GVA-Jahreskongress 2013
Gute Stimmung herrschte bei der traditionellen Jahrestagung des Gesamtverbands Autoteile-Handel (GVA). Verbandspräsident Hartmut Röhl begrüßte im Maritim-Hotel in Hannover über 250 Gäste aus Teilehandel, -industrie, Verbänden und Politik.
Der GVA-Präsident zeigte sich in seinem Rück- und Ausblick für das laufende Geschäftsjahr positiv erfreut. 2013 habe im ersten Quartal sehr schleppend und mit deutlichen Einbußen gegenüber Vorjahr begonnen, allerdings habe sich der Aufwärtstrend im zweiten Quartal des Geschäftsjahres im dritten Quartal noch einmal gesteigert.
Unter dem Strich dürften freie und Teilegroßhändler der Industrie mit einem leichten Umsatzplus gegenüber dem Vorjahr abschließen, so der Präsident. Ein Faktor für die positive Entwicklung ist der strenge Winter, der im ersten Quartal noch die Bilanz verhagelt hatte. Folgeschäden durch Split und Streumittel sorgten für ein Wachstum vor allem bei Komponenten aus dem Bereich Fahrwerk, Bremse, Stoßdämpfer. Röhl macht dafür auch den zum Teil maroden Zustand des deutschen Straßennetzes verantwortlich, denn gerade bei Fahrwerk- und Lenkungsteilen sei ein deutliches Wachstum zu verzeichnen. Und natürlich spielt dem freien Markt auch die Tatsache in die Karten, dass der Fahrzeugbestand im Schnitt mindestens 8,5 Jahre alt ist.
Positiv hat sich auch das Geschäft der GVA-Mitglieder im Bereich der Werkstattausrüstung entwickelt. Investitionstreiber waren hier Geräte für den Reifenservice, Achsvermessungssysteme, Hebebühnen, erstaunlicherweise aber auch Klimaservicegeräte. „Nachdem das Geschäft wegen der Diskussion um das neue Kältemittel R-1234yf in den ersten vier Monaten beinahe zum Erliegen gekommen war, haben viele Werkstätten vor dem Sommer in neue Geräte, allerdings überwiegend für den Service an Klimaanlagen mit dem alten Mittel R-134a, investiert“, sagte Hartmut Röhl.
Politisch drängt der Verband in Brüssel derzeit vor allem auf die GVO-konforme Freigabe der technischen Informationen durch die Automobilhersteller. Dazu prüft man u.a., ob eine Beschwerde in Brüssel Aussicht auf Erfolg hätte. Hintergrund: Die irische Zulassungsbehörde hat nach Meinung des GVA die Homologation für den neuen BMW 1er durchgeführt, ohne wie in Typgenehmigungsverfahren gefordert, ausreichend zu prüfen, ob der Hersteller der Verpflichtung zur Freigabe aller technischer Reparatur- und Serviceinformationen nachgekommen ist.
Designschutz-Streit in Holland
Mit Sorge betrachtet man die aktuellen Entwicklungen beim Thema Designschutz. Trotz anderslautender Beteuerungen ist Mercedes-Benz gegen ein GVA-Mitglied vorgegangen, das Scheinwerfer eines Zulieferers für Mercedes-Benz-Fahrzeuge auf dem freien Markt verkauft hatte. Der Automobilhersteller begründete die Maßnahme mit der Verletzung seines auf den Schweinwerfer angemeldeten Designschutzrechts. Dies obwohl die deutschen Automobilhersteller noch vor einigen Jahren in einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ gegenüber BundesJustiz- und Wirtschaftsministerium schriftlich erklärt hatten, eingetragene Designschutzrechte auf Ersatzteile nicht dazu missbrauchen zu wollen, den freien Wettbewerb im Reparaturmarkt zu behindern. Das Thema ließe sich einfach lösen, wenn die neue deutsche Bundesregierung endlich ihren Widerstand gegen die Reparaturklausel in der Designschutzrichtlinie aufgeben würde. Doch dazu wird es auch 2013 nicht mehr kommen. Hartmut Röhl gab zudem einen kurzen Einblick in die künftigen Strategien des Verbands. Nachdem immer mehr Teilehändler und Kooperationen den Weg der Internationalisierung gehen, nutzt auch der Verband seine Beziehungen zu Verbänden und den Vereinigten Staaten, um beispielsweise in der politischen Auseinandersetzung mit Automobilherstellern neue Argumente für den freien Markt zu sammeln. Jüngstes Beispiel ist auch hier das Thema Zugang zu technischen Informationen. „Während man in den USA den kompletten Satz für Diagnosedaten eines deutschen Premium-Herstellers für 15.000 Dollar Jahresgebühr nutzen kann, verlangt der gleiche Hersteller für diese Daten in Europa rund 60.000 Euro pro Jahr“, schilderte Röhl. Herausgefunden hat man solche und andere Ungereimtheiten durch Gespräche mit dem amerikanischen Schwesterverband American Automotive Industry Association AAIA. Der GVA, traditionell in Europa sehr gut vernetzt, will seine internationalen Kontakte weiter ausbauen, um künftig auf politischer Ebene besser gewappnet zu sein.
Wie immer beim GVA, schloss sich an die Jahrestagung ein Kongress an, der sich mit interessanten Herausforderungen für Teilehandel, Teileindustrie und Werkstätten in den nächsten Jahren auseinandersetzte.
