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Rückruf-Rückblick 2009

16.12.2009 12:02 Uhr

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Sicherheit

Ein OLG-Urteil und ein unfreiwillig veröffentlichtes Hersteller-Ranking des KBA waren in diesem Jahr große Aufreger. Doch auch die Zahlen unserer asp-Rückrufdatenbank für das zu Ende gehende Jahr beinhalten Zündstoff.

Preisfrage: Was haben „Der Spiegel“, „Focus“ und die „Bild“-Zeitung gemeinsam? Antwort: Sie alle haben in diesem Jahr auf ihren Internetseiten bereits das Fachmagazin asp Auto Service Praxis oder seinen Online-Dienst zitiert. Abonnenten unseres kostenlosen E-Mail-Newsletters wissen längst warum: Meldungen über Fahrzeugrückrufe laufen in der Regel zuerst bei uns! Und Rückrufmeldungen sind von großem Interesse, nicht nur für Endkunden-Magazine und deren Leser, sondern auch für alle Servicebetriebe. Denn fast jedes Fahrzeug wechselt im Laufe der Jahre mehrfach seinen Besitzer oder steht irgendwann auf der Hebebühne eines nicht zum Servicenetz der betroffenen Marke gehörenden Betriebs. Rückrufdaten liefern also sowohl wertvolle Zusatzinformationen für die GW-Hereinnahme als auch bei der Ursachenforschung nach einem komplizierten Fehler.

Brisantes Urteil

Das Argument, ein Rückruf betreffe nur den Hersteller und den aktuellen Halter des Fahrzeugs, zählt längst nicht mehr. Ein Rückruf hat sich auch nicht notwendigerweise mit der vermeintlichen Fehlerbehebung in der Werkstatt erledigt, wie kürzlich ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf verdeutlichte, in dem einem Alfa Romeo-Händler eine Mitverantwortung für die unangenehmen Spätfolgen eines Rückrufs aus dem Jahre 2004 an einem Fahrzeug der Baureihe 156 gegeben wurde. Demnach ist der Vertragshändler verpflichtet, seinen Kunden zu warnen, wenn unvorhersehbare Gefahren zu erheblichen Fahrzeugschäden führen können, insbesondere dann, wenn der Hersteller zuvor eine Rückrufaktion nebst Änderung des Wartungsplans durchgeführt hat. Im vorliegenden Fall erlitt der Käufer einen Unfall, weil sich die Motorhaube wegen eines korrodierten Schlosses bei etwa 100 km/h auf der Autobahn öffnete, die Frontscheibe durchschlug und das Dach verbeulte. Den Schaden von fast 6.000 Euro wollte der Kläger vom Händler ersetzt haben, soweit seine Teilkaskoversicherung ihn nicht übernommen hatte. Das Gericht billigte dem Kläger den Schadensersatzanspruch zu (Details zu der Entscheidung unter www.autoservicepraxis.de/rueckrufurteil).

