Fahrwerksvermessungen sind nach Arbeiten an der Aufhängung oder Unfallreparaturen obligatorisch, ebenso die anschließende Kalibrierung von Kamera und Radar der Fahrerassistenzsysteme (FAS). "Bei jeder Veränderung der Achsgeometrie, der Fahrzeughöhe oder bei einem Teiletausch im Fahrwerksbereich sowie nach Unfallreparaturen in Bereichen, in denen Sensoren untergebracht sind, muss die Nullposition des Systems neu eingerichtet werden, damit genug Toleranzen vorhanden sind, um die einwandfreie Funktion der FAS bei unterschiedlichen Beladungszuständen oder Lastveränderungen zu gewährleisten", erklärt Björn Schleifer, technischer Trainer bei WOW.
Bislang bedeutete das für die Werkstatt zwei Arbeitsschritte: zunächst die Vermessung und Einstellung des Fahrwerks auf der Hebebühne, dann die Verbringung des Fahrzeugs an einen geeigneten Platz für die Kalibrierung. Das bedeutet für die Werkstatt einen nicht unerheblichen Zeitaufwand. Um diesen zu reduzieren, sind WOW und Hunter Deutschland eine Kooperation eingegangen und verbinden die Vorteile des Achsvermessungssystems Hunter Hawkeye Elite mit denen des Kalibriersystems ACS cars von WOW.
Live-Demo auf der Messe
Der Skoda Enyaq rollt zur Eingangskontrolle über zwei Überfahrschwellen, die mittels Laser den Bereifungszustand über eine Fläche von zehn Zentimetern erfassen und so erste Schlüsse auf eventuelle Fehlstellungen in der Fahrwerksgeometrie zulassen. Anschließend werden die Reflektoren auf die Felge aufgesetzt und mit Klammern am Reifen befestigt. Alle Teile, die Rad oder Felge berühren, sind ummantelt, um Beschädigungen zu vermeiden. Zusätzlich bringt Björn Schleifer Höhenstandssensoren am Radausschnitt des Kotflügels an, worüber die Hunter Hawkeye Elite automatisch das Fahrzeugniveau vermisst.
Mit der Auswahl des Fahrzeugmodells in der Vermessungssoftware zeigt das System unter anderem Solldaten und Einstellwerte an, aber auch ob Assistenzsysteme im Fahrzeug verbaut sind. Die Benutzerführung erfolgt am Bildschirm in Form roter und grüner Balken. Zunächst wird die geometrische Mittelstellung des Lenkrads ermittelt und durch einen grünen Balken angezeigt. Damit wäre die Eingangsmessung schon abgeschlossen und die Einstellarbeiten könnten beginnen. Über Hilfefunktionen der Maschine können Videos und Tutorials zu den erforderlichen Werkzeugen und Einstellfaktoren abgerufen werden.
Achsvermessung Plus: Zeitspar-Maschine
Bildergalerie- Ausgabe 6/2024 Seite 032 (1.0 MB, PDF)
Vorgang dauert zehn Minuten
Die Einstellarbeiten überspringen wir und gehen direkt weiter zur Kalibrierung. Dazu muss das Fahrzeug nicht umrangiert werden, sondern die Kalibrierung mit ACS cars kann nahtlos auf dem Vermessungsplatz anschließen. Laut Björn Schleifer ermöglicht die Kombination der beiden Systeme eine Kalibrierung von Kamera und Radar in rund zehn Minuten. "Die Kooperation mit Hunter in Verbindung mit unserem ACS cars gibt uns die Möglichkeit, unser seit fünf Jahren bewährtes System noch schneller zu machen", so Björn Schleifer, und erklärt auch warum: "Das Hawkeye ist bereits aufgebaut, die Felgenschlagkompensation ist bereits durchgeführt, das Fahrzeug ist bereit für die Kalibrierung. Dazu nutze ich die Kameras am ACS cars und kann damit das Target exakt zur spurgebenden Hinterachse parallel ausrichten. Dazu bleiben die Reflektoren vom Hawkeye an den Hinterrädern".
Die exakte Positionierung des Targets wird von einer Einstellhilfe auf dem Monitor des Hawkeye ebenfalls mittels sich von rot nach grün verfärbender Balken unterstützt. Schon während der Vermessung führt das "Dialooq"-Diagnosesystem parallel einen Scan vom Fahrzeug durch und zeigt eventuelle Fehlermeldungen an, aber auch welche Systeme im Fahrzeug verbaut sind und wie diese zu kalibrieren sind.
Richtig positionieren
Zur Positionierung braucht das System keinen nivellierten, aber einen gleichgerichteten Boden. "Fahrzeug und Tool sollten sich in der gleichen Ebene und in der gleichen Neigung befinden. 2,5 bis 3 Grad Gefälle sind kein Problem, solange sich Fahrzeug und ACS cars im gleichen Neigungswinkel befinden", erklärt Schleifer. Wichtiger sind das richtige Target, der richtige Abstand und die richtige Höhe. "Die vielen unterschiedlichen Werte, von verschiedenen Herstellern zu verschiedenen Modellen, kann und muss sich keiner merken. Unser Programm enthält alle Herstellerdaten, aber auch Hinweise zur Vorgehensweise, ob ich beispielsweise statisch oder dynamisch kalibrieren muss", ergänzt Schleifer. Entsprechend wählt er das Target TFC1 der VAG-Gruppe aus und positioniert es im vorgegebenen Abstand von 1.500 Millimetern zur Vorderachse und in einer Höhe von 1.290 Millimetern. "Im Gegensatz zu anderen Methoden nimmt das System mit den Kameras den Winkel zur Hinterachse auf und erlaubt so eine schnelle Positionierung des Targets", so Schleifer.
Die Erleichterungen im Arbeitsablauf sind auch auf die veränderten Querbalken zurückzuführen. Statt Laser kommen jetzt die gleichen Kameras wie im Hawkeye Elite zum Einsatz. Diese koppeln sich mit dem Vermessungssystem und beschleunigen die Positionierung ebenfalls über Rot-Grün-Balken auf dem Display. Zum Vergleich: Bislang musste man bei VAG-Fahrzeugen und anderen Herstellern Radnehmer an den Vorderrädern anbringen, beidseitig den Abstand einmessen und das Target exakt mittig positionieren. "Die neuen Kameras haben eine so breite Range, dass das nicht nötig ist, ich muss nur 1,5 m Abstand einhalten", erklärt Schleifer.
Er geht dann zunächst in das Diagnoseprogramm, wo alle Hersteller-Vorgaben zur Kalibrierung angezeigt werden. Anschließend ermittelt er den Höhenstand des Skoda vom Boden bis höchsten Punkt des Radausschnitts an allen vier Kotflügeln und gibt die Daten ein. Nach acht Sekunden ist die Kalibrierung beendet. Abschließend erstellt die WOW Looqit Software einen Funktionsnachweis zur korrekten Kalibrierung. Björn Schleifer empfiehlt immer, den Fehlerspeicher final auszulesen: "Eine Kamerakalibrierung kann Fehlermeldungen verursachen, weil das System ein Reset durchführt", so Schleifer.