Kurzfassung
Beim Kauf eines Gebrauchtwagens muss man den Angaben des Verkäufers vertrauen. Warum speziell deutsche Käufer hier eine besonders schlechte Position haben, erklärt Carfax-Geschäftsführer Frank Brüggink.
Wer im europäischen Ausland regelmäßig Gebraucht-Fahrzeuge kauft, wird auf unsere Dienstleistungen bereits gestoßen sein", sagt Frank Brüggink, Gründer und Geschäftsführer der Carfax Europe GmbH mit Sitz in München. "Denn als eines von wenigen Unternehmen in Europa können wir seit 2007 Fahrzeughistorien liefern und sie Käufern und Verkäufern zur Verfügung stellen." Dass die Informationen zur Fahrzeuggeschichte gern genutzt werden, zeigt sich bereits daran, dass das Unternehmen mittlerweile an sechs europäischen Standorten mit rund 100 Mitarbeitern ständig daran arbeitet, Fahrzeuginformationen aus 22 Ländern zu sammeln. "Unser Tool besteht aus einer internationalen Datenbank mit aktuell über 30 Milliarden historischen Ereignissen zu Fahrzeugen aus 20 europäischen Ländern, den USA und Kanada", so Brüggink. "Und sie wird täglich mit neuen Informationen angereichert." Der Schlüssel zur Datenbank von Carfax ist die 17-stellige Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN). Hinter ihr können sich, wie Brüggink es formuliert, "mitunter wahre Überraschungen verstecken." Aus diesem Grund empfehlen die Experten von Carfax, dass die Gebrauchtwagenhistorie eines Fahrzeugs möglichst vor dem Kauf anhand einer FIN-Abfrage gecheckt wird.
Viele Quellen
Um an die Informationen hinter der FIN zu kommen, ist Carfax vor allem im Ausland strategische Partnerschaften mit Zulassungsämtern, Strafverfolgungsbehörden, Ministerien, Versicherungsunternehmen, Banken, Prüfgesellschaften und zahlreichen führenden Kfz-Unternehmen (Werkstätten, Abschleppdienste u.a.) eingegangen. Sie bieten Zugang zu exklusiven Informationen wie Unfalldaten, Wartungsund Reparaturmeldungen, Kilometerstände, die Anzahl der Vorbesitzer, Zulassungen, Sondernutzungen (z. B. als Taxi) und vieles mehr.
"Den Datenschutz nehmen wir dabei sehr ernst", bestätigt Brüggink. "Wir beziehen unsere Informationen keineswegs auf Privatpersonen, sondern lediglich auf die Fahrzeuge." Und genau dies ist für Carfax zurzeit das Problem, denn der deutsche Datenschutz verhindert es, das Geschäftsmodell bundesweit weiter ausbauen zu können. Hier gelten § 38 ff. sowie § 45 des deutschen Straßenverkehrsgesetzes (StVG), in denen die FIN zu personenbezogenen Daten erklärt werden. Somit hat Carfax keinen Zugang zu historischen Ereignissen eines Fahrzeugs, das noch nie Deutschland verlassen hat. "In manchen Fällen wird unser Schutzmechanismus dadurch leider ausgehebelt", bedauert Brüggink. "Denn ohne Zugang zu Informationen können wir EU-Bürger, aber vor allem deutsche Bürger nicht vor Betrug beim Gebrauchtwagenkauf schützen." Frank Brüggink wird daher ab Herbst dieses Jahres wieder versuchen, die Bundesregierung zu einer Gesetzesänderung bzgl. des Datenschutzes von Fahrzeugdaten zu bewegen.
Gesetzesänderung
Hier muss man fragen, welche Vorteile eine Gesetzesänderung für den Verbraucher in Deutschland haben könnte. Frank Brüggink beantwortet dies Frage gerne mit dem Beispiel der Fahrzeuge, die ursprünglich aus den USA kommen. "Gut 81,5 Prozent der Importfahrzeuge, die nach Osteuropa gehen, haben einen sogenannten 'Salvage Title'. Das heißt, es handelt sich um einen von den US-Behörden stillgelegten Unfallwagen, der mindestens einen Schaden von 75 bis 90 Prozent aufweist", so Brüggink. "In Deutschland nennen wir das Totalschaden." Vor allem Litauen und Georgien sind seit geraumer Zeit das Paradies für diese US-Importe. Die US-Fahrzeuge werden dort optisch aufgepeppt und als "Schnäppchen" über Autobörsen oder via Händler Richtung Westeuropa weiterverkauft. Hier in Deutschland weiß dann niemand um die brisante Vergangenheit dieser Fahrzeuge, was ein erhebliches Sicherheitsrisiko sein kann.
