Krisenhafte Zeiten bedeuten nicht unbedingt Krise im Servicegeschäft – ganz im Gegenteil: Die Werkstattauslastung ist derzeit auf hohem Niveau, die Nachfrage nach Reparaturen ist in den Kfz-Werkstätten aufgrund der andauernden Knappheit im Neuwagen- und Gebrauchtwagengeschäft höher als gewohnt und Preissteigerungen konnten an den Kunden - zumindest in Maßen - erfolgreich weitergegeben werden. Das war eine wichtige Erkenntnis beim AUTOHAUS/asp AUTO SERVICE PRAXIS-Servicegipfel powered by Würth Group der diesmal im brandneuen Innovationszentrum der Würth Gruppe in Künzelsau stattfand.
Die Moderation übernahmen Dietmar Winkler, Chefredakteur asp AUTO SERVICE PRAXIS, und Ralph M. Meunzel, Chefredakteur AUTOHAUS. Der Leiter des nationalen Keyaccountmanagements Auto bei Würth Deutschland, Jörg Weichsel, begrüßte die hochkarätigen Gäste der Automobilwirtschaft.
Von schlechter Stimmung war bei den Aftersales-Experten der Marken Kia, Mazda, MG, Mitsubishi, Nissan, Volkswagen, Seat, Skoda, SsangYong, Toyota und Volkswagen nichts zu spüren. Es wird repariert wie schon lange nicht mehr. Weil Neufahrzeuge nur mit langen Lieferzeiten zu kriegen sind, werden auch Fahrzeuge repariert, die man noch vor zwei Jahren nicht mehr unbedingt instandgesetzt hätte. Die Segmente 2 und 3 werden damit zunehmend interessant für den markengebundenen Service. Dass sich der unabhängige Reparaturmarkt diesen Markt sichert, davor hat man offenbar keine Angst. "Der IAM wird es nicht schaffen, den Markenbetrieben die Segmente 2 und 3 wegzunehmen", sagte ein Teilnehmer selbstbewusst.
Der Aftersales steht vor großen Veränderungen
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die gesamte Automobilbranche befindet sich bereits mitten in einem historischen Umbruchprozess durch die Umstellung vom Verbrennungsmotor auf elektrische Antriebstechnologien. Die Auswirkungen dieses Technologiewandels werden jetzt erst langsam im Service sichtbar und außer Zweifel steht, dass am batterieelektrischen Auto im Service mit Ersatzteilen kaum noch etwas zu verdienen ist. Der Service als verlässliche Ertragsquelle die bisweilen Schwächen im Handel ausgleicht – diese Zeiten dürften bald schon vorbei sein. Alle warten auf den Kipppunkt, wann er erreicht ist, wagen die wenigsten vorauszusagen. Eigentlich müssten die Weichen jetzt für elektrische Zukunft gestellt werden, aber angesichts des (noch) fehlenden Leidensdrucks im Service sind Veränderungen nur schwer durchzusetzen. Sich auf dem im Markt befindlichen Bestand an Verbrennungsmotoren auszuruhen und darauf zu setzen, dass diese noch bis in die 2030er Jahre zur Reparatur kommen – das reicht den meisten Teilnehmern nicht mehr als Beruhigungspille.
Wie der neue Service aussehen kann, darüber gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen in den Köpfen der Servicechefs: Ein wichtiger Stellhebel - hierüber herrscht weitgehend Einigkeit - liegt in der Vereinfachung der Prozesse im Service, von der Terminvereinbarung bis zur Rechnungsstellung. Online-Terminvereinbarung, transparente Preise möglichst schon im Vorfeld, nachvollziehbare Rechnungsstellung - es sind viele kleine Stellhebel, die den Service der Zukunft für Kunden attraktiv machen. Eine besondere Herausforderung dabei: man muss sich jetzt um die Generationen kümmern, die es gewohnt sind, ihr Leben über das Smartphone zu organisieren. Anders gesagt: Wo die reflexartige Reaktion bei Problemen der Griff zu passenden App ist, kann der Reparaturmarkt nicht am Rande stehen.
