Kurzfassung
Onlineshops und spezialisierte Marktplätze buhlen um die Gunst der Werkstätten. Auch ehemals reine B2C-Shops holen gewerbliche Kunden mit speziellen Angeboten ab. Wolfgang Vogl beschreibt den Markt im Wandel.
Teileeinkauf in der Werkstatt und E-Commerce - man könnte meinen, das passt so nicht recht zusammen. Oder doch? Tatsächlich ist es so, dass der digitale B2B-Einkauf längst auch in den Kfz-Werkstätten Einzug hält. Wir haben nachgefragt bei einem Digitalisierungs-Experten, der es wissen muss. Wir wollten wissen, was das heutige Einkaufsverhalten in freien Werkstätten prägt, welche Ansprüche die Werkstatt als gefragter E-Commerce-Kunde hat und wie die Anbieter darauf reagieren.
asp: Herr Vogl, wie verändert sich das Einkaufsverhalten in Werkstätten?
Wolfgang Vogl: Die fortschreitende Digitalisierung stellt die Lieferanten-Beziehungen auf die Probe, so das Ergebnis der Studie "Der moderne B2B-Einkauf" des ECC Köln in Zusammenarbeit mit Adobe1. 60 Prozent der Befragten geben an, sich nicht mehr so an einzelne Lieferanten zu binden wie noch vor zwei Jahren. Damit nicht genug: 76 Prozent der Unternehmen werden zukünftig vermehrt bei weiteren Lieferanten einkaufen. Gleichzeitig begegnen wir mittlerweile einer neuen Generation von B2B-Käufern. Digital trainiert und anspruchsvoll - so lässt es sich am besten zusammenfassen. 65 Prozent der B2B-Entscheider sind laut einer aktuellen Erhebung der American Marketing Association zwischen 18 und 40 Jahre alt. Diese digital aufgewachsenen Millennials und Angehörigen der Generation Z kaufen regelmäßig ihren privaten Bedarf online ein und schätzen die angenehmen Seiten des E-Commerce. Sie erwarten auch beim Einkaufen im Unternehmenskontext deutlich mehr in puncto Produktqualität, digitales Einkaufserlebnis, Schnelligkeit, Flexibilität, Komfort und Service. Laut einer McKinsey-Studie beschleunigt sich der Trend hin zu Online-Kanälen im Kfz-Aftermarket bis 2030. Auch bei Werkstätten wird das Plattform-Business zunehmend beliebter. Die Studie bestätigt: Selbst Werkstätten kaufen die benötigten Kfz-Teile nicht mehr ausschließlich bei festen Partnern ein, sondern versuchen, über Onlineshops günstigere Preise bei gleichbleibender Qualität zu realisieren. Der Anteil von E-Tailing, also von Werkstätten, die Teile über Online-Marktplätze beziehen, soll sich ausgehend von fünf Prozent auf bis zu zwölf Prozent mehr als verdoppeln.
asp: Warum ist die Werkstatt als Kunde so interessant für E-Commerce-Anbieter?
W. Vogl: Wo sonst als in Werkstätten gibt es mehr Potenzial für permanenten, wiederkehrenden Teilebedarf. Schließlich müssen Bremsscheibe, Ölfilter & Co. irgendwo eingebaut werden. Mal abgesehen von einfach einzubauenden Lowtech-Teilen wie Glühbirnen, Wischerblättern oder Batterien und dem DIY-Business: Komplexere Wartungs- oder Reparaturarbeiten lässt der typische Endkunde in der Werkstatt verrichten, wo er in der Regel Teile und Service als Komplettpaket bezieht. Der Trend, dass die Werkstatt das Teil einbauen muss, verstärkt sich durch die wachsende Komplexität der Fahrzeuge, die unter anderem die Elektromobilität mit sich bringt. Auch das zunehmende Flottengeschäft für den Reparaturmarkt stärkt die Rolle der Werkstatt.
asp: Worauf legt die Werkstatt Wert beim digitalen Teileeinkauf?
W. Vogl: Ganz klar, die Werkstatt möchte natürlich den besten Preis erzielen, aber der allein macht es nicht. Ganz oben steht auch der Service, konkret die schnelle Lieferzeit. Die schnelle Lieferung weiß die Werkstatt vom Großhändler als ihrem gewohnten Lieferanten zu schätzen, um den Kunden schnell zu bedienen. Für planbare Arbeiten ist die unmittelbare Lieferung zwar nicht zwingend notwendig. Dennoch: Die Abwicklung muss schnell, direkt und unkompliziert laufen. Online-Plattformen sollten Funktionen wie Schnellbestellung oder regelmäßige Nachbestellungen für Bestandskunden unterstützen. Ganz oben auf der Wunschliste der Profi-Einkäufer stehen auch die Anzeige der aktuellen Verfügbarkeit, der Lieferzeiten und der "Produktfinder". Der Begriff steht für ein Set an Funktionen, um möglichst schnell das richtige Produkt zu identifizieren. Dies beginnt bei einer einfachen Navigation, einer intelligenten Onsite-Suche sowie intuitiver Benutzerführung. Ganz wichtig und essenziell für die Werkstatt ist die Suche über spezielle Produktmerkmale und Teilenummern wie die TecDoc-Teilenummer. Korrekte Angaben in Verwendungslisten und zu Fahrzeug-Kompatibilitäten sind für den Teileprofi in der Werkstatt unabdingbar. Derartige digitale Services sind neben verpflichtenden Produktvorteilen zunehmend entscheidende Auswahlkriterien für den Einkauf.
asp: Wie stellen sich der Markt und bestehende Anbieter auf die Anforderungen der Werkstätten in puncto E-Commerce ein?