Aber auch grenzüberschreitender Betrug hier in Europa ist ein großes Problem; hier insbesondere mit tachomanipulierten Fahrzeugen. Brüggink: "Handelt es sich um ein Fahrzeug, das bislang nur in Deutschland zugelassen war, kann das aktuell noch nicht über Carfax kontrolliert werden, da Fahrzeug-Identifizierungsnummern in der Bundesrepublik unter einen besonders strengen, wir meinen zu strengen, Datenschutz fällt." Das bedeutet zurzeit, dass bei Kfz, die aus den USA und Europa kommen, zwar bekannt ist, dass ggf. ein Totalschaden vorliegt, aber der deutsche Käufer dies nicht erfahren kann, wenn das Fahrzeug hier zum ersten Mal zugelassen wird.
Prävention
Doch das Problem mit den fehlenden Daten in Deutschland betrifft bisweilen auch noch andere Bereiche. Brüggink berichtet hier von Geldwäsche, Tachomanipulation, FIN-Cloning, Kfz-Verschiebung oder Steuerbetrug. "Vor allem Versicherer, Strafverfolgungs- und Steuer-Behörden sowie Banken sollten hier in Deutschland eigentlich ein großes Interesse an unseren Dienstleistungen haben", ist Brüggink überzeugt. "Hätten wir auf die FIN-Daten in Deutschland den gleichen Zugriff wie zum Beispiel in den Niederlanden oder Schweden, könnten wir maßgeblich dazu beitragen, hier in Deutschland den genannten kriminellen Machenschaften die Grundlage zu entziehen." Auch der Gebrauchtwagenhandel würde hiervon spürbar profitieren, wie die Kooperation von Carfax mit dem niederländischen Online-Marktplatz "Autotrack" und der schwedischen Verkaufsbörse "Blocket" zeigt.
Auf Autotrack.nl erhält man zu jedem Auto einen kostenlosen Carfax-Lebenslauf. Auf Blocket.se lassen sich im Suchfeld Auto-Inserate herausfiltern, die eine kostenlose Carfax anbieten. Das Vertrauen der Käufer in den Verkäufer wird hierdurch deutlich verstärkt. Letztlich profitieren aber alle Verkehrsteilnehmer von der Arbeit von Carfax, denn rollende "Zeitbomben" können so bereits aussortiert werden, bevor sie überhaupt auf Europas Straßen kommen.
- Ausgabe 09/2021 S.40 (140.1 KB, PDF)
Datenschutz ist im digitalen Zeitalter unentbehrlich. Nicht zuletzt die DSGVO hat die Verbraucherrechte gestärkt und europaweit für einheitliche Regeln gesorgt. Doch es gibt Branchen, in denen öffnet ausgerechnet der Datenschutz Betrügereien Tür und Tor. Und das in einem Markt, dem nicht das beste Image anhaftet. Ich spreche vom deutschen Gebrauchtwagenmarkt. Die Polizei schätzt, dass bei jedem dritten Gebrauchtwagen der Tachostand manipuliert wird. 2020 waren demnach rund 2,3 Millionen Fahrzeuge betroffen, die sich im Schnitt für 3.000 Euro mehr verkaufen lassen. Eine Lösung für dieses Dilemma gäbe es: Gebrauchtwagenhistorien. Fahrgestellnummer (FIN) online eingeben, historische Einträge zum Fahrzeug prüfen und dann Kaufentscheidung treffen. EU-weit bereits seit Jahren etabliert, doch in Deutschland macht das Straßenverkehrsgesetz Anbietern einen Strich durch die Rechnung mit der Begründung, die FIN sei ein personenbezogenes Datum. Käufer - gewerblich wie privat - haben damit keine Chance, sich vor dem Kauf unabhängige Informationen über ein Fahrzeug einzuholen. Sie müssen sich blind auf die Angaben im Inserat verlassen. Sie verlieren jedes Jahr Geld und fahren Autos, die oft ein Sicherheitsrisiko darstellen. Es muss sich also dringend etwas ändern.Frank Brüggink, Geschäftsführer der Carfax Europe GmbH