Europa und Internationalisierung waren dabei auch Themen von Unternehmensberater Helmut Wolk. Der Inhaber der wolk aftersales experts GmbH beschäftigte sich in seinem Vortrag für den GVA-Kongress mit dem Titel „Der deutsche Aftermarket – Insel der Glücksseligen?“ mit dem europäischen Teilemarkt. Grundlage seines Vortrags war eine große Studie, die er gemeinsam mit seinem Team zu den Strukturen im europäischen Ersatzteilmarkt erstellt hat. Wolk verdeutlichte den anwesenden Vertretern aus Teilehandel und Teileindustrie, dass sich für sie der Blick über die Grenzen durchaus lohnen könne. Nicht um dort neue Akquisitionen zu tätigen, sondern um ein waches Auge auf den europäischen Wettbewerb zu haben. Der deutsche Ersatzteilmarkt sei in Europa mit Abstand der größte, was ihn interessant für Investoren und ausländische Teilehandelsgruppen mache. Von den insgesamt rund 115 Mrd. Euro Aftermarkt Volumen für Pkw-Komponenten entfalle mit über 20 Mrd. fast ein Viertel allein auf den deutschen Markt. Und im Vergleich zu anderen europäischen Märkten erziele man in Deutschland noch hohe Roherträge. Zudem bestehe aufgrund des hohen Fahrzeugdurchschnittsalters von knapp unter neun Jahren und der wachsenden Zahl von Fahrzeugen mit alternativen Antriebstechnologien ein hoher Veränderungsbedarf. Wolk geht außerdem davon aus, dass neue Vertriebswege im Internet die Konkurrenzsituation auch im deutschen Aftermarkt in den nächsten Jahren weiter verschärfen könnten. „Begegnen Sie dem Wettbewerbsdruck durch Innovationen und neue Vertriebsstrategien“, so sein abschließendes Fazit.
Neue Vermarktungswege über Internet waren dann auch das Thema von Dr. Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung in Köln. Hudetz zeigte auf, wie der wachsende Ersatzteilvertrieb über Internet auch das Geschäft im Kfz-Aftermarkt beeinflusst und verändert. Er appellierte an die Zuhörer, nicht den Anschluss zu verlieren und sich intensiv mit den Chancen und Risiken auseinanderzusetzen, die der Online-Handel biete. Allerdings warnte er vor halbherzigen Lösungen. Lieber gar keinen Online-Shop als einen schlecht gemachten Online-Shop, lautet eine seiner Botschaften.
Zur Vorsicht mahnte er im Umgang mit Riesen wie Amazon. 15 Jahre sei das Unternehmen jetzt alt und mache mittlerweile einen Jahresumsatz von über 62 Mrd. Euro, und das teilweise auch auf Kosten seiner eigenen Händler. Weil der Onlinehändler alle möglichen Daten und Informationen über seine Käufer und Verkäufer sammle, könne er sehr genau und schnell auswerten, welche Produkte sich gut verkaufen und welche Geschäfte sich lohnen. „Sie dürfen sicher sein, wenn ein Händler mit eigenem Shop auf Amazon/ Marketplace Erfolg hat, dann dauert es in der Regel nicht lang, bis der Online-Riese das Geschäft mit den erfolgreichen Produkten selbst macht.“ Trotz solcher Wagnisse hat gerade der freie Teilehandel aus Sicht von Hudetz einen großen Trumpf in der Hand: den stationären Handel und den direkten Kontakt zu den Kunden. Als Beispiel führte er die amerikanische Kette Wal-Mart an, die mittlerweile weltweit der zweitgrößte Onlinehändler sei. „Die Kunden kennen und vertrauen der Marke Wal-Mart, weil sie Qualität und Service aus dem stationären Handel kennen.“ Dieses Vertrauen in die Marke übertrage der Kunde auch auf das Internetgeschäft.
Zuvor hatte Stefan Becker, Leiter Finanz- und Rechnungswesen beim Aufliegerhersteller Schmitz CargoBull, erläutert, wie sein Unternehmen trotz Umsatzeinbußen von zeitweise mehr als 60 Prozent relativ unbeschadet durch die Eurokrise gekommen sei. Den Schlussvortrag des GVA-Kongresses 2013 hielt Professor Dr. Guido Quelle von der Mandat Managementberatung GmbH. Sein Thema: Strategien und Konzepte, die Unternehmen ein profitables Wachstum ermöglichen sollen. Dabei ging der Berater auch auf die Wichtigkeit einer motivierenden Unternehmensführung ein, die er in vielen Unternehmen heute vermisse. „Wer sich nur auf die G+V-Rechnung seines Unternehmens konzentriert, der schaut ständig in den Rückspiegel. Doch in vielen Unternehmen ist der Rückspiegel heute oft größer als die Frontscheibe“, so Quelle. Und wer wachsen wolle, müsse mit seinem Unternehmen klar positioniert sein und nicht nur über Gewinne, sondern vor allem über Inhalte reden. „Wachstum kommt von innen. Aber wer nicht weiß, wofür sein Unternehmen steht, kann auch kein Wachstum von innen generieren“, so ein zentraler Leitsatz des Beraters. fs
- Ausgabe 11/2013 Seite 62 (5.3 MB, PDF)