-- Anzeige --

Rundum-Sorglos-Paket?

18.02.2010 12:02 Uhr

-- Anzeige --

Kfz-Garantie

Eine Expertenrunde in Goslar thematisierte die Auswirkungen verlängerter Kfz-Garantien auf den Servicemarkt. Zudem diskutierten die Teilnehmer Sinn oder Unsinn dieser Praxis für die Verbraucher.

Eine Durchführung von Wartung bzw. Reparatur im freien Werkstattnetz darf in den Garantiebedingungen nicht ausgeschlossen werden. Dies hat Bernd Krieger vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ) auf einer Expertendiskussion am Rande des Verkehrsgerichtstags in Goslar betont. Ansonsten werde EU-Recht verletzt. Dennoch weigern sich in der Praxis manche Hersteller in den Garantiebedingungen die Reparatur von Schäden zu übernehmen, wenn die Fahrzeuge zuvor außerhalb des eigenen Servicenetzes gewartet wurden.

Fremdgehen verboten

Wasser auf die Mühlen der Automobilindustrie goss der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2007. Damals lehnte der BGH eine Klage eines Mercedes-Benz-Kunden ab, der Ansprüche wegen Rost geltend machen wollte. Der Fahrzeughersteller warb mit einer 30-Jahre währenden Garantie gegen Durchrostung. Doch hatte der Autobauer diese Garantie an die Wartung innerhalb des eigenen Netzes geknüpft. Krieger und weitere Diskussionsteilnehmer sprachen den beschriebenen Fall auch in Goslar kurz an und erklärten, es handele sich bei der Vorgehensweise um einen Widerspruch zu europäischem Recht.

Das Thema der Expertendebatte, an der auf Einladung des versicherungsnahen Goslar-Instituts auch Horst Berger (Arbeitskreis Autobanken), Thomas Funke (Kanzlei Osborne & Clarke) und Klaus-Jürgen Heitmann (Vorstandsmitglied des Versicherers HUK-Coburg) teilnahmen, lautete „Der gefesselte Verbraucher? Zum Gerangel um Kfz-Garantien“. Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten und Stephan Simon aus der EU-Kommission komplettierten die Runde. Der Gesprächskreis warf die provokative Frage auf, ob Kfz-Garantien Mittel einer unlauteren Kundenbindungsstrategie sind. Nach Ansicht einiger Teilnehmer nutzt die Automobilindustrie Verbraucherängste, um zusätzliche Produkte rund um das Thema Finanzierung und Versicherungen zu verkaufen. Zudem sichere sie sich dadurch Reparaturaufträge. Horst Berger hielt dagegen und betonte, diese Angebote seien ein Dienst am Kunden. Schließlich müssten sich die Autokäufer um nichts mehr kümmern, denn die Autohersteller hätten den Käufern in Kooperation mit den von ihm repräsentierten Autobanken durch die Wahl der Versicherung und die Schnürung eines Mobilitätspaketes Arbeit und Ärger abgenommen.

Freie Betriebe haben das Nachsehen

Grundsätzlich sei gegen Kundenbindung dieser Art nichts einzuwenden, so Stephan Simon. Die von ihm vertretene EU-Wettbewerbsbehörde sehe nur dann ein Problem, wenn solche Bindungen von marktstarken Anbietern vorgenommen würden, mit dem Ziel den nachgelagerten Markt für Wartung, Inspektion und Instandsetzung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Kopplung der Garantie mit der Verpflichtung im markeneigenen Werkstattnetz reparieren und warten zu lassen und damit den ohnehin schon hohen Anteil der Hersteller am Aftersales-Markt weiter zu erhöhen, sei jedoch kritisch. Doch diesen Vorwurf weisen die Automobilhersteller und Importeure von sich, wie eine asp-Umfrage aus dem Jahr 2008 ergab (vgl. asp 1/2009). Danach blieben die Garantien offiziell auch im Falle einer „Fremdwartung“ erhalten, erklärten die 28 befragten Marken mehrheitlich. Zumindest sofern sich markenunabhängige Betriebe an die Herstellervorgaben halten und nicht ursächlich für den Schaden verantwortlich sind. Das dürfte allerdings schwer nachzuvollziehen und zu beweisen sein.

