Von Dietmar Winkler, asp AUTO SERVICE PRAXIS
Der ADAC hat am 20. Februar 2018 die Ergebnisse eines Tests von nachgerüsteten Euro-5-Dieselfahrzeugen veröffentlicht, und somit den Beweis angetreten, dass der Ausstoß von Stickoxiden um ein hohes Maß reduziert werden kann (asp berichtete). Im Nachgang sprach asp-Chefredakteur Dietmar Winkler mit Dr. Reinhard Kolke, Leiter Test und Technik beim ADAC, über die technische Machbarkeit der Hardware-Nachrüstung.
asp: Die gezeigten Lösungen der Nachrüster sind reine Pilotanlagen – wie sehr unterscheiden sie sich?
Dr. Kolke: Wir haben uns den Prozess bei allen vier Nachrüstern angesehen. Die Lösung von Dr. Pley beinhaltet neben Katalysator und Hydrolysereaktor ein Pumpensystem, einen AdBlue-Tank und das elektronische Steuersystem mitsamt Kabelbaum. Wesentlich aufwändiger, vor allem was Temperatur-, Stickoxid- und Drucksensorik betrifft, ist z. B. das System von Baumot Twintec. Die Kosten insgesamt bewegen sich nach Auskunft der Anbieter bei den unterschiedlichen Lösungen zwischen 1.400 und 3.300 Euro mit Einbauzeiten von zwei bis 15 Stunden.
asp: Was ist realistisch für die Werkstattpraxis?
Dr. Kolke: Die Einbauzeit für ein zugelassenes Nachrüst-Kit dürfte vermutlich durchaus bei sechs bis acht Stunden liegen. Die Nachrüstung muss auf jeden Fall durch eine qualifizierte Werkstatt durchgeführt werden, pragmatisch wäre der Einbau durch eine Werkstatt mit AU-Anerkennung. Der Halter benötigt auf jeden Fall eine Einbaubestätigung durch einen Fachbetrieb.
asp: Klingt nach einem attraktiven Zusatzgeschäft für Werkstätten?
Dr. Kolke: Das Geschäft in den Werkstätten ist das eine. Aber die Händler werden schon aus Eigeninteresse alles versuchen, heute schwer verkäufliche Euro-5-Fahrzeuge in ihrer Attraktivität zu steigern. Bei Standzeitkosten von 25 bis 28 Euro pro Tag und oft genannten 100 Tagen ist die Motivation sehr hoch.
asp: Haben auch die großen Automobil-Zulieferer schon Nachrüstlösungen in der Schublade?
Dr. Kolke: Neben den von uns beauftragten Nachrüstern gibt es auch die Großlieferanten wie Eberspächer, Faurecia oder Tenneco. Diese Unternehmen werden mit Sicherheit selbst sehr schnell ins Gespräch mit den Herstellern gehen oder auch eigene Lösungen für den Aftersales anbieten. Voraussetzung ist eine belastbare Nachrüstrichtlinie. Hier zeigt sich wieder das klassische Problem: Ohne Zulassung gibt es keinen Markt, und ohne Markt gibt es keine technische Lösung.
Der nächste Schritt muss daher jetzt vom Bundesverkehrsministerium mit der entsprechenden Zulassungsgrundlage gemacht werden. Eine belastbare Regelung muss auch Garantien für Haltbarkeiten umfassen. Wenn Autohalter ihren Mercedes oder BMW mit einer Hersteller-Lösung nachrüsten könnten, wäre das ein ganz wichtiges Signal in den Markt.
asp: Wie lange dauert die amtliche Zulassung für eine Nachrüstlösung?
Dr. Kolke: Diese Frage kann letztlich nur das Ministerium beantworten. Für eine Nachrüstungsrichtlinie wird im gesetzgeberischen Verfahren sicher mindestens ein halbes Jahr benötigt. Parallel würden Nachrüster und auch die Automobilhersteller in die Bauraumbegutachtung gehen und schauen, welche Fahrzeugtypen nachgerüstet werden können. Zum Teil gabt es ja bereits Fahrzeuge die optional mit Serien-SCR verfügbar waren. Hier liegen nicht alle aber viele Bauteile und Freigaben für die SCR-Nachrüstung vor. Aber man darf nicht vergessen: das Gesamtsystem ist freizugeben, alle Bauteile wie Steuergeräte, Katalysatoren etc. müssen produziert werden, also müssen entsprechende Hochlaufzeiten eingeplant werden. Immerhin sprechen wir von einem Potenzial von fünf Millionen Fahrzeugen.
asp: Würden die Automobilhersteller ihre eigene markenspezifische Lösung präsentieren oder wäre das ein optionales Angebot im freien Aftersales?
Dr. Kolke: Man kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehen, ob es Lösungen geben wird, die Hersteller wie BMW oder VW alleine vertreiben oder ob z. B. BMW Freigaben an andere Zulieferer erteilt. Alle OEM müssen sich ihre Nachrüst-Strategie überlegen. Aber für die Politik ist es sehr wichtig, ein Signal von den Herstellern zu bekommen, dass sie bereit sind, zu kooperieren. Sie müssten die relevanten Daten freigeben oder mit einem der einschlägigen Nachrüster im Sinne einer verlängerten Werkbank kooperieren.
asp: Welche Daten benötigen die Nachrüster von den Automobilherstellern?
Dr. Kolke: Da geht es beispielsweise um Motorkennfelder. Man sollte wissen, wie hoch die Stickoxidemissionen sind, welche Luftmassen vorliegen, Zugang zu Temperaturdaten und zu weiteren Sensordaten bekommen, um auf Grundlage dieser Daten die AdBlue-Lösung einzuspritzen.
asp: Die Automobilhersteller argumentieren, dass bisher nur "Bastel-Lösungen" gezeigt werden, die Entwicklungen einer eigenen Herstellerlösung aber zwei bis drei Jahre dauern würde. Ist das ein vorgeschobenes Argument der Industrie?
Dr. Kolke: Wenn die Hersteller behaupten, sie benötigen drei Jahre, um eine nachrüstbare Abgasnachbehandlung zu entwickeln, dann ist das deren Position, die ich hier nicht weiter kommentieren will.
Vielen Dank für das Gespräch!