Kurzfassung
Die Volkswagenmarke Audi sammelt auf vielen Kanälen Erfahrungen mit digitaler Kommunikation. Das wird die Prozesse im Service flexibler für den Kunden machen. Der Werkstattaufenthalt selbst wird aber nicht überflüssig.
asp: Herr Thomandl, Deutschland hat zwei Lockdowns erlebt. Auch die Automobilbranche war stark getroffen. Haben die Betriebe in der Krise verstärkt in Digitalisierung investiert?
Raimund Thomandl: Ja, das kann man so sagen, das haben wir sofort festgestellt. Nach der ersten kurzen Schockstarre in der neuen Situation Lockdown haben sich die Partner sehr schnell darauf besonnen, was wichtig ist. Ganz schnell gab es den kontaktlosen Service unter Einsatz digitaler Tools wie mobile Serviceannahme oder digitale Terminvereinbarung. Und da konnten wir auf Werkzeuge wie die Audi Service Station zurückgreifen.
asp: Wenn Sie auf das Frühjahr zurückblicken: Welche Auswirkungen hatte Corona auf die Teileumsätze im Service?
R. Thomandl: Wenn wir auf den Lockdown im Frühjahr zurückblicken, hat uns das auch, wie eigentlich jeden, sehr getroffen. Zeitweise waren wir stark eingeschränkt und es war schwierig, das Geschäft aufrechtzuerhalten, besonders in einigen Nachbarländern. Zum Beispiel in Italien waren die Ausgangsbeschränkungen ja besonders streng. In Deutschland war die Lage nicht ganz so dramatisch, aber dennoch fordernd. Bezogen auf das Gesamtjahr wird sich der Lockdown aufgrund reduzierter Fahrleistungen, durch z. B. auch weniger Dienstreisen, am Umsatz ablesen lassen. Wir rechnen mit einem Rückgang von ca. 10 Prozent. Äußerst positiv ist aber, dass die Umsätze pro Fahrzeug konstant bleiben.
asp: Und wie ist der Ausblick?
R. Thomandl: Es ergeben sich gewisse Verschiebungen. Einerseits kann niemand sagen, wie sich die Beschränkungen langfristig auf Dienstreisen und die Fahrleistung von Geschäftskunden auswirken und damit auf die Mobilität insgesamt. Durch eine geringere Fahrleistung entstehen weniger Schäden und in der Folge sind weniger Reparaturen notwendig. Andererseits geht es im Privatbereich derzeit genau in die andere Richtung: Hier sehen wir eine verstärkte Fahrzeugnutzung und steigende Zubehörumsätze, weil die Kunden wieder vermehrt mit dem Auto in den Urlaub fahren und z. B. mit einem Fahrradträger ihr Rad mitnehmen.
asp: Hat Covid-19 das Interesse an der 24-Stunden-Servicestation befördert?
R. Thomandl: Die Service Station war für die Situation optimal geeignet - und die hatten wir schon vorher in Betrieb. Damit lässt sich der komplett kontaktlose Service realisieren, also der Kunde gibt sein Auto dort ab, übernimmt es nach dem Werkstattaufenthalt dort wieder und kann direkt am Terminal bezahlen, ohne mit einem Menschen in Kontakt zu treten. Audi Partner, die solch eine Anlage in Betrieb haben, profitieren davon momentan natürlich besonders und wir werden Anfang nächsten Jahres das Angebot noch ausweiten. Es wird dann auf Wunsch des Handels eine Einstiegsvariante mit weniger Funktionsmodulen geben, da wir festgestellt haben, dass nicht jeder Betrieb alle Module benötigt.
asp: Wie nehmen Kunden das Angebot an?
R. Thomandl: Ein Pilotbetrieb in München realisiert damit eine 24-Stunden-Annahme und wickelt damit rund 20 Prozent seiner Vorgänge ab. Die Station ist komplett ausgelastet. Für Kunden, die wenig Zeit haben, trifft das Angebot den Nerv der Zeit. Unsere Kunden sind aber sehr heterogen, vom jungen IT-begeisterten Autofahrer bis hin zu älteren Semestern. Unser Ziel ist es, alle gleichermaßen anzusprechen. Der persönliche Kontakt mit den Kunden ist uns auch weiterhin ganz wichtig - und viele Kunden wollen auch weiter persönlich mit ihrem Serviceberater sprechen. Wir wollen den persönlichen Kontakt daher nicht abschaffen, sondern ergänzen.
asp: ... wie gut lassen sich damit die Vorgänge im Service entzerren?
R. Thomandl: Wer die Audi Service Station nutzt, kann auch die Nebenzeiten nutzen und muss sich nicht an feste Öffnungszeiten halten. Morgens kommt es im klassischen Geschäft schon auch mal zu Schlangen am Serviceberater-Desk bei der Abgabe des Autos und abends bei der Abholung. Mithilfe der Service Station können Betriebe den Kundenverkehr deutlich entzerren. Ich bin daher überzeugt, dass die Verbreitung der Audi Service Station weiter zunehmen wird.
asp: Wie hoch ist die Investition?
R. Thomandl: Das Konzept ist modular. Die Vollvariante liegt bei rund 50.000 Euro. Das Einstiegsmodell liegt ungefähr bei der Hälfte. Daher sind wir zuversichtlich, dass wir damit auf weiteres Interesse stoßen.
asp: Welche Serviceabläufe sind heute schon digitalisiert? Und wo wollen Sie hin?