Zwar verurteilte das Gericht in diesem Fall einen Vertragshändler der vom Rückruf betroffenen Marke. Im Internet-Zeitalter kann aber sicherlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein besonders verbraucherfreundliches Gericht mit Verweis auf existierende Online-Datenbanken auch einen Nicht-Vertragsbetrieb in Haftung nimmt, insbesondere dann, wenn ihm nachgewiesen werden kann, dass er von der Rückrufaktion wusste. Die in diesem Urteil angesprochene Anweisung zur Reinigung und Schmierung des Motorhaubenschlosses beim Alfa 147, 156 und Lancia Lybra findet sich übrigens auch in unserer Rückrufdatenbank (www.autoservicepraxis.de/rueckrufe), in der wir uns bekannte Aktionen seit 2002 gespeichert haben. Solche Urteile, aber auch die große Resonanz auf unseren Rückruf-Bereich unter autoservicepraxis.de mit dem neuen Rekordwert von knapp 340.000 Seitenaufrufen von Januar bis November 2009 bestärken unsere Recherchebemühungen weiter. Zwar geben die meisten Hersteller/Importeure inzwischen mehr oder weniger umfassend Auskunft über ihre Aktionen, trotzdem ließen sich zahlreiche Streitgespräche zwischen Pressesprechern und unserer Redaktion auch in diesem Jahr nicht vermeiden. Dabei geht es inzwischen weniger um das „Ob“, sondern um das „Wie“ der Berichterstattung. Denn den Begriff „Rückruf“ meidet man nach wie vor wie der Teufel das Weihwasser und möchte ihn demzufolge auch ungern in einer Meldung lesen. Für uns entscheidend sind jedoch nicht die Wünsche der Marketingstrategen, die sich für die Öffentlichkeit so paradoxe Begriffe wie „Kundenzufriedenheitsaktion“ einfallen lassen, sondern die Terminologie des von behördlicher Seite zuständigen Kraftfahrt-Bundesamts (KBA). Dort unterscheidet man zwei Arten des Rückrufs: „überwacht“ und „freiwillig“. Überwacht werden Rückrufe, wenn von dem Produkt eine „ernste Gefahr“ ausgeht, d.h. wenn selbst bei bestimmungsgemäßer Verwendung ein Mangel plötzlich und unvorhersehbar auftritt und dann für den Verwender oder Dritte eine unabwendbare unmittelbare Gefahr darstellt. Freiwillige Rückrufe „laufen in alleiniger Zuständigkeit und Verantwortung des Fahrzeugherstellers und werden nicht durch das KBA überwacht“, erklärt KBA-Mitarbeiter Jürgen Artz. Dies bedeutet, dass der Fahrzeughersteller seine Maßstäbe an den Erfolg einer solchen Rückrufaktion anlegen kann und nicht an Mindeststandards (z.B. zwingende Nutzung des zentralen Fahrzeugregisters, vollständige Mängelbeseitigung an allen zugelassenen Fahrzeugen oder vollständige Halterbenachrichtigung aller zugelassenen Fahrzeuge) gebunden ist.Trotzdem finden auch solche freiwilligen Aktionen ihren Widerhall in den Rückruf-Bilanzen des KBA. Die Flensburger Behörde publiziert eine nach Fabrikaten sortierte Rückruf-Hitliste deshalb nur unter Zwang, also wenn es – wie im vergangenen September – durch eine so genannte „Kleine Anfrage“ aus dem Bundestag dazu aufgefordert wird (vgl. asp 9/09, S. 8). Die Aussagekraft solcher Statistiken ist begrenzt, denn es gibt Hersteller, die gewissenhaft auch solche Fehler mit Hilfe des KBA abwickeln, für die dies laut Geräte- und Produktsicherheitsgesetz eigentlich nicht zwingend vorgeschrieben wäre.

Mehr Einheiten betroffen

Ein Hersteller, der in einem Rückruf-Markenranking ganz vorn liegt, muss also nicht – wie von der Öffentlichkeit gerne geschlussfolgert – „gefährlichere“ Produkte herstellen als andere. Im Gegenteil: Wenn Hersteller wie zuletzt Daimler im Oktober bei plötzlichen Injektorausfällen in einem Dieselmotor nur auf einzelne Kundenbeanstandungen reagieren, statt die komplett betroffene Baureihe vom Mangel zu befreien, dann werden sie durch eine Nicht-Erwähnung in einer solchen Statistik sogar noch belohnt. Wir nehmen dagegen auch solche Maßnahmen in unsere Rückruftabelle auf (vgl. asp 11/09, S.7), auch wenn es sich streng genommen weder um eine „überwachte“ noch eine „freiwillige“ Aktion handelt.

Nach Auswertung unserer Datenbank fällt auf, dass die Anzahl der Einträge im Vergleich zum Vorjahr nur leicht gestiegen ist (110 bis einschl. November im Vergleich zu 100 in 2008), die Anzahl der von diesen Aktionen betroffenen Fahrzeuge sich aber fast verdoppelt hat. Ob dies nachlassender Fahrzeugqualität, höherem Verantwortungsbewusstsein der Hersteller oder strikterem Vorgehen des KBA geschuldet ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Eines steht aber fest: Wir werden die Entwicklung auch im kommenden Jahr sehr genau beobachten! Niko Ganzer

Rückruf- und Serviceaktionen 2008 und 20091

Jahr

Anzahl der Aktionen

Anzahl betr. Fahrzeuge in D2

2008

100

ca. 553.000 Einheiten

20093

110

ca. 1.070.000 Einheiten

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