Zum nunmehr 19. Mal hat das Kölner Aftersales Forum Ende Juni in der Domstadt stattgefunden. Veranstaltet von der Beratungsgesellschaft BBE Automotive, hielten Referenten aus dem Teilehandel, von Online-Plattformen und Fahrzeugherstellern spannende Vorträge zu den Herausforderungen, die den Aftermarket in Zukunft beschäftigen. Die Digitalisierung und Vernetzung standen dabei im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Nach Begrüßung durch Michael Borgert, Geschäftsführer der BBE Automotive GmbH, gab gleich zu Beginn der Veranstaltung BBE-Senior-Consultant Eckhard Brandenburg wie jedes Jahr einen Einblick in die Lage des Aftermarket. 2017 war laut Brandenburg insgesamt ein positives Jahr für die Kfz-Branche: Im Vergleich zum Vorjahr wurden fast 90.000 Neuwagen mehr in Deutschland zugelassen, insgesamt ist ein Zuwachs auf 671.000 potenziell zu wartende und reparierende Fahrzeuge zu verzeichnen. Auch die Zahl der älteren und damit reparaturanfälligen Fahrzeuge nimmt zu, gerade im Segment der über zehnjährigen Autos.
Generation Internet
Trotz der guten Nachrichten steht der Aftermarket jedoch auch unter Druck: Zum einen drängen die Fahrzeughersteller immer mehr auf den Markt der freien Ersatzteile und bieten OE-Teile auch für ältere Fahrzeuge an. Durch den Wechsel vieler Markenwerkstätten in den freien Markt wird auch die Entwicklung der freien Werkstätten beeinflusst und laut BBE Automotive werden bis 2020 voraussichtlich über 1.500 Betriebe verschwinden. Gefährdet seien dabei in erster Linie kleine und nicht organisierte Betriebe. Eine weitere Herausforderung ist die Konsolidierung im freien Teilegroßhandel, die immer weiter voranschreitet. Durch Akquisitionen wie von Stahlgruber durch die LKQ Corporation gewinnen amerikanische Unternehmen an Macht auf dem europäischen Aftermarket.
Auch der Zugang zu den Fahrzeugdaten und die Vernetzung werden immer relevanter. Mit den daraus entstehenden Daten lassen sich Geschäftsmodelle wie Werkstatt-Services, Ferndiagnose oder fahrerorientierte Tarife bei Versicherungen realisieren. BBE Automotive schätzt, dass bis 2020 rund 50 Prozent der Fahrzeuge vernetzt sein werden. Das passt auch zu den sich ändernden Ansprüchen der Kunden: Durch die zunehmende Internetnutzung und die Durchdringung mit mobilen Geräten wollen Kunden bei Autoreparaturen das, was sie auch bei Amazon und ähnlichen Portalen finden. Sie vergleichen Angebote, sind preisbewusster und verlangen von Werkstätten zunehmend Online-Services wie das Vereinbaren eines Termins oder das Buchen von Werkstattleistungen zum Festpreis.
Online-Werkstatt
Wie die Reparaturabwicklung zukünftig funktionieren kann, zeigte eindrucksvoll das Start-up Caroobi, das unter anderem von Mark Michl gegründet wurde. In seiner Keynote berichtete der junge Geschäftsführer, dass Caroobi die "digitale Marke" für Autoreparaturen werden möchte. Caroobi bietet dafür eine Online-Plattform, auf der Kunden lediglich den Schaden eines Fahrzeugs angeben müssen. Caroobi kümmert sich nun um die Schadendiagnose, findet die passende Werkstatt in der Umgebung und bestellt die zur Reparatur notwendigen Teile gleich mit. Das Ganze bietet Caroobi zum Festpreis an und übernimmt auch die ganze Rechnungsabwicklung bis hin zum Kundenservice. Angeschlossene Werkstätten bekommen laut Michl wiederum eine bessere Auslastung und können sich auf das "Schrauben" konzentrieren, während alle anderen Arbeiten von dem Dienst übernommen werden. Caroobi bringe zudem neue Kunden in die Werkstatt. BMW hat 2017 einen Betrag von 20 Millionen Euro in das Start-up investiert, das laut eigenen Angaben schon 750 Werkstätten von seinem Angebot überzeugen konnte.
