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Gesundheitszustand einer Batterie: SoH ist nicht gleich SoH

01.09.2024 08:21 Uhr | Lesezeit: 4 min
TÜV SÜD
Für TÜV Süd ist der Batteriezustand ein wichtiges Thema. 
© Foto: TÜV SÜD

Nur wer den Gesundheitszustand der Antriebsbatterie kennt, kann den Wert eines gebrauchten batterieelektrischen Fahrzeugs sinnvoll angeben. Die aktuellen Methoden zur Bestimmung eines neutralen und unabhängigen SoH-Wertes sind leider nicht vergleichbar.

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Die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) geht mit der Zeit. Die Experten für die Wertberechnung von Fahrzeugen berücksichtigen künftig auch den Gesundheitszustand (SoH) der Batterie. Bei der Wertbestimmung von gebrauchten E-Fahrzeugen in der Software Silver-DAT gibt es nun auch ein Feld für den SoH - nebst einigen anderen Parametern wie Laufleistung und Fahrzeugalter.

Allein dies zeigt schon: Die verlässliche und unabhängige Ermittlung des Gesundheitszustandes der Antriebsbatterie beim E-Auto ist ein hochaktuelles Thema und wichtig für die Preisbildung im Gebrauchtwagenmarkt. Der Akku ist das teuerste Bauteil im Fahrzeug - seine Leistungsfähigkeit und der Alterungszustand zum Zeitpunkt des Verkaufs sind daher wichtige Größen für die Wertbestimmung.

Aber wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir vom SoH-Wert sprechen? Was steckt dahinter und wie kann der Gesundheitszustand verlässlich bestimmt werden? Markus Gregor, Technical Expert Battery Lifetime and Safety Certification TÜV SÜD (siehe Interview), stellt klar: "Es gibt bis heute keinen Standard für die Ermittlung des SoH. Weil die Berechnung an sich nicht vorgegeben und definiert ist, kann es jeder anders machen."

Auf Knopfdruck geben auch Fahrzeughersteller einen SoH-Wert für die Batterie aus. Doch mangels Transparenz bei dessen Berechnung sind diese Werte nicht vergleichbar. Im Markt gibt es mittlerweile mehrere seriöse Methoden zur Bestimmung eines neutralen und unabhängigen SoH-Wertes. Aufgrund fehlender Vorgaben zur Methodik verfolgen die Anbieter unterschiedliche Strategien und stützen sich teilweise auf unterschiedliche Parameter und Referenzen, wie Gregor erklärt: "Ein neutraler, unabhängiger SoH muss zwingend in einem dynamischen Verfahren bestimmt werden, das heißt, die Batterie muss gestresst werden. Heißt konkret: Die Batterie muss geladen oder entladen werden."

Markus Gregor
Technical Expert Battery Lifetime and Safety Certification TÜV SÜD und Doktorand an der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI), Carissma, Institute of Electric, Connected and Secure Mobility
asp: Was versteht man unter dem Begriff Gesundheits-zustand oder State of Health (SoH)?
Markus Gregor: Es gibt mehrere Definitionen für den Gesundheitszustand, je nachdem auf welche physikalische Größe man ihn bezieht. Der SoH-Wert gibt aber immer ein Verhältnis von aktuellem Zustand zu Neuzustand der Batterie an - bezogen auf einen bestimmten Parameter. Man gibt den SoH in der Regel als prozentualen Wert an. Der SoH wird meist auf die Energiemenge bezogen, kann sich aber auch auf die noch vorhandene Kapazität oder auf den Widerstand in der Batterie beziehen.
asp: Wie robust sind heutige Batterien im E-Auto?
Markus Gregor: In der Realität erweisen sich Batterien als recht robust: Die Zellen werden ja beim Automobilhersteller bereits ausgiebig getestet. Heute schaffen Akkus vierstellige Ladezyklen ohne dramatische Alterung. Bei einer realen Reichweite von 300 Kilometern und angenommenen 1.000 Ladezyklen kommt man bereits auf eine Lebens­dauer von 300.000 Kilometer. Zu diesem Zeitpunkt hat die Batterie dann oft erst 20 Prozent ihrer Energiemenge verloren. Aber man muss auch bedenken: Es kann immer Ausreißer in der Produktion geben. Nicht jede Batterie, die das Werk verlässt, ist gleich gut. Einen großen Einfluss hat außerdem die Temperatur, das Fahrverhalten und vor allem das Ladeverhalten.
asp: Wie vegleichbar sind die verfügbaren SoH-Tests?
Markus Gregor: Die Ergebnisse sind nicht vergleichbar. Es gibt bis heute keinen Standard für die Ermittlung des SoH. Weil der Test an sich nicht vorgegeben und definiert ist, kann es jeder anders machen. Beim Vergleich der mit unterschiedlichen Methoden bestimmten SoH-Werte haben wir Abweichungen bis zu sieben Prozent festgestellt.
asp: Welche Daten stellt der Automobilhersteller bereit?
Markus Gregor: Es gibt ganz verschiedene Angaben zu Restkapazitäten und man weiß nicht, wie die Werte berechnet werden. Das ist nicht transparent. Das hat natürlich nichts mit der realen Leistungsfähigkeit des Akkus zu tun.

