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Interview: "Eine Nachrüstung ist schwierig"

14.12.2017 11:00 Uhr
Interview: "Eine Nachrüstung ist schwierig"

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asp: Herr Dr. Wagner, der Dieselmotor ist durch den VW-Abgasskandal und drohende Fahrverbote in Verruf geraten. Hat der Antrieb überhaupt noch eine Zukunft?

U. Wagner: Der Dieselmotor wird weiterhin in vielen Anwendungsfällen seine Existenzberechtigung haben, weil er die sinnvollste Antriebstechnologie darstellt. Gerade im Transportbereich ist er wegen der hohen Energiedichte des Treibstoffs unverzichtbar. Für die Energiedichte von einer Tonne Diesel-Kraftstoff müsste ein elektrisch betriebener Lkw eine Batterie mit 20 Tonnen Gewicht mitführen. Das würde niemand akzeptieren. Bei Kleinfahrzeugen sehe ich jedoch ein Ende des Dieselmotors kommen, da er in sehr vielen Fällen nicht mehr wirtschaftlich ist.

asp: Der Diesel wird inzwischen von vielen als Dreckschleuder angesehen. Ist diese Skepsis berechtigt?

U. Wagner: Die Schadstoff-Problematik beim Diesel ist mit der neuesten Motorentechnologie gelöst. Das betrifft gerade die Fahrzeuge der neuen Euro-6d-Norm, die unter realen Fahrbedingungen zertifiziert wurden. Wir haben letztes Jahr am Institut eigene Untersuchungen dazu gemacht und sind mit vier aktuellen Dieselfahrzeugen, die bereits für Euro-6d vorbereitet waren, mit Messtechnik in Karlsruhe unterwegs gewesen. Es kamen Emissionswerte heraus, die teilweise unter dem Faktor vier des Grenzwerts von 168 Milligramm NOx pro Kilometer lagen. Wir hatten somit also Fahrzeuge, die nur knapp über 30 Milligramm NOx pro Kilometer im Realbetrieb ausstießen. Hier waren auch große Autos dabei. Bei Euro-6a- oder Euro-5-Fahrzeugen haben wir aber unbestritten ein Problem, da sie im Realbetrieb viel mehr Emissionen als bei der Zertifizierung aufweisen.

asp: Der Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) fordert deswegen eine Nachrüstverordnung für ältere Diesel. Was halten Sie von einem nachrüstbaren SCR-Katalysator?

U. Wagner: Generell sind Nachrüstlösungen immer schwierig. Eine Nachrüstung des SCR-Katalysators halte ich aus zwei Gründen für extrem schwierig. Zum einen ist das eine sehr komplexe Technologie, die sich nicht einfach in ein bestehendes Fahrzeugkonzept integrieren lässt. Es stellt sich die Frage, ob dieser Aufwand gerechtfertigt ist. Der zweite Aspekt ist noch viel wichtiger: So ein System muss zuverlässig funktionieren und haltbar sein. Wenn ein Hersteller beispielsweise die Funktion eines Nachrüst-Katalysators in einem Fahrzeug demonstriert, ist das bei Weitem noch keine serientaugliche Lösung, die in allen Betriebszuständen funktioniert. Um eine solche Technik in hohen Stückzahlen zu realisieren, brauchen Sie drei bis vier Jahre Entwicklungszeit, weil auch entsprechende Tests gemacht werden müssen. Das lohnt sich nicht, denn bis die Technik verfügbar ist, sind auch entsprechend weniger alte Fahrzeuge auf dem Markt. Man sollte das Geld eher in Incentives oder Strategien investieren, um ältere Fahrzeuge aus der Flotte herauszunehmen und durch neuere Fahrzeuge zu ersetzen.

asp: Was ist mit den vielen Besitzern von noch jungen Euro-5-Dieselfahrzeugen, die künftig vielleicht von Fahrverboten betroffen sein werden? Oder den Händlern, die nun einen Wertverlust bei ihren Gebrauchtfahrzeugen hinnehmen müssen?

U. Wagner: Ich kann den Ärger nachvollziehen. Der Aufwand für die Nachrüstung ist aus meiner Sicht dennoch zu groß. Denn es stellen sich neben technischen auch juristische Fragen. Wer ist denn verantwortlich, wenn ein kapitaler Motorschaden auftritt? Der Hersteller von den Nachrüstlösungen wird sich aus der Affäre ziehen. Der Fahrzeughersteller wird ebenfalls keine Verantwortung übernehmen, denn das Auto war zur Markteinführung gesetzeskonform. Das kann man nicht rückwirkend ändern.

asp: Sind die von der Automobilindustrie vorgeschlagenen Software-Updates eine Lösung?

