Kurzfassung
Mittel Künstlicher Intelligenz Schäden erkennen und Reparaturkosten kalkulieren - das ist das Versprechen der Plattform FIASCO, die den gesamten Prozess der Schadenabwicklung weitgehend digitalisiert.
Erst vor wenigen Wochen konnten die Entwickler der Digitalisierungs-Plattform "FIASCO" den offiziellen Marktstart feiern. Hinter dem Start-up FIASCO, das auch Kooperationspartner der Zukunftswerkstatt 4.0 ist, stehen die beiden Geschäftsführer Önder Aslan und Harun Coskun. Önder Aslan ist seit 15 Jahren selbstständig und seit neun Jahren Geschäftsführer der Lack & Karosserie Reit GmbH in Kernen mit insgesamt 40 Mitarbeitern. Harun Coskun bringt als Ingenieur über zehn Jahre internationale Erfahrung als Projektleiter und Entwicklungsingenieur bei einem führenden Automobilkonzern mit.
Das Team hat eine Dienstleistungs-App entwickelt, mit der der komplette Prozess in Lack- und Karosserie-Werkstätten digitalisiert werden kann: von der Kundenanfrage über die automatisierte Reparaturkalkulation bis hin zur finalen Abwicklung. Für ihre webbasierte Schadenkalkulation haben die beiden bereits den Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg gewonnen.
"Unsere App ist aus der Praxis heraus entstanden", erklärt Harun Coskun. Als sein Geschäftspartner den zweiten Werkstatt-Betrieb an einem weiteren Standort eröffnet hat, kam die rein praktische Frage auf, ob man wirklich jede Stelle noch mal besetzen muss oder ob sich Synergien nutzen ließen.
"Bei K&L-Betrieben entfallen 40 Prozent des Zeitaufwandes auf Verwaltungstätigkeiten. Die Kostenkalkulation für Schäden ist einer der größten Zeitfresser. Im Schnitt benötigt ein Werkstatt-Mitarbeiter dafür 30 Minuten", weiß Coskun. Und dabei landen am Ende viele Kalkulationen im Müll, weil sich der Kunde dann doch gegen den Auftrag entscheidet und die fiktive Abrechnung bevorzugt.
Mit FIASCO ist es möglich, die Kalkulation eines Schadens vollständig zu automatisieren. Kernstück ist eine digitale Schadenkalkulation. "Damit nehmen wir der Werkstatt das lästige manuelle Tippen vollständig ab." Grundlage für die Kalkulation sind Fotos, die entweder der Kunde selbst mit der Handy-Kamera im Schadenfall anfertigt oder der Werkstattmitarbeiter, wenn der Kunde mit seinem Fahrzeug schon auf dem Hof steht.
"Das ist erst mal nicht neu. Aber bei uns ist die User Experience deutlich besser, wir haben beispielsweise die 3-D-Darstellung des Autos integriert, die es dem Anwender wirklich leicht macht. Die App führt den Kunden durch den gesamten Prozess."
Kostenkalkulation mit KI
"In die Kalkulation lassen wir Arbeitswerte und Ersatzteilpreise mit einfließen. Wir bieten zudem den Vorteil, dass diese Daten direkt in die DMS integriert werden können. Das reduziert den Aufwand für die Werkstatt bei der Kalkulation enorm." Bei der hinterlegten KI handelt es sich um ein neuronales Netzwerk, das die Schaden-Bilder analysiert und die Kalkulation auslöst. Darin fließen Tausende von Datensätzen aus den beiden K&L-Betrieben mit ein, wo im Jahr rund 5.000 Aufträge abgewickelt werden.
Das Besondere an der Berechnung: "Wir haben eine eigene Logik, das heißt, wir greifen nicht nur auf Erfahrungswerte zurück, sondern bewerten jeden Fall einzeln. Deshalb können wir auch ganz neue Fahrzeugtypen bewerten, wo noch gar keine Erfahrungswerte vorliegen."
Die selbst entwickelte KI zur Schadenerkennung muss mit einigen Informationen gefüttert werden, erläutert Coskun: "Wir brauchen Fahrzeugtyp (Kombi, SUV, Limousine) und müssen wissen, welche Bauteile beschädigt sind. Die KI kann sagen, was beschädigt ist und kann sagen, welche Schadensart vorliegt (Delle, Bruch, Kratzer, Riss) sowie das Schadenausmaß (Tiefe, Länge etc.) erkennen." Ein weiteres neuronales Netzwerk stößt mit diesen Daten dann die automatisierte Kalkulation an. Diese ist das Kernstück der Anwendung und erspart der Werkstatt die manuelle Eingabe.
Quality Check
Was folgt, ist immer der "Quality Check" durch einen FIASCO-Mitarbeiter, bevor die Kalkulation an die Werkstatt weitergegeben wird. Das Versprechen des Startups: "Die Werkstatt braucht die Kalkulation dann nicht mehr anzufassen. Der Zeitaufwand reduziert sich enorm für die Werkstätten!"
Die Erfahrungen aus der Pilotphase zeigen: Die meisten Werkstätten (70 Prozent der Fälle) nehmen die automatisierte Kalkulation in Anspruch. Das sei unterm Strich viel günstiger, als wenn die Werkstatt es selbst macht, erklärt Harun Cos-kun. Denn in der Vollkostenrechnung kostet die eigene Kalkulation 40 bis 60 Euro. Je nach Preispaket liegen die Kosten bei FIASCO bei ca. 25 Euro pro Schaden. Die Kalkulation mit Arbeitswerten und Teilen ist dann auch Grundlage für die Teilebestellung.
Nachverfolgung im System
Aus Kundensicht bietet die App ebenfalls Vorteile: So kann der aktuelle Status eines Schadenfalls jederzeit nachverfolgt werden. Bei Rückfragen stehen mit dem Chat entsprechende Kommunikationswege mit der Werkstatt zur Verfügung.
Derzeit arbeiten die Plattform-Betreiber an dem Thema Schnittstellen zu Softwareanbietern für DMS wie Gudat oder Werbas sowie zu den Anwendungen anderer Branchenteilnehmer aus den Bereichen Schadensteuerung, Leasingunternehmen oder Versicherer. Eines ist den Machern der Plattform aber wichtig: "Wir sind der Werkstatt verpflichtet, wir vertreten die Werkstätten, das ist unser USP", so das Versprechen.
- Ausgabe 01/2022 S.22 (170.1 KB, PDF)