R. Thomandl: Wir haben heute schon eine ganze Reihe von digitalen Elementen im Service, beispielsweise die Online-Terminbuchung. Die ist für Kunden ganz einfach über die myAudi-App möglich. Zudem bieten wir die mobile Serviceannahme, bei der der Serviceberater sich von seinem Schreibtisch lösen kann, oder aber auch die gerade beschriebene Audi Service Station. Das alles erhöht die Flexibilität deutlich. Aber wir wollen noch digitaler werden. Im Verkauf haben wir bereits die VR-Brille im Einsatz, mit der der Verkäufer das Fahrzeug erklären kann. Bild und Ton werden dreidimensional an den Kunden übertragen. Die gleiche Technik können wir auch im Service nutzen. Stellen Sie sich vor, Sie haben das Auto für die Inspektion abgegeben und nun stellt man in der Werkstatt einen weiteren Reparaturbedarf fest. Mit der VR-Brille kann der Serviceberater Kontakt mit dem Kunden aufnehmen und die Situation nicht nur besprechen, sondern auch gleich am Fahrzeug zeigen.
asp: Wie weit ist Audi bei der Vernetzung von Fahrzeug, Werk und Handel, beispielsweise über die Funktion Audi connect?
R. Thomandl: Alle neueren Fahrzeuge sind bereits connect-fähig. Audi connect bietet eine ganze Reihe von Funktionen. Beispiele sind komfortable Navigationsdienste, die Fernsteuerung bestimmter Funktionen per App oder auch Infotainment-Funktionen. Wenn Ihr Auto z. B. eine Standheizung besitzt, können Sie diese von überall aus einschalten. Bei den servicebezogenen Funktionen ziehen wir künftig ebenfalls nach. Im Rahmen von Functions on Demand können Kunden seit Oktober zudem zusätzliche Funktionen für ihren Audi freischalten lassen. Darüber können sie z. B. Fahrerassistenzsysteme für einen gewählten Zeitraum ausprobieren.
asp: Gibt es schon Schritte Richtung Software-Updates over-the-air?
R. Thomandl: Wir haben in diesem Jahr mit den ersten Online-Remote-Updates begonnen. Hier wollen wir zunächst weitere Erfahrungen sammeln, das rollen wir also nach und nach weiter aus. Bisher sind es Erfolg versprechende Ansätze. Vor allem für unsere Kunden ist das sehr bequem, sie müssen dann für Software-Updates nicht extra in die Werkstatt kommen. Sobald ein Kunde seine Zustimmung im MMI gibt, also das Update aktiv selbst anstößt, wird die Software übertragen. Aber natürlich steht es dem Kunden auch weiterhin offen, das in seiner Werkstatt machen zu lassen.
asp: Welche (digitalen) Touchpoints haben aktuell die größte Bedeutung im Service?
R. Thomandl: Wir legen großen Wert auf den Onlineauftritt unserer Servicepartner. Die meisten Kunden informieren sich heute zuerst über das Internet, das gilt auch für den Kfz-Service. Alle unsere Partner haben einen eigenen Audi-Internetauftritt und wir unterstützen sie bei der Befüllung mit Inhalten. Wir stellen unseren Partnern auch Filmbeiträge und vorbereitete Inhalte für die Social-Media-Kanäle wie Instagram, Facebook oder You-Tube zur Verfügung. Das sind wichtige Zugangskanäle.
asp: Werden Services künftig stärker digital vereinbart?
R. Thomandl: Ein Großteil unseres Geschäfts passiert in der Werkstatt, das wird auch in Zeiten der Remote-Dienste so bleiben. Aber wir merken, dass viele Kunden dafür nicht immer ins Autohaus kommen möchten. Das zeigt auch das große Interesse an den Hol- und Bringservices für Werkstattaufenthalte - natürlich immer abhängig von Kundenstruktur und Umfeld.
asp: Wie sieht es mit dem Verkauf von Services und Zubehör über das Internet aus?
R. Thomandl: Wir nutzen die Onlinekanäle auch für den Verkauf von Zusatzservices, also Garantieverlängerungen oder Servicepakete. Natürlich können die einzelnen Handelspartner auch über ihre eigenen oder andere öffentliche Internetplattformen Zubehör anbieten. Das passiert ja heute schon.
asp: Welchen Einfluss hat die Elektromobilität auf Serviceumsätze?
R. Thomandl: Natürlich wissen wir, dass ein reines Elektroauto weniger Verschleißund Ersatzteile benötigen wird. Bei den Hybridfahrzeugen hingegen haben wir es mit komplexeren Systemen zu tun. Allerdings ist der Anteil im aktiven Carpark noch eher untergeordnet, in den Gesamtzahlen sehen wir den Effekt daher noch nicht - weder bei den Ersatzteilen noch bei den verkauften Stunden. Aber natürlich behalten wir das im Blick. Unsere Aufgabe ist es, diesen Effekt bereits präventiv auszugleichen, denn der Kontakt mit unseren Kunden ist uns auch in Zukunft wichtig. Die erwähnten Loyalisierungsprodukte sind dabei ein möglicher Baustein.
Interview: Ralph M. Meunzel, Dietmar Winkler
- Ausgabe 01/2021 S.30 (101.7 KB, PDF)