Gewachsene Systeme bremsen die Digitalisierung
Hier leiden die etablierten Traditionsmarken, die sich jahrzehntelang auf ihr Handels- und Servicenetz verlassen haben, an der Last gewachsener Strukturen. Diese erweisen sich jetzt als Ballast: Die Vielzahl unterschiedlicher Dealer Management Systeme in den Netzen wird zum Hemmschuh bei der Einführung einheitlicher digitaler Prozesse. Hier haben neue Marktteilnehmer, die den Service ganz neu denken und auf der grünen Wiese neu konzipieren, einen echten Vorteil. Andererseits müssen die neuen Marken aus Fernost, die mit mehr oder weniger konkurrenzfähigen Fahrzeugen den europäischen Markt erobern wollen, erst beweisen, dass ihre Kalkulation aufgeht. Da sie eben nicht auf ein funktionierendes Händler- und Servicenetz zugreifen können, müssen sie diese Leistungen zukaufen. Das Augenmerk der neuen Marktteilnehmer liege klar auf dem Vertrieb von Neufahrzeugen - der Service könnte sich daher noch als Bumerang erweisen.
Lieferkettenprobleme nur punktuell
Eine überraschende Erkenntnis: Die derzeit oft zitierten Lieferkettenprobleme treffen den Service offenbar nur punktuell, ein strukturelles Ersatzteileproblem wollte keiner der Teilnehmer beim Servicegipfel erkennen. Stockende Lieferketten, fehlende Container und horrende Transportpreise treffen vereinzelte Teilegruppen aus Fernost, die dann plötzlich nicht verfügbar seien. Der schon länger beklagte Halbleitermangel treffe vornehmlich elektronische Bauteile, also beispielsweise Steuergeräte.
Auch die Folgen des Ukrainekrieges auf die Teileversorgung sind begrenzt: Dort, wo es zu Problemen kam – Stichwort Kabelbäume – habe die Industrie sehr schnell alternative Beschaffungswege aufgetan. Eine grundsätzliche Beeinträchtigung im Service könne man insgesamt nicht feststellen. Um dem Mangel entgegenzuwirken gehen aber in manchen Serviceorganisationen auch Aufrufe zur Einlagerung bestimmter Teile an die Betriebe raus. Langfristig hält mancher sogar einen grundsätzlichen Strategiewechsel im Sourcing für angebracht, um die starke Abhängigkeit von Teilelieferungen aus Fernost zu verringern.
Ein wichtiger Stellhebel für den künftigen Service dürfte die digitale Anbindung der Fahrzeuge sein. "Connected Cars", das zeigt die interne Auswertung eines Herstellers bei über 2.500 Servicedurchläufen, erscheinen doppelt so häufig beim Service als nicht angebundenen Fahrzeuge und sie lassen im Durchschnitt pro Werkstattbesuch einhundert Euro mehr Umsatz beim Service.
Reifen werden smarter
In seinem Vortrag zum Reifengeschäft zeigte Marcel Majert, Sales Director Dealer Europe Falken Tyre Europe GmbH, welche Themen im Geschäft mit Rädern und Reifen anstehen. Erfreulich für den Handel: Im Erstausrüstergeschäft ist der Anteil von Ganzjahresreifen wieder leicht rückgängig. Hintergrund sin die gesetzlichen Vorgaben zur Energieeffizienz bei der Homologation von Neufahrzeugen. Die Elektromobilität stellt Reifenhersteller vor neue Herausforderungen: die tendenziell höhere Last bei E-Fahrzeugen führe zu größeren Reifendimensionen, um das Gewicht durch mehr Luft im Reifen zu verteilen. Geringerer Rollwiderstand bei gleicher Haftung und höherer Laufleistung erfordern neue Rezepturen. Zunehmend gerät das Thema Rollgeräusch in den Fokus. Durch neue Technologien ("Silent-Core-Technologie") kann Falken hier mit geringen Geräuschemissionen punkten. Geräuschreduzierungen von bis zu zehn Dezibel seinen damit möglich. Außerdem gab Marcel Majert einen Ausblick auf die zunehmend wichtige Rolle von Sensoren in künftigen Reifengenerationen.