U. Wagner: Ja, die Software-Updates sind meiner Meinung nach wesentlich einfacher zu handhaben. Eine Reduzierung der Stickoxid-Emissionen von 15 bis 20 Prozent ist auch gar nicht schlecht. Die Gefahr der Versottung der Abgasrückführung lässt sich ebenfalls in den Griff bekommen. Ich würde hier für einen schrittweisen Weg plädieren, um für alle Fahrzeuge und Konfigurationen Software-Updates bereitzustellen. Die Autohersteller arbeiten bereits mit Hochdruck daran, hier wird viel Manpower investiert.

asp: 15 bis 20 Prozent Stickoxid-Reduktion klingt im Gegensatz zum SCR-Katalysator nach nicht besonders viel.

U. Wagner: In den Medien wird sehr häufig die Messstation am Stuttgarter Neckartor erwähnt, die 2016 mit Werten bis zu 80 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter deutlich den Grenzwert von 40 Mikrogramm im Jahresmittel überschritten hat. Es gibt zwar noch weitere Mess-Stationen, die über dem Jahres-Grenzwert liegen, die meisten Ausreißer messen aber maximal 50 bis 60 Mikrogramm. Bei 20 Prozent NOx-Ersparnis hätte man hier schon fast den Grenzwert erreicht, alleine durch das Software-Update. Nach und nach kommen zudem immer mehr saubere Euro-6d-Fahrzeuge auf den Markt. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Grenzwerte an den kritischen Mess-Stationen unterschritten werden.

asp: Neben den Stickoxid-Emissionen wird der Diesel auch für die Feinstaub-Belastung in Städten verantwortlich gemacht.

U. Wagner: Dass der Dieselmotor immer wieder mit der Feinstaub-Problematik in Verbindung gebracht wird, ist entweder Unkenntnis oder vielleicht sogar böser Wille. Durch die Einführung des Diesel-Partikelfilters ab den Euro-4-Fahrzeugen sind die Partikelemissionen des Diesels nicht höher als die normale Feinstaubkonzentration in der städtischen Umgebungsluft. Die wesentlichen Emissionen für Feinstaub stammen zudem aus ganz anderen Quellen. An der Messstelle am Neckartor in Stuttgart stammen gerade sieben Prozent der Feinstaubemissionen, die gemessen werden können, aus dem Verbrennungsmotor. Das meiste stammt aus der Industrie. Der höhere Anteil Feinstaub aus dem Straßenverkehr stammt zudem von Reifen- und Bremsenabrieb, ist also nicht motorspezifisch.

asp: Welche Technik-Trends werden den Dieselmotor in Zukunft noch sauberer machen?

U. Wagner: NOx-Speicherkatalysatoren werden meiner Ansicht nach eine Renaissance erleben. Sie sind besonders interessant, wenn das SCR-System nicht schnell genug auf Betriebstemperatur kommt. Das ist beispielsweise bei nicht motornaher Anordnung des SCR-Systems der Fall. NOx-Speicherkatalysatoren können die Stickoxide im kalten Zustand des Motors bereits aufnehmen, bis die Abgasnachbehandlung auf Temperatur ist. Dann werden die Stickoxide wieder freigegeben und können im SCR-Katalysator reduziert werden. In der Vergangenheit waren NOx-Speicherkatalysatoren nicht besonders haltbar, weswegen man sie nicht gerne eingesetzt hat. Das Problem besteht nun nicht mehr. Ähnlich wie bei einem Ottomotor geht man auch dazu über, die Ventilsteuerzeiten des Diesels auf der Einlass- und der Auslass-Seite flexibel zu gestalten, um den Abgasstrom auf Temperatur zu bringen und den Schadstoff- Ausstoß zu minimieren. Diese Technologie wird im Kaltstart eingesetzt, wo bis zu 90 Prozent der Schadstoff-Emissionen entstehen, da die Abgasnachbehandlung noch nicht funktioniert.

Interview: Alexander Junk

Kurzfassung

Obwohl sich immer weniger Kunden für einen Diesel entscheiden, ist der Antrieb weiterhin eine sinnvolle Option. Auch das Stickoxid-Problem scheint mit neuester Technologie gelöst. Eine Nachrüstung alter Diesel ist jedoch problematisch.

Dr. Uwe Wagner

Dr. Uwe Wagner ist Forschungsgruppenleiter am Institut für Kolbenmaschinen (IFKM) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er studierte am KIT (vormals Universität Karlsruhe) Maschinenbau und hat dort auch promoviert. Nach der Promotion übernahm er die Arbeitsgruppenleitung für Brennverfahren bei Dieselmotoren. Seit 2013 leitet er die Arbeitsgruppe Motorsystemtechnik, Abgasnachbehandlung und alternative Kraftstoffe.

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