer Werner Döker. Kunden bringen das Originalteil mit, das dann per CAD-Programm neu konstruiert und anschließend ausgedruckt wird. Und das oft günstiger, als die Beschaffung des Original-Ersatzteiles kostet. Das ehrgeizige Ziel des jungen Start-ups ist es, noch im ersten Quartal 2016 eine Datenbank mit Auto-Ersatzteilen aufzustellen, die auf der Webseite www.classicparts3d.com abrufbar ist. Kunden können dann dort direkt bestimmte Autoteile für Oldtimer bestellen und sich ausdrucken lassen.
3D-Druck auch von Serienteilen
Auch bei den Automobilherstellern und den Zulieferern wird 3D-Druck immer mehr ein Thema. Dabei kommen sowohl Drucker für Kunststoff als auch für Metall zum Einsatz, beispielsweise beim Automobilzulieferer Denso. Im Prototypenbau schon seit Jahren eingesetzt, schickt sich die Technik nun an, in der Serienproduktion Fuß zu fassen - und das auch bei sicherheitsrelevanten Teilen. Bislang war das Thema Geschwindigkeit immer ein K.-o.-Kriterium für 3D-Druck von Serienteilen, denn Teile in Losgrößen von mehreren Millionen zu produzieren, lässt sich mit herkömmlichen Verfahren oft schneller und wirtschaftlicher realisieren. Da der Leichtbau auch in den Automobilen immer mehr Einzug hält, spielt das dem 3D-Druck in die Hände, denn damit lassen sich Formen produzieren, die bei gleicher Festigkeit deutlich weniger wiegen. Doch nicht nur das: Mit dem 3D-Druck können Geometrien erzeugt werden, die mit herkömmlichen Verfahren gar nicht herstellbar sind, beispielsweise Hohlräume oder gewendelte Kühlkanäle.
BMW produziert inzwischen Wasserpumpenräder in Kleinserie im 3D-Druck für die Motoren der Fahrzeuge der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft und den Z4 GT3. Autohersteller Audi hat jüngst sogar ein originalgetreues Modell eines Auto Union Typ C aus Metall hergestellt, das komplett auf dem 3D-Drucker entstanden ist. Dabei kam das "Selektive Lasersintern" (SLS) zum Einsatz, bei dem die Bauteile ebenfalls Schicht für Schicht entstehen. Im Gegensatz zum Kunststoff-3D-Druck wird hierbei ein Metallpulver verwendet, das mit einem leistungsfähigen Laser geschmolzen wird. Die Platte des Bauraums senkt sich ab, es wird eine neue Pulverschicht aufgetragen und der Schweißprozess beginnt von vorne. Schicht für Schicht entsteht nun ein Bauteil innerhalb einer speziellen Schutzatmosphäre, das in Sachen Festigkeit sogar Warmumformung oder Druckguss übertrifft. "In den Werkzeugbauten von Audi und im Volkswagen-Konzern treiben wir neue Fertigungstechnologien voran. Gemeinsam mit Partnern aus der Forschung loten wir immer wieder die Grenzen neuer Verfahren aus. Eines unserer Ziele ist der Einsatz von Metalldruckern in der Serienproduktion", sagt Hubert Waltl, Audi-Vorstand für Produktion bei der Audi AG.
Bis 3D-Drucker allerdings komplette Fahrzeuge in Serie drucken können, ist es noch ein langer Weg. Immerhin zeigte das amerikanische Unternehmen Local Motors mit dem "Strati", dass es tatsächlich möglich ist.
Kurzfassung
3D-Druck wird im Oldtimer-Bereich genutzt, um Kunststoffteile nachzubilden, die sich sonst nur schwer beschaffen lassen. Auch Automobilhersteller und Zulieferer setzen immer mehr auf die Fertigungstechnik, um Serienteile herzustellen.
- Ausgabe 01/2016 Seite 26 (189.4 KB, PDF)