Kurzfassung
Werkstattkonzepte, die es schaffen, deutschlandweit einen umfassenden Service für Flotten und Großkunden anzubieten, empfehlen sich auch als Servicepartner neuer Automarken. Erste Beispiele gibt es dafür schon.
Elektroautos stehen derzeit vor allem in den besseren Vierteln der Stadt oder in Tiefgaragen großer Bürokomplexe - in der Werkstatt stehen sie eher nicht. Im Alltag der freien Werkstätten spielen batteriebetriebene Fahrzeuge eine absolut untergeordnete Rolle. Und: Die Werkstätten sind derzeit so voll wie selten. Angesichts langer Lieferzeiten bei Neuwagen und hoher Gebrauchtwagenpreise stecken viele Halter lieber noch mal Geld in die Reparatur des vorhandenen Autos. Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge auf deutschen Straßen ist laut TÜV-Report 2023 erstmals zweistellig. Das Durchschnittsalter liegt derzeit bei 10,1 Jahren.
Das Thema Elektromobilität wird daher in den Betrieben zwiegespalten gesehen, wie eine aktuelle Werkstatt-Umfrage der Industrie-Initiative "Qualität ist Mehrwert" unter mehr als 500 Betrieben ergeben hat. Nach eigener Einschätzung sind 84 Prozent ihrer Kundenfahrzeuge mit Verbrennermotoren ausgestattet, sieben Prozent mit Hybrid und sechs Prozent mit elektrischen Antrieben. Der Anteil der E-Autos ist einerseits gering, andererseits liegt dieser Wert schon deutlich über dem Anteil im Gesamtfuhrpark: Laut KBA werden nur 2,6 Prozent der Fahrzeuge in Deutschland (auch) elektrisch angetrieben (batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge und Plug-in-Hybride).
Im Alltag kaum präsent
Rund 60 Prozent der befragten Werkstätten sind qualifiziert für die Reparatur an Elektrofahrzeugen und verfügen über die nötige Ausstattung. Allerdings sehen die Betriebe in der Elektromobilität auch eine Gefahr: 48 Prozent der Befragten rechnen mit weniger Arbeitsaufwand durch den wachsenden Anteil von elektrisch betriebenen Fahrzeugen in der eigenen Werkstatt. 31 Prozent der Befragten erhoffen sich zusätzliche Ertragschancen.
Bereits 28 Prozent der Betriebe verfügen über eine eigene Ladeinfrastruktur. Weitere 51 Prozent der Werkstätten denken darüber nach und können sich grundsätzlich die Investition in eine Ladesäule vorstellen. Bei der letzten Umfrage im Jahr 2019 hatten nur zehn Prozent eine eigene Ladesäule auf dem Betriebsgelände. Nur 21 Prozent der Befragten lehnen eine Ladesäule auf dem eigenen Firmengelände ab.
Was aber bedeutet diese Analyse für die Strategie der Werkstattkonzepte? Die Ausbildung im Rahmen der Hochvoltschulung haben alle im Blick und bieten über den Großhandel oder Schulungspartner entsprechende mehrstufige Schulungen an. Auch Werkzeuge und spezielle Zusatzausrüstung, die für die Reparatur von E-Fahrzeugen benötigt werden, sind über den Großhandel zu bestellen. Beim Thema Ladeinfrastruktur sind die Konzeptgeber aber unterschiedlich stark engagiert: Im System 1a Autoservice, das von WM SE und den Großhändlern Coler, Knoll, Küblbeck und Lorch vermarktet wird, steht das Thema Ladeinfrastruktur auf der Agenda: "Auch in puncto Ladestationen bieten die Konzeptgeber Wallboxen (plus Halterungen/Zubehör) über deren Großhandelspartner an - und zwar exklusiv für 1a Autoservice im entsprechenden Corporate Design, um die E-Kompetenz unseres Werkstattkonzepts auch vor Ort nach außen zu kommunizieren und den weiteren Aufbau des Ladeinfrastruktur-Netzes zu fördern", heißt es seitens der Konzeptgeber. Durch die zusätzliche Unterstützung bei Förderanträgen sollen zudem die Kosten für die 1a-Autoservice-Betriebe dabei so gering wie möglich gehalten werden.
Bei der Select AG sieht man das Thema eher im Verantwortungsbereich der Betriebe, eine Unterstützung beim Aufbau von Ladeinfrastruktur liefert Select daher nicht und verweist auf offizielle Fördermittel des Landes und Bundes, die Werkstätten in puncto Ladeinfrastruktur anzapfen können. Gleichwohl wolle man die Werkstätten auf eine in den kommenden Jahren steigende Elektromobilität vorbereiten.
Einerseits verlässt sich auch der Großhandel ein Stück weit auf die unumstößliche Tatsache, dass die im Markt befindlichen Autos noch über Jahre hinweg zum Service kommen und der Teileverkauf auf Jahre gesichert ist. Andererseits besteht für den freien Markt die Gefahr, dass man den Trend verschläft. "Wir stehen vor fundamentalen Veränderungen für die Werkstattsysteme und für die Handelsgesellschaften", glaubt Sebastian Heitfeld, Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft der international tätigen GiPA-Gruppe. Das Beratungsunternehmen ist auf den Aftermarket spezialisiert. Chancen für den freien Markt ergeben sich unter anderem durch den Markteintritt asiatischer Automarken, die in Europa über kein eigenes Vertriebs- oder Servicenetz verfügen. Über 30 neue Anbieter werben um die Gunst der Kunden und setzen dabei auf vorhandene Strukturen im IAM. So übernimmt die Werkstattkette A.T.U den Service für den asiatischen Elektroauto-Hersteller Aiways. Auch im Segment der gewerblichen Kunden hat sich die Werkstattkette mit einem neuen Angebot für professionelles Fuhrparkmanagement verstärkt und bietet unter der Marke Fleet-Hub ein vollständig digitales Dienstleistungsportfolio für Flottenkunden an. Die Reifenkette Euromaster macht den Vertrieb und Service für den Elektroauto-Newcomer Elaris. Bei den klassischen Großhandelskonzepten hat die Coparts-Tochter Global Automotive Service (G.A.S.) die Nase vorne. Die auf Flotten spezialisierte Servicetochter übernimmt den Service für die Edelmarke Nio. Fahrzeuge des chinesischen Herstellers werden über das G.A.S.-Servicenetz gewartet und repariert. Laut Geschäftsführer Andreas Brodhage stehe das gesamt Teileprogramm des Herstellers über das eigene Zentrallager zur Verfügung. G.A.S. schule zudem die Nio-Mitarbeiter. G.A.S. ist laut Brodhage zudem offen, in Zukunft weitere Fahrzeugmarken aufzunehmen. Ziel sei es, die komplette Wertschöpfungskette abzubilden.
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- Ausgabe 12/2022 S.18 (355.6 KB, PDF)