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Lichttechnik: Früher Kerze, heute Projektor

02.01.2023 08:15 Uhr | Lesezeit: 3 min
Beim Digital Light von Mercedes wird der Scheinwerfer zum Projektor.
© Foto: Mercedes-Benz

Was sich früher Scheinwerfer nannte, ist aus heutiger Sicht nicht mehr als ein besseres Standlicht. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich das Autolicht revolutionär verändert. Bei der Lichtausbeute ist eine Grenze erreicht, das Licht wird jetzt vor allem intelligenter.

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Seit Erfindung des Automobils 1886 gab es ein Jahrhundert lang bei der Lichttechnik eher evolutionäre Fortschritte; andere Hochtechnologien wie der Antrieb standen im Zentrum des Interesses. Die ersten Automobile waren wie Pferdekutschen mit Kerzen-Laternen ausgestattet, etwas mehr Licht ins Dunkel brachten Petroleum- und Karbidlampen. 1913 ist das „Bosch-Licht“, ein Lichtsystem mit Scheinwerfern, Lichtmaschine, Batterie und Schalter der Durchbruch für die elektrische Beleuchtung. Bis in die 1970er Jahre bestimmten Glühlampen, wie hell es auf der Straße wurde; danach setzte sich mehr und mehr die Halogen-Technik durch. Richtig große Sprünge macht die Entwicklung allerdings erst seit rund 30 Jahren: Xenon ersetzte das Anfang der 90er das Halogen-Licht. "Seit diesem Zeitpunkt wurden zahlreiche Innovationen entwickelt. Ursächlich waren die plötzlich erreichbaren hohen Lichtleistungen der Xenonlampe, welche neue Möglichkeiten eröffnete", sagt Uwe Kostanzer, Entwicklungsleiter Lichtsysteme bei Mercedes-Benz.

Dynamisches Kurvenlicht und 90-Grad-Abbiegelicht

Der zur Verfügung stehende Lichtstrom konnte nicht nur für mehr Licht, sondern auch für zusätzliche Lichtfunktionen genutzt werden, wie dynamisches Kurvenlicht oder 90-Grad-Abbiegelicht. Xenon-Leuchten verbrauchen zudem rund ein Drittel weniger Energie als Halogenlampen. Inzwischen werden die Gasentladungslampen selbst von LED-Leuchten verdrängt. Mitlenkende Scheinwerfer und Matrix-Licht haben Einzug gehalten, in den höheren Klassen sind Laser-Licht und hochauflösende Projektions-Scheinwerfer erhältlich. Steigt der Autofahrer von einem Fahrzeug mit Halogen-Scheinwerfern in eines mit moderner Lichttechnik um, erschließt sich sofort ein weiterer Vorteil: die Lichtfarbe, gemessen in Kelvin. Halogenlicht ist gelblich mit etwa 3.000 Kelvin, Xenon ist erheblich weißer mit einer Lichtfarbe von etwa 4.500 Kelvin. "Das menschliche Auge ist deutlich lichtempfindlicher im höheren Lichtfarbenbereich", erklärt Philipp Roeckl, Leiter Lichttechnik bei Opel. Heißt: Der Autofahrer sieht besser und seine Augen ermüden weniger schnell.

Moderne LED-Scheinwerfer emittieren mit ihrer Lichtfarbe quasi Tageslicht bei einer Farbtemperatur von über 6.000 Kelvin. „Allein durch die Lichtfarbe der LEDs kann die Sichtbarkeit bei Nacht um bis zu 20 Prozent gesteigert werden, was zu einem sichereren und entspannteren Autofahren führt“, sagt Roeckl. Nur eine von vielen Disziplinen, die LED-Scheinwerfer (noch) besser beherrschen. Langlebigkeit – die Leuchtdioden sind wartungsfrei und auf die Lebensdauer des Autos aufgelegt – und geringer Energieverbrauch von LEDs gehören auch dazu; Opel-Experte Roeckl spricht von einer Energieersparnis von mehr als 80 Prozent. In Neuwagen wurden Xenon-Scheinwerfer nach und nach von LED-Lampen abgelöst, selbst in den unteren Fahrzeugklassen sind sie angekommen. So ist VWs kleinstes SUV T-Cross in der Neuauflage ab 2024 serienmäßig mit LED-Scheinwerfern ausgestattet.  


