Die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) geht mit der Zeit. Die Experten für die Wertberechnung von Fahrzeugen berücksichtigen künftig auch den Gesundheitszustand (SoH) der Batterie. Bei der Wertbestimmung von gebrauchten E-Fahrzeugen in der Software Silver-DAT gibt es nun auch ein Feld für den SoH - nebst einigen anderen Parametern wie Laufleistung und Fahrzeugalter.
Allein dies zeigt schon: Die verlässliche und unabhängige Ermittlung des Gesundheitszustandes der Antriebsbatterie beim E-Auto ist ein hochaktuelles Thema und wichtig für die Preisbildung im Gebrauchtwagenmarkt. Der Akku ist das teuerste Bauteil im Fahrzeug - seine Leistungsfähigkeit und der Alterungszustand zum Zeitpunkt des Verkaufs sind daher wichtige Größen für die Wertbestimmung.
Aber wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir vom SoH-Wert sprechen? Was steckt dahinter und wie kann der Gesundheitszustand verlässlich bestimmt werden? Markus Gregor, Technical Expert Battery Lifetime and Safety Certification TÜV SÜD (siehe Interview), stellt klar: "Es gibt bis heute keinen Standard für die Ermittlung des SoH. Weil die Berechnung an sich nicht vorgegeben und definiert ist, kann es jeder anders machen."
Auf Knopfdruck geben auch Fahrzeughersteller einen SoH-Wert für die Batterie aus. Doch mangels Transparenz bei dessen Berechnung sind diese Werte nicht vergleichbar. Im Markt gibt es mittlerweile mehrere seriöse Methoden zur Bestimmung eines neutralen und unabhängigen SoH-Wertes. Aufgrund fehlender Vorgaben zur Methodik verfolgen die Anbieter unterschiedliche Strategien und stützen sich teilweise auf unterschiedliche Parameter und Referenzen, wie Gregor erklärt: "Ein neutraler, unabhängiger SoH muss zwingend in einem dynamischen Verfahren bestimmt werden, das heißt, die Batterie muss gestresst werden. Heißt konkret: Die Batterie muss geladen oder entladen werden."
Definition SoH
Ein möglicher SoH-Wert kann beispielsweise das Verhältnis der aktuell in der vollgeladenen Batterie verfügbaren Energiemenge zu der anfänglich im Neuzustand der Batterie verfügbaren Energiemenge sein. Auch hier gibt es jedoch unterschiedliche Ansätze, um einige der Parameter zu berechnen. Entsprechend gibt es Stand heute keine gemäß Definition und Standardisierung gleichwertigen Methoden oder Ergebnisse.
In der Euro-7-Norm wird der Batteriestatus als SoCE (State of Certified Energy) und SoCR (State of Certified Range) bezeichnet. Der SoCE - diese Begrifflichkeit stammt aus dem Bereich der Typgenehmigung - ist am ehesten mit dem SoH-Wert vergleichbar.
Aber warum sind die verschiedenen SoH-Werte nicht vergleichbar? Das liegt nicht nur an unterschiedlichen Berechnungsmethoden, sondern auch an unterschiedlichen Referenzwerten, wie Markus Gregor erklärt: "Es ist nicht so klar, welcher Wert als Neuzustandswert zugrunde gelegt wird. Man unterscheidet die Brutto-Energiemenge von der Netto-Energiemenge." Der Nettowert gibt an, wie viel Energie tatsächlich für den Fahrbetrieb aufgewendet werden kann, denn ein gewisser Teil der Energie dient als Puffer und dazu, das Fahrzeug überhaupt fahrbereit zu halten (Infotainment, Klimatisierung).
Beim VW ID.3 ist der Unterschied erheblich: Die Brutto-Energiemenge liegt bei 62 kW während die Netto-Energiemenge nur mit 58 kW angegeben wird. Wenn sich ein SoH-Wert auf den Brutto-Wert bezieht, ist dieser von Haus aus etwas schlechter als bei einer Prüfmethode, die den Nettowert zugrunde legt.
Zelle ist nicht gleich Zelle
Weitere Unsicherheiten ergeben sich aus der Batterieproduktion selbst. Gregor: "Die einzelnen Zellen können bezogen auf den Energiegehalt schon produktionsbedingt eine Range von einigen Prozent haben."
Ein Unsicherheitsfaktor liege im Batteriemanagement des Herstellers: Niemand weiß, wie das Batteriemanagement den Akku regelt, wenn im Laufe der Zeit weniger Energie zur Verfügung steht. Es könne durchaus sein, dass das System dann noch Energie über die Lebensdauer freigibt, damit Verluste ausgeglichen und vom Nutzer weniger stark bemerkt werden.
Hersteller-Angaben
Bei den vom Hersteller im Display angezeigten Werten sei ebenfalls Vorsicht geboten, erklärt Gregor: "Es gibt einen physikalischen Ladezustand der Batterie und einen Ladezustand, der im Display angezeigt wird. Und da gibt es Abweichungen! Wir haben da bis zu vier Prozent Abweichung festgestellt!" So könne es vorkommen, dass im Fahrzeug nach einem Software-Update over-the-air plötzlich wieder ein paar Prozent mehr Akkuleistung angezeigt werden.
- Ausgabe 9/2024 Seite 030 (1.4 MB, PDF)