Definition SoH

Ein möglicher SoH-Wert kann beispielsweise das Verhältnis der aktuell in der vollgeladenen Batterie verfügbaren Energiemenge zu der anfänglich im Neuzustand der Batterie verfügbaren Energiemenge sein. Auch hier gibt es jedoch unterschiedliche Ansätze, um einige der Parameter zu berechnen. Entsprechend gibt es Stand heute keine gemäß Definition und Standardisierung gleichwertigen Methoden oder Ergebnisse.

In der Euro-7-Norm wird der Batteriestatus als SoCE (State of Certified Energy) und SoCR (State of Certified Range) bezeichnet. Der SoCE - diese Begrifflichkeit stammt aus dem Bereich der Typgenehmigung - ist am ehesten mit dem SoH-Wert vergleichbar.

Aber warum sind die verschiedenen SoH-Werte nicht vergleichbar? Das liegt nicht nur an unterschiedlichen Berechnungsmethoden, sondern auch an unterschiedlichen Referenzwerten, wie Markus Gregor erklärt: "Es ist nicht so klar, welcher Wert als Neuzustandswert zugrunde gelegt wird. Man unterscheidet die Brutto-Energiemenge von der Netto-Energiemenge." Der Nettowert gibt an, wie viel Energie tatsächlich für den Fahrbetrieb aufgewendet werden kann, denn ein gewisser Teil der Energie dient als Puffer und dazu, das Fahrzeug überhaupt fahrbereit zu halten (Infotainment, Klimatisierung).

Beim VW ID.3 ist der Unterschied erheblich: Die Brutto-Energiemenge liegt bei 62 kW während die Netto-Energiemenge nur mit 58 kW angegeben wird. Wenn sich ein SoH-Wert auf den Brutto-Wert bezieht, ist dieser von Haus aus etwas schlechter als bei einer Prüfmethode, die den Nettowert zugrunde legt.

Zelle ist nicht gleich Zelle

Weitere Unsicherheiten ergeben sich aus der Batterieproduktion selbst. Gregor: "Die einzelnen Zellen können bezogen auf den Energiegehalt schon produktionsbedingt eine Range von einigen Prozent haben."

Ein Unsicherheitsfaktor liege im Batteriemanagement des Herstellers: Niemand weiß, wie das Batteriemanagement den Akku regelt, wenn im Laufe der Zeit weniger Energie zur Verfügung steht. Es könne durchaus sein, dass das System dann noch Energie über die Lebensdauer freigibt, damit Verluste ausgeglichen und vom Nutzer weniger stark bemerkt werden.

Hersteller-Angaben

Bei den vom Hersteller im Display angezeigten Werten sei ebenfalls Vorsicht geboten, erklärt Gregor: "Es gibt einen physikalischen Ladezustand der Batterie und einen Ladezustand, der im Display angezeigt wird. Und da gibt es Abweichungen! Wir haben da bis zu vier Prozent Abweichung festgestellt!" So könne es vorkommen, dass im Fahrzeug nach einem Software-Update over-the-air plötzlich wieder ein paar Prozent mehr Akkuleistung angezeigt werden.

Der asp-Expertentalk auf der Automechanika
Im Expertentalk "SoH Antriebsakku - der lange Weg zum Standard" diskutiert asp-Chefredakteur Dietmar Winkler mit Branchenexperten aus Wissenschaft, Industrie und Handel darüber, wie verlässlich der State of Health (SoH) des Antriebsakkus beim E-Auto bestimmt werden kann und wie mögliche Geschäftsmodelle für Werkstätten aussehen.
Wann: Donnerstag, 12.09.2024, von 13.30 bis 14.30 Uhr
Wo: Academy Bühne in Halle 8.0.
Wir diskutieren unter anderem,
▪ warum es wichtig ist, den SoH verlässlich bestimmen zu können,
▪ was den unabhängig ermittelten Wert von Hersteller- angaben unterscheidet,
▪ welche Methoden der Diagnostik es heute gibt,
▪ welche Vorgabe es bald zur Ermittlung des SoH geben könnte,
▪ welche Handlungsoptionen bei defekten Batterien bestehen,
▪ wann ein kritischer Zustand der Batterie vorliegt,
▪ welche Geschäftsmodelle für Werkstätten und Dienstleister interessant sein könnten.
Sind Sie in Frankfurt auf der Automechanika? Dann diskutieren Sie vor Ort mit unseren Experten in Halle 8.0.
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HASHTAG


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