Klassikerspezialisten in Umweltzonen
So genannte Umweltzonen in inzwischen 40 deutschen Städten gefährden, ohne die Feinstaubbelastung tatsächlich zu reduzieren, die Existenz von Werkstätten und Autohäusern. Ein Praxisfall aus München gibt Tipps für Betroffene.
Eine gute Lage ist das A und O jedes funktionierenden Unternehmens. Das gilt nicht nur für den Einzelhandel oder Restaurants, sondern auch für Betriebe des Kfz-Handwerks. Umgekehrt gilt: Haben Kunden Probleme, Werkstatt oder Autohaus zu erreichen, kann das schnell das Aus für den Betrieb bedeuten. Gründe für schlechte Erreichbarkeit gibt es viele. In München und einigen anderen Städten zählt mittlerweile auch die so genannte Umweltzone dazu. Nicht nur auf Klassiker spezialisierte Betriebe, die zum Zeitpunkt der Ausweisung einer Umweltzone dort ihren Sitz hatten, konnten von einem Tag auf den anderen von einem beachtlichen Teil ihrer Kunden nicht mehr erreicht werden. Vor allem Youngtimer-Spezialisten hat die Einführung der Um-weltzonen hart getroffen, denn die Fahrzeuge bekommen meist nicht die für die Einfahrt nötigen Feinstaubplaketten. Von den Umweltzonen sind speziell alte Diesel, aber auch Benziner ohne Kat betroffen. Nur Fahrzeuge mit H-Kennzeichen nimmt die Regelung aus. Doch diese sind nur ein Teil des Oldtimer-Gesamtbestands. „Ich selbst hatte noch Glück“, berichtet Do-minik Schauer, selbstständiger und auf Klassiker spezialisierter Karosseriebaumeister aus München, „denn mein Betrieb befand sich am östlichen Münchener Stadtrand außerhalb der Umweltzone. Trotzdem war ich auf der Suche nach neuen bezahlbaren Räumen, weil die Ge-nehmigung der Stadt für meine damalige Werkstatt aufgrund der Umwidmung der Lage in ein reines Wohngebiet auslief. Meinen Kollegen Henning Kaschkat hat die Einführung der Umweltzone voll getroffen. Sein ebenfalls auf Klassiker spezialisierter Betrieb befand sich mitten in der Innenstadt im Schlachthofviertel. Wir mussten beide schnell eine Lösung finden, um die Zukunft unserer Betriebe zu sichern. Deshalb beschlossen wir, ge-meinsam nach einer größeren Werkstatt zu suchen, die sich aufteilen ließ, so dass jeder seinen eigenen Bereich hat.“
Die Suche nach geeigneten Werkstatt-räumen außerhalb der Münchener Um-weltzone stellte sich als schwierig heraus. Vor allem große Immobilien, die zwei Werkstätten Platz boten, waren kaum im Angebot. „Einige innerstädtische Werkstätten hatten sich bereits vor der Einführung der Umweltzone nach neuen Räumlichkeiten umgesehen und sich die besten Lagen gesichert“, erinnert sich Dominik Schauer. „Über ein Immobilienportal im Internet fanden Henning Kaschkat und ich schließlich ein viel versprechendes Objekt am Rand eines Industriegebiets in Starnberg, südlich von München.“
Gebäude schaurig, Lage perfekt
Bei der Besichtigung des Objekts, eine ehe-malige Lackiererei, stellte sich heraus, dass zur Sanierung erhebliche Investitionen zu tätigen waren. Der Zustand in wenigen Worten: Abgesenkte und brüchige Böden, überalterte und ungepflegte Werkstattausrüstung. Vor Unterzeichnung des Mietvertrags stand eine Machbarkeitsanalyse. Auch wurden Gespräche mit dem Vermieter geführt, wer welche Kosten übernimmt. Die Analyse ergab, dass allein für den Um-bau samt Neuinstallation von Druckluft, Elektrik und Telefon rund 50.000 Euro benötigt wurden. Die Kosten von 15.000 Euro für eine neue Heizungsanlage übernahm der Vermieter. Die Analysen von Infrastruktur und Kundenpotenzial er-gaben laut Dominik Schauer durchweg Positives: „Die Lage der Werkstatt stellte sich als ausgezeichnet heraus. Der Betrieb war gut eingeführt und bei den Starnbergern und in den angrenzenden Landkreisen bekannt. Nicht zuletzt lag das auch daran, dass unser neuer Betrieb der älteste in Starnberg ist. Von unschätzbarem Vor-teil für uns war aber, dass die Werkstatt selbst ablösefrei war, ein guter Autobahnanschluss besteht, bereits alle Genehmigungen vorhanden waren und die Starnberger Behörden uns hierauf unbürokratisch unbefristet Bestandsschutz gewährten. Da die Werkstatt jedoch ein Jahr lang nicht betrieben wurde und im unmittelbaren Umfeld Wohnbebauung steht, haben wir die Nachbarschaft zu einem Gespräch eingeladen, um Zeiten für geruchs- und lärmintensive Arbeiten abzustimmen.“ Auch im Hinblick auf Klassikerkunden taten die beiden einen Glücksgriff, denn in kaum einem anderen deutschen Landkreis sind so viele Old- und Youngtimer angemeldet wie im Kreis Starnberg.