Die meisten Diskussionsteilnehmer in Goslar waren der Ansicht, dass die Kunden die blumigen Garantieversprechungen der Hersteller besser hinterfragen sollten. Zudem seien die im Autohaus angebotenen Versicherungstarife zu teuer, erklärte Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Horst Berger hielt dagegen: Die Verbraucher könnten vergleichen, schließlich seien die Produkte transparent. Darüber hinaus seien die Verbraucher heutzutage besser informiert, sowohl über die Modelle als auch über die zugehörigen Finanzierungsprodukte.

Doch nicht nur der Endverbraucher ist der Gelackmeierte. Garantiebedingungen, die eine Werkstattbindung vorsehen, bedeuten eine Übervorteilung der freien Betriebe. Klaus-Jürgen Heitmann, Geschäftsführer vom Versicherer HUK Coburg, der nicht mit den Autoherstellern kooperiert und die Casko-Select als eigenes Produkt offeriert, besteht auf einen freien Reparaturmarkt: „Die Industrie möchte durch Zusatzklauseln ein systemkonformes Verhalten der Autokäufer erzwingen. Daran haben wir natürlich kein Interesse.“ Durch die Androhung des Garantieentfalls dürften Kunden nicht zur Reparatur in einem Markenbetrieb gezwungen werden. Auch der Rechtsanwalt Thomas Funke kennt diese Fälle: So könne es durchaus passieren, dass preissensible Autobesitzer ihren Pkw in einem freien Betrieb warten lassen und später einen Schaden bemerken, der nicht mit der Reparatur zu tun habe, sondern in der Herstellung des Fahrzeugs begründet liege. „Man kann erwarten, dass Hersteller für diesen Mangel geradestehen. Und zwar unabhängig davon, wo der Kunde sein Auto vorher hat warten oder reparieren lassen.“ Das aber verneinten manche Hersteller in den Garantiebedingungen. Den Kunden werden zwar „Rundum-Sorglos-Pakete“ angeboten, so Bernd Krieger. Ein Etikettenschwindel, denn im Schadensfall würden häufig wichtige Services vorbehalten. Scheinbar gibt es also eine Diskrepanz zwischen den Bekundungen der Hersteller und der tatsächlichen Garantiepraxis. Martin Schachtner

-- Anzeige --
-- Anzeige --

MEISTGELESEN


-- Anzeige --

STELLENANGEBOTE


-- Anzeige --

KOMMENTARE


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


asp AUTO SERVICE PRAXIS Online ist der Internetdienst für den Werkstattprofi. Neben tagesaktuellen Nachrichten mit besonderem Fokus auf die Bereiche Werkstatttechnik und Aftersales enthält die Seite eine Datenbank zum Thema RÜCKRUFE. Im neuen Bereich AUTOMOBILE bekommt der Werkstatt-Profi einen Überblick über die wichtigsten Automarken und Automodelle mit allen Nachrichten, Bildergalerien, Videos sowie Rückruf- und Serviceaktionen. Unter #HASHTAG sind alle wichtigen Artikel, Bilder und Videos zu einem Themenspecial zusammengefasst. Außerdem gibt es im asp-Onlineportal alle Heftartikel gratis abrufbar inklusive E-PAPER. Ergänzt wird das Online-Angebot um Techniktipps, Rechtsthemen und Betriebspraxis für die Werkstattentscheider. Ein kostenloser NEWSLETTER fasst werktäglich die aktuellen Branchen-Geschehnisse zusammen. Das richtige Fachpersonal finden Entscheider auf autojob.de, dem Jobportal von AUTOHAUS, asp AUTO SERVICE PRAXIS und Autoflotte.