Kurzfassung
Einige Partner des Werkstattkonzeptes Mottoo haben die Namensrechte vom insolventen Konzeptgeber erworben und machen als Genossenschaft auf eigene Faust weiter. Jetzt will man bundesweit weitere Partner überzeugen.
asp: Die Insolvenz von Hess hat auch das Werkstattsystem Motoo voll getroffen - wie geht es jetzt weiter?
Jan Knoll: Das endgültige Insolvenzverfahren begann am 1. Mai. Einen Tag danach hat sich der Insolvenzverwalter in Köln vor die gesamte Belegschaft gestellt und den Mitarbeitern mitgeteilt, dass sie mit sofortiger Wirkung freigestellt sind. Das wurde zeitgleich digital in alle Niederlassungen übertragen. Bereits am 4. Mai haben sich die ersten Motoo-Partner bei mir gemeldet. Es wurde klar, dass viele Partner das Ende des Werkstattsystems nicht hinnehmen wollten. Es könne nicht sein, dass das Konzept so einfach stirbt, da steckt zu viel Herzblut drin - so lautete der Tenor.
asp: Wer hatte die Idee, eine Genossenschaft zu gründen?
J. Knoll: Wir haben uns dann zeitnah im Rahmen unseres Beirates/Optiteams getroffen, der sich mehrmals im Jahr zusammengesetzt hat, um Ideen auszutauschen und um Kontakt zur Basis zu halten. Bei dem Treffen der damals anwesenden 15 Partner in der Eifel wurde schnell klar, dass es irgendwie weitergehen soll. Einer der Partner hatte sich im Vorfeld schon über die Möglichkeit erkundigt, eine Genossenschaft zu gründen. Innerhalb weniger Stunden war klar, dass wir diesen Weg gehen wollen. Der Bundesgenossenschaftsverband hat uns anschließend bestätigt, dass die Rechtsform der Genossenschaft sogar eine sehr gute Organisationsform für unser Werkstattsystem sei. Also haben wir die rechtlichen Grundlagen geschaffen, eine Satzung und einen Fünf-Jahres-Geschäftsplan erstellt. Die offizielle Gründung erfolgte dann bereits am 5. Juli. Die Gründer waren allesamt ehemalige Motoo- Werkstattbetriebe.
asp: Warum eine Genossenschaft?
J. Knoll: Die Genossenschaft bedeutet für die Unternehmen nur ein minimales Risiko, weil keines der Mitglieder mit mehr haftet als seinem Genossenschaftsanteil in Höhe von 450 Euro. Im Prinzip kann jeder einen Genossenschaftsanteil erwerben und damit ein Stimmrecht in der Genossenschaftsversammlung und die volle Möglichkeit der Einbringung. Zum Vergleich: Bei der GmbH ist man schnell mit mehreren 10.000 Euro in der Haftung. Als Gremien haben wir einen Vorstand, einen Aufsichtsrat und als Basis die Mitgliederversammlung. Alles findet durch Wahlen statt, es gibt keine Einflüsse von außen. Das ist auch unser USP: Wir sind das erste Werkstattsystem, das in Eigenhand ist und nicht einem oder mehreren Großhändlern gehört.
asp: Wo kommen jetzt die Ersatzteile her?
J. Knoll: Wir versuchen, ein Werkstattkonzept anzubieten, das völlig losgelöst vom Teilebezug ist. Dazu muss man wissen: Im Vorfeld der Insolvenz hatten wir über viele Monate hinweg eine extrem schlechte Verfügbarkeit von Teilen, vieles war gar nicht verfügbar oder nur zu nicht wettbewerbsfähigen Preisen. Alle Werkstätten waren daher gezwungen, andere Einkaufskanäle aufzubauen, es blieb gar nichts anderes übrig, als fremd zu kaufen. Der Umsatz bei Hess ist gleichzeitig immer weiter zurückgegangen. Somit hatte jede Werkstatt schon einen Zweit- oder Drittlieferanten. Als dann Anfang Mai nichts mehr von Hess kam, haben die Partner den Schalter einfach umgelegt. Die Teilebelieferung haben die Werkstätten also relativ schnell selbst organisiert, das stellt sich gar nicht mehr als Aufgabe für uns.
asp: Den Namen Motoo dürfen Sie aber weiterhin nutzen?
J. Knoll: Einer der ersten Schritte war der Kauf der europäischen Marken- und Logo-Rechte vom Insolvenzverwalter. Wir waren glücklicherweise die Ersten, die danach gefragt haben. Einige Tage später haben sich dann die führenden Großhändler im europäischen Automotive Aftermarket dafür interessiert! Wenn es in einen Bieterwettbewerb gegangen wäre, hätten wir sicher wenig Chancen gehabt.Wir haben aber damit jetzt auch die Internetdomain www.motoo.de, das ist für die Vermarktung sehr wichtig. Die Website gibt es schon seit 17 Jahren und sie ist auch bekannt. Die Sicherheit, dass unsere Mitglieder den Namen und die Signalisation weiterhin verwenden dürfen, war für uns ganz fundamental. Ohne die Markenrechte wäre ein Neustart wahrscheinlich nicht geglückt.
