Mitarbeit
Neben Heinrich Manthey haben auch Michael Ebert, Sachverständiger für Abgasanlagen und Fabian Rinske, Sachverständiger für Komponenten-Homologation bei TÜV SÜD, technischen Input für den Artikel gegeben.
Ab dem Jahr 2024 soll die dritte Phase der EU-Akustikgesetzgebung in Kraft treten. Erste Hersteller wie Eberspächer haben bereits neue Produkte wie die Purem-Akustikklappen angekündigt, welche die neuen Vorgaben erfüllen sollen. Doch was bedeutet das in der Praxis? Wir haben Heinrich Manthey, technischer Sachverständiger bei TÜV SÜD und Experte zu dem Thema, befragt, was die Gesetzgebung für Auswirkungen auf Erstzulassung und Tuning hat.
asp: 2024 soll die dritte Phase der EU-Akustik-Gesetzgebung in Kraft treten. Was bedeutet das für die Abgasanlagen von Autos?
H. Manthey: Die dritte Phase der EU- Akustik-Gesetzgebung sieht eine Senkung des Lautstärke-Grenzwerts je nach Fahrzeugtyp vor. Es gibt bislang nur einen Entwurf der Regelung ECE-R59 beziehungsweise EU (VO) 540/2014, da wird sich bis zur finalen Fassung noch etwas ändern. Wenn es um Klappenauspuffanlagen, also Schalldämpfer mit variabler Geometrie geht, werden beispielsweise noch zusätzliche Messungen erforderlich.
asp: Welche Lautstärke-Grenzwerte wird es dann für Autos geben?
H. Manthey: Der gesetzliche Grenzwert ist abhängig vom Leistungsgewicht des Fahrzeugs, also wie das Verhältnis von Gewicht zur Motorleistung des Fahrzeugs ausfällt. Ab 2024 wird je nach Leistung-Masse-Verhältnis der gesetzliche Grenzwert um zwei Dezibel reduziert. Ein hoch motorisiertes Fahrzeug hat heute einen gesetzlichen Grenzwert von 73 dB(A) und darf dann nur noch 71 dB(A) laut sein, ein Fahrzeug mit mittlerer Motorisierung wird von 71 auf 69 dB(A) reduziert und ein leistungsschwaches Fahrzeug von 70 auf 68 dB(A). Die neue Gesetzgebung betrifft auch Motorräder, dann jedoch mit anderen Grenzwerten. Momentan sind 77 dB(A) laut ECE-R41 erlaubt, das wird dann auf 75 dB(A) reduziert. Elektrofahrzeuge sind unkritisch, was die Geräuschkulisse angeht.
asp: Zwei Dezibel hören sich nicht nach viel an. Macht sich das im Straßenverkehr überhaupt bemerkbar?
H. Manthey: Wahrscheinlich kann man die zwei Dezibel Unterschied gar nicht wahrnehmen. Denn der Dezibel-Wert ist oft nicht so entscheidend, sondern eher, wie dumpf oder hell sich ein Fahrzeug anhört. Das subjektive Empfinden ist auch so eine Sache: Gefühlt ist ein Auto nach dem Tuning immer lauter, bei der Messung ist es dann manchmal sogar leiser geworden. Und nicht zuletzt wird ein Fahrzeug in der Realität niemals so gefahren, wie es beim Testzyklus der Homologation zum Bestehen der Geräuschmessung erforderlich ist. Das Auto ist also im Realbetrieb sowieso lauter oder auch leiser.
asp: Inwiefern gibt es hier Unterschiede zwischen Realbetrieb und Messung?
H. Manthey: Entscheidend ist hier vor allem die Wahl des Gangs. In der Realität fährt jemand zum Beispiel im Stadtverkehr im dritten Gang und beschleunigt, ein anderer fährt im fünften Gang umher. Bei der Homologation der Fahrzeuge ist es anders: Es gibt es ein Typprüfverfahren, wo die Beschleunigung mit einberechnet wird. Dabei kommt es jedoch nicht nur darauf an, mit welcher Beschleunigung man in der Messstrecke fährt, sondern auch, mit welchem Gang das geschieht. Fahrzeuge werden heutzutage tendenziell in höheren Gängen gemessen. Somit ist es auch tendenziell einfacher, niedrigere Geräusch-Grenzwerte einzuhalten, als sie normalerweise im Praxisbetrieb entstehen.
