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Schäden am E-Fahrzeug: Das macht der Gutachter

28.06.2024 08:03 Uhr | Lesezeit: 3 min
AU TÜV SÜD Florian Petzi
Rein statistisch gesehen, haben Elek­trofahrzeuge kein höheres Brandrisiko als Verbrenner.
© Foto: Dietmar Winkler

Schäden bei verunfallten E-Autos sind problematisch, wenn die Batterie in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Schadengutachter von TÜV SÜD können nach Vorgaben der Fahrzeughersteller die Schadenhöhen präzise prognostizieren.

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Rein statistisch gesehen, haben Elek­trofahrzeuge kein höheres Brandrisiko als Verbrenner. Aber wenn es beispielsweise aufgrund mechanischer Beschädigungen zum thermischen "Runaway" des Lithium-Ionen-Akkus kommt, dann kann es sehr gefährlich werden für Leib und Leben. Ein Akku-Brand in der Werkstatt wäre wohl kaum zu beherrschen. Zumal hierbei sehr schnell unter großer Hitzeentwicklung giftige Dämpfe entstehen.

Weil sich ein beschädigter Akku auch nach Tagen noch entzünden kann, ist es angezeigt, einen Quarantäneplatz vorzuhalten, wo das Fahrzeug sicher abgestellt und überwacht werden kann. Als Abstand zu Gebäuden werden mindestens zwanzig Meter angegeben.

Quarantäneplatz: Anforderungen

Die Anforderungen an einen Quarantäneplatz ergeben sich unter anderem aus den Technischen Regeln für Arbeitsstätten, der Betriebssicherheits-Verordnung (BetrSichV), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und es existieren mittlerweile zahlreiche Empfehlungen von Fachverbänden wie VDA, ZDK, ZKF. Die Empfehlung, wie lange ein Fahrzeug in Quarantäne bleiben muss, unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller.

Letztlich entscheidet der Betriebsinhaber oder eine von ihm beauftragte Person, ob und wie lange ein Fahrzeug dort verbleiben muss. Im Falle einer Havarie sind zahlreiche Parteien involviert, unter Umständen sind Rettungskräfte und Feuerwehren am Unfallort, nach Freigabe wird ein beschädigtes Fahrzeug vom Abschleppdienst in die Werkstatt verbracht, wo eine Gefährdungsbeurteilung stattfindet. Der Schadengutachter kommt meist erst jetzt ins Spiel, um ein umfassendes Schadengutachten zu erstellen.

Im Falle von Elektrofahrzeugen ist das eine mittlerweile geübte Praxis - allerdings mit besonderen Herausforderungen bei stark beschädigten Fahrzeugen. Bei TÜV SÜD verfügen Schadengutachter mindestens über eine Qualifizierung 1S. Damit sind sie als "Fachkundig unterwiesene Personen" handlungsfähig.


Matthias Eder im Interview: Leiter Schaden & Wert Bayern Süd bei der TÜV SÜD Auto Service GmbH

