Kurzfassung
Im softwaredefinierten Fahrzeug wird der Programmcode wie beim Smartphone ständig aktualisiert und es werden sogar neue Funktionen aufgespielt. Daher benötigt man neue Wege bei der Homologation solcher Software.
Mit Blick auf künftige Fahrzeuggenerationen sprechen Fahrzeughersteller und Zulieferer vom softwaredefinierten Fahrzeug. Der Anteil der Software an der Wertschöpfung im Fahrzeug nimmt weiter zu und teilweise werden Hardwarefunktionen von der Software und dem jeweiligen Softwarestand gesteuert. Schon heute können Softwareupdates und sogar neue Funktionsweisen "Over-the-Air" (OTA) in Fahrzeuge integriert werden. Teilweise sind diese sicherheitsrelevant, etwa wenn damit eine Leistungssteigerung verbunden ist oder neue automatisierte Fahrfunktionen aufgespielt werden. In der Europäischen Union wäre dann jeweils eine neue Homologation für diese Softwareupdates notwendig.
Ein Konsortium aus sieben Unternehmen unter Beteiligung von TÜV SÜD arbeitet an einer neuen digitalen Lösung für die Genehmigung von Updates für softwaredefinierte Fahrzeuge: Der "Digital Loop", ein Konzept für die Homologation von Software-Aktualisierungen über das Mobilfunknetz, wurde auf der IAA Mobility in München erstmals als Showcase vorgestellt. Neben TÜV SÜD sind die Unternehmen Kontrol, dSPACE, FEV.io, Microsoft Deutschland, T-Systems und Berylls Teil des Konsortiums.
Im Rahmen einer Paneldiskussion auf der IAA Mobility diskutierten Vertreter der Automobilindustrie, der Prüforganisation TÜV SÜD, des Kraftfahrtbundesamtes und Software- sowie Telekommunikationsunternehmen über die neue Technologie. Dabei wurde klar: Sowohl die Industrie als auch das Kraftfahrtbundesamt sind sehr stark interessiert an technischen Lösungen, wie die Homologation nach Softwareupdates beschleunigt werden kann.
Kai Grünitz (Markenvorstand Technische Entwicklung bei Volkswagen), betonte, wie wichtig es für den Automobilhersteller sei, dass künftig Softwareupdates aufgespielt werden können: "Das ist ein großes Thema für uns. Wir sprechen von Software auf Rädern, diese muss stets aktuell sein." Auch Fahrerassistenzsysteme müssten regelmäßig aktualisiert oder erweitert werden, sagte Grünitz. Dabei gehe es teilweise um sicherheitsrelevante Funktionen. "Dafür benötigen wir schnellere Prozesse der Homologation", forderte Grünitz. "Wir müssen Updates in immer kürzeren Zeiträumen ausspielen." Der Einsatz virtueller Tests sei ein geeignetes Instrument, um die Zulassungs-Prozesse zu verkürzen.
Virtuelle Testverfahren
Patrick Fruth, CEO TÜV SÜD Division Mobility, bestätigte, dass die Prozesse für die Homologation heute noch zu lange dauerten: "Künftig benötigen wir schnellere Prozesse, um Softwareupdates zu homologieren. Die Zukunft der Homologation beruht auf Kooperation unterschiedlicher Spezialisten, und in diesem Projekt haben wir die richtigen Partner zusammengebracht." Eine Schlüsselrolle spielen dabei virtuelle Testverfahren als Ergänzung von realen Testsituationen auf der Straße. Dafür werden mithilfe von modernsten Simulationstechniken reale Szenarien nachgebildet. Das sogenannte "Virtual Simulation Environment" ist ein digitales Abbild der realen Welt. Zum Einsatz kommen dabei hoch detaillierte und realistische 3-D-Modelle von Straßen, Fahrzeugen, Fußgängern, Wetterbedingungen und anderen relevanten Faktoren. Auch KBA-Präsident Richard Damm bestätigte die Notwendigkeit neuer Testverfahren: "Wir diskutieren auf internationaler Ebene viele Möglichkeiten künftiger Testverfahren. Virtuelles Testing wird dabei eine Säule sein." Und weiter: "Auch wenn der gezeigte Digital Loop bislang nur ein Showcase ist, zeigt das Projekt, dass virtuelles Testing eine Schlüsseltechnologie sein wird."
- Ausgabe 10/2023 Seite 020 (753.2 KB, PDF)
Fragen an ...
asp: Wie viel Druck ist auf dem Projekt der virtuellen Homologation?
Patrick Fruth: Digital Loop ist aktuell ein Konzept, welches grundlegend die Module, Anforderungen und auch Grenzen definiert hat, um hochfrequente und homologationsrelevante Softwareupdates zu genehmigen. Dieses Konzept wurde zunächst durch den Proof of Concept unterstützt und nun durch einen Showcase der Fachwelt demonstriert. Die Demonstration des Showcases durch die Digital-Loop-Projekt-Partner auf der IAA stieß auf herausragendes Feedback und Interesse von Herstellen und Zulieferern. Auch die Genehmigungsbehörde bestätigte den Bedarf nach virtualisierten und dadurch signifikant reduzierten Homologationsprozessen und signalisiert die Bereitschaft, die weiteren Schritte zu begleiten.
asp: TÜV SÜD ist die einzige Prüforganisation im Konsortium - was zeichnet TÜV SÜD aus?
P. Fruth: Im Rahmen unserer Strategie beschäftigen wir uns permanent mit Zukunftsthemen, Trends und auch neuen Geschäftsmodellen. Dabei wurde uns klar, dass die heutigen Prozesse die Komplexität und notwendige Geschwindigkeit nicht mehr abdecken werden können. Softwareupdates in Fahrzeugen mit Relevanz von Sicherheitsfunktionen müssen schnellstmöglich verfügbar sein. Wir waren daher einer der Initiatoren und begleiten das Projekt konsequent aus der Sicht einen Technischen Dienstes.
asp: Gibt es schon einen regulatorischen Rahmen für diesen Prozess der Homologation?
P. Fruth: Teils-teils, prinzipiell ist das genauso im Entstehungsprozess. Der Prozess der Homologation von Softwareupdates und die automatisierten SAE-Stufen bis zur SAE-Stufe 4 werden durch die UNECE-Regelungen abgedeckt. Es gibt jedoch noch einige Aspekte in Bezug auf das Datenübertragungsformat, inwieweit Simulationen durch physische Tests ersetzt werden können und wie KI reguliert werden kann. Hier bestehen immer noch Lücken, die reguliert werden müssen. Im Rahmen des Projektes haben wir in Abstimmung mit weltweit führenden Standardisierungsorganisationen, Behörden sowie Vertretern aus der Industrie eine Studie zu den Anforderungen und Lücken durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in einem Whitepaper zusammengefasst. Im weiteren Vorgehen wird sich zeigen, dass aus der Zusammenarbeit Standards und Regularien entstehen, die absolute Sicherheit in der Mobilität bieten, dann aber auch in der Realität erfüllbar sind.
asp: Welche Signale erhalten Sie aus der Industrie, also von möglichen Kunden?
P. Fruth: Sehr positive. Unsere Demonstration auf der IAA mit einem Fahrzeug hat überzeugt. Jetzt geht es aber insbesondere darum, das Konzept mit einem OEM zu einer echten Anwendung zu entwickeln. Betonen möchte ich, dass das keinen exklusiven Charakter hat, sondern nur dem Zweck dient, Digital Loop als Produkt zu entwickeln und der breiten Masse zugänglich zu machen.