- Ausgabe 04/2022 S.34 (124.0 KB, PDF)
asp: Sind Motorgeräusche beziehungsweise der Auspuff die einzigen Faktoren bei der Geräuschmessung?
H. Manthey: Nein, das Reifen-Abrollgeräusch hat auch einen Einfluss. Das liegt momentan bei modernen Autos im Durchschnitt schon bei 69 bis 70 dB(A) - was über dem neuen Grenzwert 2024 von 68 dB(A) bei leistungsschwächeren Autos wäre. Es wird in Zukunft ein Problem werden, nicht nur die Werte von Motor und Auspuff, sondern auch beim Abrollgeräusch der Reifen einzuhalten. Hier sind die Reifenhersteller gefragt.
asp: Sind auch ältere Autos von der neuen Akustik-Gesetzgebung betroffen?
H. Manthey: Nein, denn es gilt immer das, was zum Zeitpunkt der Erstzulassung gegolten hat. Seit diesem Jahr ist jedoch zusätzlich geregelt, dass an EG-typgenehmigten Fahrzeugen, also Fahrzeugen, die in den letzten 20 Jahren auf den Markt kamen, auch ein EG-genehmigter Schalldämpfer verbaut sein muss. Eigenbau-Abgasanlagen sind nicht mehr möglich. Kurz gesagt: Die Fahrzeuge müssen alle eine EG- oder ECE-Typgenehmigung haben, die Abgasanlagen ebenfalls. Schwierig wird das bei Nischenfahrzeugen mit kleinen Stückzahlen, die zwar eine EG-Typgenehmigung haben, für die sich aber kein Hersteller von Abgasanlagen interessiert. Folglich findet sich kein Hersteller mit einer Genehmigung. Der Gesetzestext lautet dann: Wenn keine Ersatzteile verfügbar sind, kann man auch mit einer Ausnahmegenehmigung eine Einzelabnahme machen. Die Hürde dafür ist aber groß, denn man muss den Nachweis selber führen, dass es keine genehmigten Ersatzteile gibt.
asp: Darf man 2024 noch eine Sport-Auspuffanlage installieren?
H. Manthey: Sicher, wenn die Auspuffanlage eine ECE- oder EG-Genehmigung hat und den vorgegebenen Grenzwert erfüllt. Die Anlage muss dann ja entsprechend abgenommen sein und die gültigen Grenzwerte erfüllen - an der bisherigen Regelung ändert sich nichts.
asp: Lohnt sich ein Auspuff-Tuning bei den niedrigen Grenzwerten bei neueren Autos noch?
H. Manthey: Es zeigt sich in der Tuning-Szene tatsächlich ein Trend, vermehrt ältere Fahrzeuge aus den 1980ern und 1990ern zu tunen. Es gibt auch Hersteller, die sich darauf spezialisieren und heute noch neue Schalldämpfer für den VW Golf I und II sowie Opel Manta auf den Markt bringen. Auch jüngere Tuner kaufen gerne ältere Autos, weil man auf Basis der Erstzulassung da viel mehr machen kann, was an neueren Modellen fast nicht mehr möglich ist. Denn bis 1993 waren noch Geräuschemissionen bis 77 dB(A) in der Erstzulassung möglich, bis 1984 sogar noch 80 dB(A).
asp: Gelten die neuen Grenzwerte 2024 auch für den Innenraum der Fahrzeuge?
H. Manthey: Es geht nur um die Geräusche, die nach außen dringen. Der Innenraum war noch nie betroffen. Nicht umsonst kann jeder seine Musikanlage so weit aufdrehen, wie er möchte, selbst, wenn das Fenster auf ist. Hier gibt es keine Regelung, solange das nicht unter die Lärmbelästigung fällt.
Interview: Alexander Junk