Moderne Dialogannahme
Auch die Teilehandels-Kooperation Carat plant mit Mecanto eine Online-Plattform, zu welcher neben einem O n line-Teileshop Werkstattservices und Telematikdaten gehören, um neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Das Angebot soll sich dabei sowohl für Privat- als auch Gewerbekunden eignen. Über einen funktionsfähigen Dummy der Mecanto-Plattform zeigte Carat-Geschäftsführer Thomas Vollmar, wie Flottenmanager den Serviceplan ihrer Flotte überwachen, Reparaturen zum Festpreis buchen und eine Werkstatt in der Nähe finden können. Zukünftig soll es auch möglich sein, dass Autofahrer mit OBD-Dongle Servicehinweise im Display des Autos und Werkstattvorschläge bekommen. Mecanto soll noch im zweiten Halbjahr 2018 online gehen. 46 Millionen Euro sollen in den nächsten fünf Jahren in die Plattform investiert werden.
Wie die moderne Dialogannahme bei einem Automobilhersteller funktioniert, präsentierte Toyota-Kundendienstleiter Jens Brech. Rund 2.000 Online-Servicebuchungen seien bereits über das Toyota-Online-Service-Booking-System (OSB) durchgeführt worden, an dem bereits über 300 Toyota-Händler teilnehmen. Brech erklärte, dass Kunden Transparenz im Service verlangen, darunter auch einen Kostenvoranschlag für alle durchzuführenden Arbeiten. Mit OBS lassen sich beim japanischen Hersteller Inspektionen und Serviceleistungen zum Festpreis für alle möglichen Fahrzeugmodelle mit unterschiedlichen Kilometerständen von 15.000 bis 300.000 Kilometer online buchen, beispielsweise Ölcheck, Räderwechsel oder ein Klimaservice. Mit dem System sollen sich Termine in nur 15 Minuten vereinbaren lassen. Teilnehmende Händler sollen über OBS auch mehr Umsatz erreichen und leichter Marketing-Kampagnen durchführen können.
Die Schadenabwicklung der Zukunft war ebenfalls ein Thema des Aftersales Forum. Henrik Lange vom Dienstleister Control Expert erläuterte, wie sich mit dem webbasierten Übermittlungsverfahren "Postmaster" Zeit durch die papierlose Kommunikation sparen lässt. Mit der Software Easyclaim Go können Werkstattmitarbeiter Schäden an Unfallfahrzeugen direkt auf dem Tablet oder Smartphone aufnehmen und die Daten an Control Expert übermitteln - innerhalb von zwei Stunden kann so die Schadenhöhe kalkuliert werden. Noch schneller geht es mit "Speedcheck", das die voraussichtlichen Reparaturkosten anhand des Fahrzeugschlüssels und der Auswahl der Schadenzonen in einem 3D-Fahrzeugmodell sofort anzeigen kann. Das Tool nutzt dabei Teile- und Lohnkosten, die sich auch selbst hinterlegen lassen.
Kurzfassung
Trotz guter Zulassungszahlen haben freie Werkstätten zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Auch das veränderte Nutzerverhalten der Smartphone-Generation und die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge stehen immer mehr im Fokus.
Henrik Lange (Control Expert) zeigte die digitalen Möglichkeiten bei der Schadenabwicklung der Zukunft.Carat-Geschäftsführer Thomas Vollmar plant mit Mecanto eine Online-Plattform für Teile, Services und Telematik-Daten.Jens Brech, General Manager Customer Service bei Toyota, erklärte, wie sich die Digitalisierung auf die Kundenbeziehung auswirkt.Caroobi-Gründer Mark Michl möchte das Werkstattgeschäft mit Caroobi neu erfinden.BBE-Senior-Consultant Eckhard Brandenburg gab einen Einblick in die Lage des Aftermarket.Markus Frömgen (BBE Automotive) ging auf die aktuelle Marktentwicklung von Elektroautosein.
- Ausgabe 07/08/2018 Seite 24 (147.1 KB, PDF)