Kurzfassung
Mit seinen Power Swap Stations möchte der Autohersteller Nio das Wechseln des E-Auto-Akkus salonfähig machen. Zumindest, wenn man einen Nio NT7 oder NT5 fährt. Wir haben uns das Konzept in Zusmarshausen angesehen.
Gerade bei längeren Strecken gerät die Elektromobilität an ihre Grenzen: Schnelllader sind an den Autobahnen immer noch rar gesät und oft nicht so schnell, wie es die Hersteller gerne suggerieren. Meistens vergeht mehr als eine halbe Stunde, bis der Stromer genug Kapazität hat, um eine längere Strecke fahren zu können - oftmals sogar mehr. Darüber hinaus schadet Schnellladen dem Energiespeicher und lässt ihn schneller altern.
Wechseln statt Laden
Der Autohersteller Nio hat dafür eine Lösung parat: Statt den Akku konventionell an der Ladesäule aufzuladen, bietet der Hersteller sogenannte Power Swap Stations an, in denen sich der leere Akku gegen einen vollen tauschen lässt. Die Fahrt kann so nach fünf Minuten fortgesetzt werden, so das Versprechen des Herstellers. Das funktioniert natürlich nur mit den Autos von Nio wie dem ET7, der erst Anfang Oktober auf dem deutschen Markt eingeführt wurde.
Zwei dieser Power Swap Stations hat Nio bereits in Betrieb genommen. Eine befindet sich im Sortimo-Innovationspark in Zusmarshausen bei Augsburg, die andere im nordrhein-westfälischen Seed-&Greet-Ladepark in Hilden.
Wellness-Hotel für die Batterie
Wir wollten genauer wissen, wie der Akkutausch funktioniert, und haben uns den Wechsel an der Power Swap Station in Zusmarshausen angesehen. Schon kurz nach der Autobahnausfahrt Zusmarshausen wird der Sortimo-Innovationspark sichtbar, laut eigenen Angaben Europas größter Ladepark. Etwas abseits des Gebäudes ist die Power Swap Station von Nio installiert, ein kubusförmiges Gebäude, das entfernt an eine Waschanlage erinnert und mit eigener Zufahrt ausgestattet ist. Der geschlossene Teil des Gebäudes ist die Aufbewahrungsstation für die Traktionsbatterien, auch "Batterie-Hotel" genannt, wie uns Sebastian Oppl, Power Field Service Operations Engineer bei der Nio Deutschland GmbH, erklärt. 13 Batterien finden dort in einem Regalsystem Platz, darunter welche mit 75 kWh oder 100 kWh Kapazität - je nachdem, welche Größe das eigene Auto mitführt. Die Batterien werden dort nicht nur aufbewahrt, sondern auch mit batterie- und netzschonenden Ladegeschwindigkeiten bis 90 Prozent geladen, damit eine lange Lebensdauer garantiert ist. Zusätzlich sind die Batterien wie im Auto an einen Kühlkreislauf angeschlossen, der sie auf 24 Grad Celsius Wohlfühltemperatur hält. Das Batterie-Hotel wird zudem permanent überwacht, auch der Gesundheitszustand der Batterien wird per Netzwerk-Anbindung aus München ausgewertet. So soll garantiert werden, dass Kunden immer einen perfekten Austausch-Akku bekommen.
Neben dem Batterie-Hotel befindet sich die Wechselstation. "Hier können rund zwölf Swaps pro Stunde durchgeführt werden", erklärt Oppl. Da die Station momentan jeden Tag von 7 bis 21 Uhr geöffnet ist, lassen sich so rein rechnerisch bis zu 168 Batterien pro Tag tauschen. Bei einem 24-Stunden-Betrieb wären sogar annähernd 300 Swaps möglich.
Vollautomatischer Vorgang
Der Wechselvorgang soll für den Anwender dabei so angenehm wie möglich gemacht werden. Schon unterwegs kann über den Touchscreen des Nio ein "Swap" angemeldet werden. Das System zeigt dem Nutzer dabei an, wie viele Batterien zur Verfügung stehen beziehungsweise wie lange die Wartezeit für einen Wechsel ist. Befindet sich der Fahrer dann vor der Power Swap Station, kommt ein freundlicher Operator hinzu, der den Akkutausch nochmals bestätigt und den Anwender zu einem rechteckig markierten Feld vor der Wechselstation lotst, falls dieser die Markierung nicht schon selbst angesteuert hat.
Ist das Auto dort abgestellt, geht der Rest automatisch: Eine Meldung poppt auf dem Bildschirm des Nio auf und fragt, ob der Akkutausch beginnen soll. Wird die Meldung bestätigt, setzt sich das Auto in Bewegung und rangiert vollautomatisch rückwärts in die Station. Der Fahrer muss aus Sicherheitsgründen dabei angeschnallt im Fahrzeug bleiben. In der Station richtet sich das Auto dann selbstständig aus. Nun beginnt der Vorgang: Der Boden öffnet sich und eine Hebevorrichtung hebt den Nio an. Mithilfe von kameragesteuerten Ausrichtungspins werden dann die zehn Bolzen an der Unterseite des Akkus gelöst, die rund 500 Kilogramm schwere Batterie abgelassen und seitlich im Boden verstaut.
Anschließend wird der Austausch-Akku über ein Aufzugsystem aus dem Regal geholt und fährt über ein Förderband unter das Auto. Nach korrekter Ausrichtung wird der Akku in die richtige Position unter das Auto gehoben und die Bolzen werden wieder mit richtigem Drehmoment angezogen. Auch Stromstecker, Kühlmittel-Zufluss und Kommunikation werden verbunden. Der Vorgang wird dabei per Kamera überwacht, jedes Drehmoment wird protokolliert. Nach Abschluss wird das Auto wieder abgelassen. Die Auto-Software startet neu und weist den Nutzer auf den erfolgreichen Wechsel hin. Insgesamt dauert der Vorgang tatsächlich nur fünf Minuten.
Nio Power-Swap-Station Zusmarshausen - so läuft der Batterietausch ab
- Ausgabe 12/2022 S.30 (181.6 KB, PDF)