Moderne Antriebswellen und deren Gelenke sind komplexe Hightech-Bauteile. Intelligente Designs und modernste Metalllegierungen stellen sicher, dass hohe Drehmomente mit wenig Reibungsverlust zuverlässig über viele Jahre und Kilometer übertragen werden. Dennoch können Antriebswellen verschleißen oder aufgrund Fettmangels ausfallen, was einen teuren Austausch nach sich ziehen kann. Eine Möglichkeit ist es dann, eine wiederaufbereitete Antriebswelle ("Remanufactured") zu verwenden. Davon raten die Hersteller jedoch ab, weil die Qualität ansonsten leiden kann ( siehe Kasten auf S. 29). "Eine Wiederaufbereitung schont Ressourcen und damit die Umwelt. Dagegen kann man eigentlich nicht sein. Die Sicherheit der Bauteile kann aber bei einer Aufarbeitung leiden", erklärt Manfred Neumann, Geschäftsführer bei der WONH Europe GmbH, einem Spezialisten im Bereich der Antriebswellen.
Kürzerer Weg, weniger Masse
Ganz anders sieht es bei der Instandsetzung von Seitenwellen aus. Der Weg vom Differenzial zu den Antriebsrädern ist viel kürzer, die Welle hat einen viel kleineren Durchmesser und sie läuft nicht durch den gesamten Fahrgastraum. Dadurch sind die rotierende Masse und damit die Schwingungs- und Geräuschübertragungs-Möglichkeiten schon per se viel weniger. Der größte Verschleiß an der Seitenwelle entsteht zudem an den Gelenken, die immer erneuert werden sollten. Falls die reine Welle in Maßen, Zustand und Rundlauf den Anforderungen entspricht, kann dieses Teil wiederaufgearbeitet werden - die Leistungsfähigkeit wird hier nicht eingeschränkt.
Antriebswellen und die entsprechenden Produkte zur fachgerechten Reparatur sind unter anderem von MTN-SNR, WONH Europe oder GKN Driveline Service GmbH erhältlich. Auch der Hamburger Hersteller Meyle bietet Antriebswellen und die einzelnen Innen- und Außengelenke (Gleichlauf- und Tripodegelenke) mit dem passenden Anbaumaterial an.
Herausforderungen der Instandsetzung
Die Instandsetzung von Antriebswellen birgt gewisse Risiken. Folgendes sollte die Werkstatt beachten:
- Vibrationen/Unwuchten können für Folgeschäden sorgen
Längswellen sind äußerst präzise gefertigte Bauteile. Durch die hohen Dauerdrehzahlen im Betrieb reichen schon kleinste Ungenauigkeiten aus, beispielsweise durch eine ungleichmäßige Lackierung, um Unwuchten entstehen zu lassen. Diese machen sich nicht nur durch Geräusche bemerkbar, sondern können durch Vibrationen auch Folgeschäden auslösen. Moderne Längswellen sind darüber hinaus crashoptimiert. Das heißt, sie weisen programmierte Stellen auf, die durch Stauchungen Energie absorbieren. Das macht das Gesamtsystem noch anfälliger für unerwünschte Schwingungen.
- Toleranzen müssen eingehalten werden
Moderne Längswellen sind mit VL-High-Speed-Gelenken ausgestattet. Dieser Gelenktyp ist fahrzeugspezifisch unterschiedlich ausgelegt. Um Verschiebekräfte entsprechend auszugleichen, differieren beispielsweise die Kugelbahn-Winkel der VL-Gelenke bei Längswellen im Vergleich zum gleichen Gelenktyp bei Seitenwellen. Diese Bauteile erfordern geringste Toleranzen, die in der Regel nur mit einem Neuteil einzuhalten sind.
- Erschwerte Montage
Einzelne Komponenten des Systems der Längswelle sind häufig nicht oder nicht schadlos demontierbar. Beispiele sind geprägte Zapfenkreuze, die auch nicht problemlos wieder zusammengebaut werden können.
- Ausgabe 10/2020 S.28 (310.0 KB, PDF)