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Mit Hilfe von Software, die Daten aus Fahrzeugsensoren und -Kameras verarbeitet, wird die Lichttechnik nun intelligent, LED-Technik machte diesen nächsten großen Entwicklungssprung erst möglich. "In Kombination dieser beiden Technologien gibt es zuvor undenkbare Möglichkeiten für Lichtfunktionen", sagt Mercedes-Experte Kostanzer. Mit dem sogenannten Matrix-LED-Licht, das je nach Hersteller Multibeam (Mercedes), Intellilux (Opel), IQ.Light (VW) oder schlicht Pixel-Licht genannt wird, lassen sich die Leuchtdioden einzeln ansteuern und ausschalten oder dimmen.

"Erkennt die Frontkamera in der Windschutzscheibe vorausfahrende oder entgegenkommende Verkehrsteilnehmer, gibt die Kamera diese Information an den LED Pixel-Scheinwerfer weiter und dieser deaktiviert exakt die LEDs, die den Verkehrsteilnehmer blenden würden", erklärt Opel-Experte Roeckl. Der Rest der Straße bleibt dauerhaft mit Fernlicht ausgeleuchtet. Sorgte die Technik in den ersten Jahren noch häufig für Beschwerden bei Autofahrern, die sich geblendet fühlten – im Gegenverkehr oder von der starken Reflexion der Verkehrsschilder – ist dies bei modernen Systemen kaum noch Thema.

Genaue Formen des Lichtkegels

Mittlerweile erlaubt eine Auflösung von mehr als einer Million Pixel pro Scheinwerfer ein noch genaueres Formen des Lichtkegels; die Größe einer einzeln ansprechbaren Fläche liegt zum Beispiel beim Digital Light von Mercedes bei nur noch 10 Quadratzentimetern – in 100 Metern Entfernung. Dafür sitzt in jedem Scheinwerfer ein Modul mit drei starken LEDs, deren Licht mit Hilfe von 1,3 Millionen Mikrospiegeln gebrochen und gerichtet wird. Untergebracht sind sie auf der Fläche eines Daumennagels. "Mit Hilfe von Software können wir das Licht völlig frei verteilen; dazu stehen uns 2,6 Millionen Pixel im Fahrzeug zur Verfügung. Der Scheinwerfer wird zum Projektor", erklärt Mercedes-Lichttechniker Kostanzer. Die Projektionstechnik nutzen die Stuttgarter und andere Hersteller wie Audi auch als neue Assistenzfunktion: In Gefahrensituationen werden Warnsymbole auf die Straße projiziert, die den Fahrer zum Beispiel in unübersichtlichen Baustellen mit zwei Lichtspuren auf der Fahrbahn den Weg weisen oder vor der versehentlichen Fahrt entgegen einer Einbahnstraße warnen. Aber auch als Markierungslicht, indem im Dunkeln am Straßenrand erkannte Personen per Lichtschein hervorgehoben werden.

Im Hinblick auf zukünftiges autonomes Fahren muss das Autolicht spätestens dann andere Aufgaben übernehmen, wie die Kommunikation mit Fußgängern. Mit einem vom Scheinwerfer auf den Boden vor dem Passanten projizierten Zebrastreifen zum Beispiel, könnte das Auto ein Quereinlassen signalisieren. Auch Rücklichter übernehmen Sicherheitsfunktionen: Schon heute warnen Schlussleuchten durch Aktivierung aller Leuchtelemente einen Hintermann, der sich schnell auf das Fahrzeug zubewegt. In einer Hinsicht scheint zumindest bei den digitalen LED-Scheinwerfern ein Optimum erreicht, meint Mercedes-Experte Uwe Kostanzer: "Mit den heutigen 2,6 Millionen Pixel pro Fahrzeug im Digital Light sind wir aus unserer Sicht am Maximum bezüglich Auflösung angelangt." Weitere Innovationen entstünden nun in der intelligenten Lichtverteilung und Lichtfunktionen mittels Software. Noch weiter zu leuchten als die rund 600 Meter die aktuelle High-End-LED-Scheinwerfer oder das bei Audi oder BMW erhältliche Laserlicht scheint vorerst weniger dringlich.

Wie in vielen anderen Bereichen wird es in Zukunft auch beim Licht mehr individuelle Anpassungsmöglichkeiten geben. So kann der Besitzer eines Audi A8 bereits bei Top-Scheinwerfern und Heckleuchten zwischen vier Lichtsignaturen wählen, Mercedes wirbt bei der neuen E-Klasse mit personalisierten Animationen beim Verlassen des Fahrzeugs. Dank Internet-Anbindung können Lichtfunktionen künftig vermehrt auch "on demand" hinzugebucht werden, vorausgesetzt, die passende Hardware ist bereits im Auto montiert. Für die dunkle Jahreszeit kann sich der Autofahrer so beispielsweise bei Audi eine High-End-Ausleuchtung temporär hinzubuchen.

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