asp: Wann muss die Batterie aus Sicht des Gutachters nach einem Unfall getauscht werden?
M. Eder: Nach einem Unfall gibt es spezifische Vorgaben der Fahrzeughersteller, ab wann ein Akku ausgetauscht werden muss. Zusätzlich sind die Aufprallenergie und die Verformung der Karosserie entscheidend und geben dem Sachverständigen Hinweise auf eine mögliche Beschädigung der Fahrzeugbatterie. Wenn wir beispielsweise feststellen, dass die Längsträger erheblich deformiert sind, deutet dies darauf hin, dass die Aufprallenergie sehr hoch war und eine Beschädigung der Antriebsbatterie möglich ist.
asp: Was wird dann gemacht?
M. Eder: In solchen Fällen ist es unerlässlich, die Batteriemesswerte detailliert zu prüfen. Wir arbeiten eng mit markengebundenen Autohäusern und Dienstleistern wie Aviloo zusammen, die auf Batteriezustandsprüfungen spezialisiert sind. Auf Basis der Testergebnisse und der Herstellervorgaben kann der Gutachter abschätzen, ob die Batterie ausgebaut und einer weiteren Analyse durch den Hersteller unterzogen werden muss.
asp: Wie häufig passiert dieses Szenario in der Praxis?
M. Eder: Diese Fälle haben wir täglich auf dem Tisch. Schäden an E-Autos sind jedenfalls keine Ausnahme mehr. Deshalb haben wir unsere Gutachter durch entsprechende Schulungen bereits vor Jahren auf die Situation vorbereitet. Alle Gutachter verfügen mindestens über die Zertifizierung 1S, einige auch über die 2S-Qualifikation.
asp: Wer macht dann die weiteren Tests?
M. Eder: Wenn eine Beschädigung der Hochvoltbatterie nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Gefährdungsklassifizierung erforderlich. Diese wird in der Regel von der Markenwerkstatt oder dem Fahrzeughersteller mittels spezifischer Testverfahren durchgeführt. Es liegt in der Verantwortung des Werkstattinhabers, zu entscheiden, ob das beschädigte Fahrzeug auf einen Quarantäneplatz gestellt und überwacht werden muss. Grundlage hierfür ist stets die Gefährdungsbeurteilung durch die Werkstatt, durchgeführt von einem qualifizierten Mitarbeiter mit der Stufe 2S. Sollte die Batterie aufgrund starker Beschädigung sogar offen liegen, darf nur eine Person mit 3S-Qualifikation daran arbeiten.
asp: Wann muss ein Fahrzeug auf den Quarantäneplatz?
M. Eder: Die Anforderungen an Quarantäneplätze werden sowohl durch Vorgaben der Fahrzeughersteller als auch durch kommunale Vorschriften bestimmt. Trotz strenger Sicherheitsanforderungen wird die Verbringung eines Fahrzeugs auf den Quarantäneplatz von den Werkstätten nicht leichtfertig angeordnet, da dies mit erheblichen Kosten verbunden ist.
asp: Gibt TÜV SÜD im Gutachten eine Empfehlung?
M. Eder: Im Schadengutachten wird keine direkte Empfehlung für einen Quarantäneplatz ausgesprochen. Die Entscheidung darüber liegt nach der Gefährdungsbeurteilung beim Autohaus. Der Gutachter kann jedoch auf mögliche Schäden an Hochvoltkomponenten hinweisen. Da diese Komponenten oft nicht vom Gutachter selbst geprüft werden dürfen, müssen spezialisierte Mechaniker herangezogen werden. Die Verantwortung für Montagearbeiten liegt ebenfalls bei der Werkstatt.
asp: Ist es möglich, eine defekte Batterie zu reparieren?
M. Eder: Theoretisch ist es möglich, eine Batterie durch den Austausch einzelner Zellen zu reparieren. Die Machbarkeit und Verfügbarkeit der benötigten Bauteile müssen jedoch im Einzelfall geprüft werden. Dies hat auch Einfluss auf die Herstellergarantie, die mit dem Fahrzeughersteller geklärt werden muss. In der Praxis führt ein Unfallschaden an der Batterie meist zum Austausch der gesamten Batterie. Aufgrund der hohen Kosten ist es wichtig, den Schaden gut zu dokumentieren durch Messprotokolle aus der Batterietestung und den Herstellervorgaben abzusichern.
asp: Wie bereitet sich TÜV SÜD auf das elektrische Zeitalter vor?
M. Eder: Schulung ist das Fundament unserer Vorbereitung auf das elektrische Zeitalter. Unsere Gutachter nutzen moderne Messgeräte und arbeiten eng mit markengebundenen Autohäusern sowie dem Aviloo-System zur Batteriemessung zusammen. Darüber hinaus fördern wir in Kooperation mit Fachverbänden und Forschungseinrichtungen die Weiterentwicklung von Technologien und Methoden. Alle Gutachter haben Zugang zu umfassenden Datenbanken und einer breiten Wissensplattform.
asp: Gibt es besonders schwierige Schadensbilder?
M. Eder: Ja, besonders schwierig sind nicht reproduzierbare Fehlerbilder, die sich erst im späteren Betrieb zeigen. Beispielsweise können Übergangswiderstände an Steckverbindungen auftreten oder es kommt zu einer mechanischen und in der Folge elektrischen Beschädigung von einzelnen Hochvoltkomponenten. Dies ist für den Gutachter nicht immer sofort offensichtlich erkennbar. Solche Schäden können aber oft in den fünfstelligen Bereich gehen.
asp: Wird der Gutachter durch KI-basierte Tools, die einen Zusammenhang zwischen Stoßkräften und Schadensbild erstellen, irgendwann überflüssig?
M. Eder: Jeder Schaden ist individuell zu betrachten und zu untersuchen. Es erfordert eine detaillierte Analyse vor Ort. KI-Tools können unterstützend wirken, aber die Expertise und das Urteil des Gutachters vor Ort sind unerlässlich. Eine pauschale Empfehlung allein durch Fotoanalysen oder Algorithmen ist nicht zielführend.


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