W. Vogl: Einerseits engagieren sich traditionelle Hersteller oder Großhändler mit digitalen Plattformen am Markt, wie im Falle von Repxpert (Schaeffler) oder ZF Aftermarket. Meist handelt es sich hierbei um ein komplettes Plattform-Ökosystem mit Fokus auf ein One-Stop-Shopping-Erlebnis für alle Marktteilnehmer. Andererseits schicken sich innovative, reine Online-Player wie Autodoc oder Kfzteile24 an, die Werkstätten als Kunden zu gewinnen. Bei Kfzteile24, einem der größten deutschen Autoteile-Onlineshops, geht dies aus der Ansprache im Shop sehr klar hervor. Mit "businessplus - dein digitaler Autoteile-Großhandel" möchte der Berliner Autoteileanbieter offensichtlich den Nerv der Werkstätten treffen. Mit Botschaften wie "Belieferung direkt an die Hebebühne", "Faire, transparente Preise", "Einfache, schnelle Retouren" oder "Beratung durch Teileprofis" möchte man das Beste aus zwei Welten vereinen. Außerdem wird die Werkstatt bei Kfzteile24 in Shop-Rubriken wie "Technik, Wartung und Werkstatt" oder "Werkstattausrüstung" über den Teilebedarf hinaus fündig. Aktuell beliefert der Autoteileanbieter seine Businesskunden direkt in ausgewählten Gebieten, die permanent erweitert werden.
- Ausgabe 7-8/2023 Seite 024 (969.9 KB, PDF)
"Wir begegnen mittlerweile einer neuen Generation von B2B-Käufern."
Wolfgang Vogl, Speed4Trade
asp: Welche Rolle spielen Online-Marktplätze wie Ebay und Amazon heute für den Teileeinkauf in Werkstätten?
W. Vogl: Werkstätten können bei den bekannten Online-Marktplätzen Ebay und Amazon eine große Auswahl an Teilen finden. Beide bieten ein Business-Modell, welches unterschiedlich funktional auf die Bedürfnisse von Businesskunden eingeht. Die Verkäuferlandschaft beider Plattformen ist in sich sehr unterschiedlich aufgestellt, mit Blick auf die wichtigen Kaufkriterien wie Qualität, Rückgabe, Lieferzeit, Teile-Identifikation und Preisvergleich. Hier gilt es als Werkstatt, eine für sich individuell passende Auswahl zu treffen. Demgegenüber stechen spezialisierte B2B-Marktplätze wie Gettygo oder Tyre24 mit speziellen Werkstattfunktionen hervor. Dazu zählen etwa Sammelrechnung, der Wiederverkauf von Überbeständen, Bestpreisgarantie oder auch Versandpriorisierung. Werkstätten profitieren davon, weil es deren Prozesse unmittelbar vereinfacht und beschleunigt.
asp: Auf welche Hürden stoßen Werkstätten beim Online-Teileeinkauf und wie lautet Ihre Empfehlung für Werkstätten?
W. Vogl: Eine Hürde stellt je nach Shop bzw. Plattform mitunter die eindeutige Teile-Identifikation dar. Damit Werkstätten Fehlbestellungen bzw. Teilerückläufer vermeiden, müssen Online-Plattformen die komplexe Datenstruktur und Fahrzeugzuordnungs-Systematik von Teilen genauestens abbilden. Dies erfolgt bestenfalls anhand einer Eingabemaske für Fahrzeughersteller, -Modell und -Typ bzw. Herstellerschlüsselnummer (HSN) und Typschlüsselnummer (TSN). Dass die Teile-Identifikation von Fall zu Fall jedoch noch komplexer ist, zeigt das Beispiel von Fahrzeugmodellen der VAG-Gruppe, sprich Volkswagen, Audi, Seat und Skoda. Hier werden über die Hersteller-, Modell- und Typ-Zuordnung hinaus noch sogenannte PR-Nummern erforderlich, die komplexe Ausstattungsvarianten abbilden und erst dadurch zum eindeutig passenden Ersatzteil führen. Außerdem dürften sich Werkstätten mitunter angesichts der Vielzahl an Plattformen und deren individueller Ausprägung im Tagesgeschäft überfordert sehen. Hier gilt: "Weniger ist mehr." Werkstätten sollten sich auf ein paar wenige Online-Plattformen stützen, die zusammen das beste Bündel an großer Teileauswahl, günstigen Preisen, hoher Teilequalität und schneller Verfügbarkeit bieten.