- Ausgabe 10/2022 S.48 (96.9 KB, PDF)
asp: Wie viele Partner sind mit dabei?
J. Knoll: Wir haben aktuell 30 Mitglieder, weitere 30 Werkstätten haben bereits zugesagt. Auf der Lieferantenseite sprechen wir mit jedem über eine mögliche Kooperation. Da gibt es natürlich regionale Unterschiede. Aber das Interesse gegenüber unserer Genossenschaft ist riesengroß.
asp: Hat nicht der Wettbewerb viele Betriebe in andere Systeme geholt?
J. Knoll: Ja, der Wettbewerb im Teilegroßhandel spricht die Betriebe natürlich offensiv an. Zugesichert wurde beispielsweise der kostenlose Wechsel der Signalisation, Erlass der Systemgebühren sowie weitere Incentives. Das ist aber nicht ungewöhnlich im Wettbewerb, besonders nach Übernahmen und Fusionen.
asp: Was zeichnet Motoo als Konzept aus?
J. Knoll: Man kann sicher sagen, dass wir schon immer eines der fortschrittlichsten und anspruchvollsten Systeme waren. Unsere Partner zeichnet eine hohe Loyalität zum Konzept aus; wir haben auch bereits zu Hess-Zeiten mit den Betrieben immer auf Augenhöhe kommuniziert, jeder konnte sich einbringen und wurde auch gehört. Das ist charakteristisch für die Motoo-Familie.
asp: Welches Katalogsystem nutzen Sie jetzt?
J. Knoll: Bei Motoo haben wir in der Vergangenheit den Spektrum-GT-Katalog in Kooperation mit der DVSE genutzt. Zusätzlich hatte jeder Partner technische Daten von Alldata und Haynes Pro. Jeder Partner konnte zudem ein Warenwirtschaftssystem beziehen, entweder das "Kfz WIN" von der DVSE/Topmotive oder "Effizienz" von Werbas. Da es sich hier um Drittpartner handelt, können deren Programme weiterhin auf eigene Rechnung genutzt werden - bis Jahrsende sogar zum gleichen Preis. Wir stehen jetzt als Genossenschaft mit verschiedenen Anbietern in Kontakt, um künftig einen eigenen Teilekatalog und zusätzliche Features auszurollen. Wir als Genossenschaft schließen Rahmenabkommen mit Lieferanten, Großhändlern und Dienstleistern. Auf diese Weise bekommen wir auch Bonuszahlungen, die wir als Dividende an die Mitglieder der Genossenschaft auszahlen können. Die jährliche Gewinnausschüttung kann für die einzelne Werkstatt durchaus interessanter sein als ein individueller Umsatzbonus.
asp: Wie viele Mitglieder brauchen Sie, um überlebensfähig zu sein?
J. Knoll: Wir mussten, wie gesagt, für die Gründung der Genossenschaft einen Businessplan für fünf Jahre erstellen. Unser Ziel ist es, bis Jahresende 80 Mitglieder zu gewinnen. Kostendeckend sind wir allerdings schon ab 50 Partnern. Mittelfristig sollen es um die 300 Partner sein - also ebenso viele, wie wir in der Vergangenheit waren. Da wir künftig überregional arbeiten können, ist das eine realistische Größe. Die ausgeprägte Regionalität bei Hess war die größte Schwierigkeit in den letzten Jahren für mich: Interessenten aus München konnten beispielsweise nicht ins System, da Hess nur in Rheinland-Pfalz und NRW Teile geliefert hat.
asp: Wie überzeugen Sie neue Partner?
J. Knoll: Sicher punkten wir mit der Organisationsform der Genossenschaft und dem damit verbundenen vergleichsweise niedrigen unternehmerischen Risiko. Das sehe ich als Pluspunkt. Und auf der Einkaufsseite können wir wirklich etwas erreichen als Genossenschaft. Mittlerweile sind viele Player in der Branche auf uns aufmerksam geworden und suchen den Dialog mit uns. Namhafte Großhändler laden uns ein, denn sie möchten natürlich Teile verkaufen. Wir wollen uns allerdings nicht in neue Abhängigkeiten begeben. Aber über einzelne Leistungsbausteine kann man verhandeln. So wäre es denkbar, dass wir eine technische Hotline bei einem Kooperationspartner zukaufen. Das könnten wir aus eigener Kraft in dieser Anfangsphase kaum allein auf die Beine stellen.
Vielen Dank für das Gespräch!