Praktikanten im Betrieb
Praktikanten als billige Arbeitskraft? Diese Gleichsetzung kann teuer werden. Doch es gibt auch andere rechtliche Risiken. Ein Überblick.
Nur drei Monate arbeitete der Mann im Rahmen eines Integrationsprojekts als Betriebspraktikant in einer Bremer Vertragswerkstatt. Kurze Zeit später folgte die Vertragskündigung durch den Importeur, weil ausgerechnet er die Inspektion an einem Testfahrzeug einer großen Autozeitung durchführte und dabei versagte (vgl. asp 2/2011, S. 62). Sicherlich ist diese Geschichte die absolute Ausnahme. Sie zeigt aber, dass ein zu sorgloser Umgang mit Praktikanten böse Konsequenzen haben kann. Im Folgenden sollen daher rechtliche Besonderheiten und Risiken beleuchtet werden, die bei der Beschäftigung solcher Mitarbeiter in den Betrieben bestehen.
Hinter der Bezeichnung „Praktikum“ können sich unterschiedliche Rechtsverhältnisse verbergen. Zum einen gibt es Praktika, die nur zum Kennenlernen des Berufslebens dienen (z.B. während der Schulausbildung oder im Rahmen eines Studiums). Die genauen Bestimmungen zur Ausgestaltung solcher Praktika ergeben sich aus der jeweiligen Ausbildungs- bzw. Studienordnung.
Wichtig: Praktikumsvertrag
Des Weiteren gibt es freiwillige Praktika, die z.B. nach einer gewerblichen/kaufmännischen Berufsausbildung absolviert werden oder von Personen, die keinen Abschluss haben. Weiterhin sind Praktika zu nennen, in denen nicht die Arbeitsleistung, sondern der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Vordergrund steht, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz handelt (§ 26 Berufsbildungsgesetz). Außerdem können „Eignungs- und Trainingsmaßnahmen“, die von den Arbeitsagenturen angeboten werden, um die Eingliederungschancen von Arbeitslosen zu verbessern, als Praktika gelten.
Bei Rechtsverhältnissen, die zwar als „Praktikum“ bezeichnet und bei denen Unentgeltlichkeit oder eine geringe Aufwandsentschädigung vereinbart wird, tatsächlich aber eine echte Arbeitsleistung erbracht werden muss, handelt es sich um Arbeitsverhältnisse. Der „Praktikant“ ist in diesen Fällen Arbeitnehmer. Insbesondere in diesem Zusammenhang ergeben sich erhebliche rechtliche Haftungsrisiken für die Betriebe. Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Urteilen die Merkmale eines Praktikums in Abgrenzung zu einem Arbeitsverhältnis definiert: Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Der Arbeitnehmer erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation. Seine Eingliederung in die Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass er einem Weisungsrecht unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betrifft.
Demgegenüber ist ein Praktikant in aller Regel vorübergehend in einem Betrieb praktisch tätig, um sich die zur Vorbereitung auf einen Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen. Allerdings findet in einem Praktikantenverhältnis keine systematische Berufsausbildung statt. Vielmehr wird eine darauf beruhende Tätigkeit häufig Teil einer Gesamtausbildung sein und beispielsweise für die Zulassung zu Studium oder Beruf benötigt. Demnach steht bei einem Praktikantenverhältnis ein Ausbildungszweck im Vordergrund. Die Vergütung ist der Höhe nach deshalb auch eher eine Aufwandsentschädigung oder Beihilfe zum Lebensunterhalt.
Eine gesetzliche Grundlage für die Rechte und Pflichten von Praktikanten gibt es nicht. Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) bezieht sich im Wesentlichen auf anerkannte Ausbildungsberufe und nicht auf Praktika. Von erheblicher Bedeutung ist daher, dass vor Beginn des Praktikums ein schriftlicher Vertrag mit dem Praktikanten abgeschlossen wird. Dieser Vertrag sollte möglichst genau mindestens folgende Punkte klären:
Angaben zur Person (Name, Geburtsdatum, Anschrift)
Beginn und Dauer des Praktikums
tägliche Arbeitszeiten
Leistungen des Betriebs (Unterweisungspflicht, Vermittlung von Erfahrung und Kenntnissen in einem definierten Bereich, Zeugniserteilung)
Leistungen des Praktikanten (Aufgaben, Schweigepflicht, Sorgfaltspflicht, Weisungsgebundenheiten, Berichtspflicht)
Sonstiges (Vergütung, Urlaub, Kündigung, Krankheit, Vertragsauflösung)
Ort, Datum, Unterschriften
Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen vor Arbeitsgerichten, weil (ehemalige) Praktikanten der Ansicht sind, sie seien tatsächlich als Arbeitnehmer des Betriebs beschäftigt gewesen. Wenn die Prüfung der Arbeitsgerichte nach den oben genannten Kriterien zu dem Ergebnis kommt, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist der Arbeitgeber verpflichtet im Nachhinein eine angemessene Vergütung zu bezahlen, die auch den gesamten Sozialversicherungsbeitrag –einschließlich des Arbeitnehmeranteils –beinhaltet. So hat beispielsweise das Landesarbeitsgericht Baden-Württem-berg mit Urteil im Februar 2008 (Az: 5 Sa 45/07) einen Betrieb verurteilt an einen ehemaligen Praktikanten statt der ver-traglich vereinbarten 375 Euro eine Vergütung von 1.522 Euro brutto monatlich zu bezahlen.
Vergütung
Tipp: Selbst wenn sich der Praktikant gut anstellt und in der Lage wäre Aufgaben selbstständig zu erledigen, sollte immer der Ausbildungszweck im Vordergrund stehen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass das Praktikum in ein Arbeitsverhältnis „hineinwächst“. Die unmittelbaren Vorgesetzten (Werkstattleiter, Abteilungsleiter usw.) sollten entsprechend angewiesen und zumindest stichprobenartig überwacht werden.
Da bei dem Praktikum der Erwerb von beruflichen Erfahrungen und Kenntnissen im Vordergrund steht, hat der Praktikant einen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses. Die Anspruchsgrundlage findet sich – gut versteckt – in § 109 Gewerbeordnung. Das Zeugnis sollte zeitnah mit Beendigung des Praktikums gefertigt werden und zumindest folgende Bestandteile beinhalten: Einleitung, Tätigkeiten/Tätigkeitsbereich, Fachwissen/Kenntnisse, Auffassungsgabe, Leistungsbewertung, Arbeitsweise und Ergebnis. Wie bei einem Arbeitszeugnis, muss auch das Praktikumszeugnis dem beruflichen Fortkommen des Praktikanten dienen und demnach wohlwollend formuliert werden.
Ein freiwilliges, unbezahltes Praktikum ist versicherungsfrei. Bekommen Praktikanten Geld, muss der Betrieb sie bei der Sozialversicherung (Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung) anmelden und Beiträge zahlen. Diese richten sich nach der Höhe der Bezahlung.
Darüber hinaus sind Praktikanten in der gesetzlichen Unfallversicherung gegen Arbeitsunfälle versichert. Dieser Schutz besteht auch, wenn kein Gehalt gezahlt wird. RA Jürgen Leister
- Ausgabe 6/2011 Seite 60 (242.9 KB, PDF)