Bevor die neue Werkstatt in Betrieb gehen konnte, galt es, möglichst schnell umzuziehen. Obwohl jeder Tag, an dem nicht gearbeitet wurde, finanzielle Einbußen bedeutete, mussten Dominik Schauer und Henning Kaschkat gut eineinhalb Monate Arbeit an Eigenleistungen in die neuen Räume investieren. Unterstützung bei den Arbeiten erhielten die beiden von Francesco Cira, Karosseriebauer und Ge-schäftspartner von Dominik Schauer.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
„Hätten wir keine Eigenleistung erbracht, wäre die neue Werkstatt nicht umsetzbar gewesen. Zeit und Kundschaft wären uns davongelaufen“, sagt Dominik Schauer. „Deshalb hatten wir uns einen Fixtermin gesetzt und Stammkunden in einer mehrtägigen Telefonaktion die neue Adresse persönlich mitgeteilt. Die Werbetrommel für die Starnberger Kundschaft rührten wir aber erst, als wir wirklich mit allen Arbeiten fertig waren, also gegen Ende des vergangenen Jahres. Nun folgt noch die Gestaltung unseres Internetauftritts.“
Die Ausweisung der Umweltzonen in deutschen Städten brachte nicht wenige auf Klassiker spezialisierte Betriebe in Existenznot. Vielen blieb nur die Flucht in die Außenbezirke. Doch ein solcher Schritt muss wohl überlegt sein. Die Investitionen und das Risiko, Stammkundschaft zu ver-lieren, sind enorm. Auch neue Kundschaft zu akquirieren, ist eine Herausforderung. Hat man die Zeit, neue Räumlichkeiten zu prüfen, ist man im Vorteil. Vor allem im Hinblick auf die Ausweisung weiterer oder die Erweiterung bestehender Umweltzonen ist es wichtig, den Zeitvorteil zu nutzen und sich rechtzeitig umzusehen.
Marcel Schoch
Leserservice
Zonenalarm
Derzeit – Stand 1. Januar 2010 – existieren in genau 40 deutschen Städten so genannte Umweltzonen. Mit Leipzig soll am 1. Januar 2011 Stadt Nr. 41 hinzukommen. Ebenfalls geplant, jedoch mit offenem Startdatum, sind Umweltzonen in Braunschweig, Darmstadt, Dresden, Gera, Jena, Kassel, Magdeburg, Nürnberg, Regensburg und im Ruhrgebiet („Großumweltzone“). Zudem drohen aufgrund tatsächlicher oder erwarteter Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte Umweltzonen in Arnsbach, Arzberg, Aschersleben, Bayreuth, Bernau, Brandenburg (Havel), Burgdorf, Burghausen, Castrop-Rauxel, Chemnitz, Cottbus, Eberswalde, Erfurt, Erwitte, Frankfurt (Oder), Görlitz, Halle (Saale), Hambach, Hamburg, Ingolstadt, Itzehoe, Krefeld, Lahn-Dill, Landshut, Lindau, Ludwigshafen, Lutherstadt Wittenberg, Mainz, Mülheim (Ruhr), Nauen, Neuruppin, Neuwied, Neuss, Passau, Potsdam, Rhein-Main, Schwandorf, Speyer, Trier, Warstein, Weiden, Weimar, Worms und Würzburg.
Quelle: www.umwelt-plakette.de
- Ausgabe 2/2010 Seite 54 (309.1 KB, PDF)