Oldtimermarkt und Corona-Krise – das war das Top-Thema von TÜV SÜD auf der Oldtimermesse Classics to Click, die am 19. und 20. Juni online stattfand. Veranstaltet wurde das neue Format vom Spezialversicherer OCC.
In einer Live-Veranstaltung, die im Internet übertragen wurde, diskutierte Norbert Schröder, Leiter TÜV SÜD ClassiC, in der Classic Remise Düsseldorf mit Marktteilnehmern aus den Bereichen Marktdaten und -analysen, An- und Verkauf hochwertiger Fahrzeuge, Leasinggeber, Veranstalter von Oldtimer-Events und Onlineredaktionen über die Auswirkungen der Corona-Beschränkungen auf den Markt. "Was macht Corona mit dem Classic Markt?" lautete die Leitfrage der Runde. Im Anschluss an die einstündige Veranstaltung wurden zudem Zuschauerfragen im Live-Chat beantwortet. Eine Aufzeichnung der Diskussionsrunde wurde nachmittags am 19. Juni online gezeigt (www.classics-to-click.de) und ist noch bis 10. Juli online abrufbar.
Preise regeln sich auf gesundem Niveau ein
In der Diskussionsrunde sowie in einem vorher aufgezeichneten Videointerview mit Bernhard Kerkloh, Inhaber des Unternehmens Movendi, ging es um die Auswirkungen der der Corona-Maßnahmen auf den Oldtimermarkt. Gleich zu Beginn erläuterte Kerkloh, wie sich sein Geschäft entwickelt. Das Unternehmen Movendi – The Spirit Of Classic Cars ist seit 2006 in der Düsseldorfer Classic Remise angesiedelt und vermarktet hochwertige Fahrzeuge. Die gute Nachricht: Seit Beendigung des Lockdowns verzeichnet der Händler wieder ein stark anziehendes Geschäft. "Jetzt wo wir wieder geöffnet haben, ist wieder viel Bewegung ins Geschäft gekommen, wir hatten einen sehr guten Mai, sogar besser als die beiden Jahre zuvor", berichtete der automobilbegeisterte Unternehmer. Kerkloh sieht derzeit eine Normalisierung des Preisniveaus bei Oldtimern, nachdem in den Jahren 2016 und 2017 das Preisniveau einen vorläufigen Höchststand erreicht hatte.
Kerkloh weiter: "Wenn man mal zehn Jahre zurückgeht, hatte man jedes Jahr fünf bis acht Prozent Wertzuwachs je nach Autotyp, das war ein verlässlicher und gesunder Wertzuwachs. Aber auf dem Höhepunkt der Preisspirale hatten wir teilweise innerhalb eines Jahres eine Verdoppelung bei den Werten für bestimmte Fahrzeugtypen." Heute sei man in etwa wieder auf dem Niveau von 2014 gekommen.
TÜV SÜD-Talkrunde bei der "Classic to Click"
BildergalerieMarcus Keller, Leiter des Geschäftsbereichs Classic Car bei Comco Leasing, beobachtet derzeit zwei Strömungen: Zum einen gebe es viele Privatsammler, die derzeit eher geneigt seien, ihre Fahrzeuge zu verkaufen, um sich benötigte Liquidität zu verschaffen. Auf der anderen Seite stehe die Fraktion, die auf den Werterhalt von Classic Cars setzt, auch aus Sorge, dass andere Anlagewerte in der Krise verlieren könnten. "Was uns aber im Moment fehlt, sind die Käufer, die einfach mal aus guter Laune heraus ein schönes Auto kaufen", berichtete Keller.
Veranstaltungen erst wieder im kommenden Jahr
Der Wegfall vieler Veranstaltungen und Messen betrifft die Classic-Szene in besonderem Maße. Stephan Lehnen, Geschäftsführer Deutscher Oldtimer Club, beklagte die Absage vieler Veranstaltungen: "Die Corona-Krise hat die Clubszene besonders hart getroffen, weil man auf die regionalen Veranstaltungen gänzlich verzichten musste." Bereits langfristig geplante Rallyes und Ausstellungen konnten nicht stattfinden. Marcus Herfort, Geschäftsführer Classic Days Oldtimer- und Motorsport GmbH, erklärte: "Nach den strengen Beschränkungen Mitte März war allen klar, dass es bis Ende August keine Großveranstaltungen geben darf. Damit ist der Sommer für uns gelaufen, denn im September stehen wir ja schon wieder kurz vor der Einmottung der Autos für den Winter." Daher habe man die Classic Days, eine renommierte Veranstaltung in der Szene, komplett auf den Sommer im kommenden Jahr verschoben.
Trend zu digitalen Formaten
Kai Hafner, Betreiber Online-Plattform Collectorscarworld, sieht einen Trend zu digitalen Formaten: "Wir stellen fest, dass viele Auktionshäuser ihr Geschäftsmodell komplett auf Online umgestellt haben. Erste Auktionen waren ganz erfolgversprechend", sagte er. Allerdings gebe es Grenzen: "Es ist nicht so leicht, wenn man etwas kaufen soll, das man gar nicht live gesehen hat." Die wirklich besonderen Autos seien daher nicht gut über Online-Auktionen zu verkaufen. Das Format funktioniere aber bei Standard-Fahrzeugen.
Perspektivisch könnte es zu einer Event-Bereinigung kommen, da waren sich die Diskussionsteilnehmer weitgehend einig. Die ausgefallenen Veranstaltungen könnten zwar im kommenden Jahr nachgeholt werden, Haffner glaubt aber nicht, dass wirklich alle Events überleben, die sich nicht bereits im Markt etabliert haben.
Haben Online-Veranstaltungen eine Zukunft, wollte TÜV SÜD-Experte Schröder von den Diskutanten wissen? Ja, aber eher als Ergänzung nicht als Ersatz, so der Tenor. Herford: "Das Live-Erlebnis lässt sich nicht in eine Konserve packen, man kann aber Veranstaltungen durch digitale Formate in den Sozialen Medien begleiten, um Reichweite zu erhöhen." Viele Aussteller würden künftig genauer nachrechnen und sich fragen, welche Messe man mit Stand besuche und was auch digital gehe.
Lehnen sieht große Chancen für digitale Formate zur reinen Informationsvermittlung: "Einige Präsenzveranstaltungen können in digitale Formate überführt werden, vor allem wenn es um Informationsveranstaltungen, geht wo nicht der Fahrspaß im Mittelpunkt steht." Herford wünscht sich mehr Raum für das Engagement eines neuen jungen Publikums in der Klassik-Szene, die eigene Vorliebe für Autos haben, die nicht unbedingt in der ganz hohen Preisklasse liegen: "Ich würde mir wünschen, dass es neue Veranstaltungen gibt, wo sich junge Menschen an diesen Autos begeistern, wo sie ihr Hobby verfolgen können, mit einem hohen Maß an Authentizität." Hier könnten ganz neue Formate an den Start gehen"Mit den etablierten Veranstaltungen verlieren wir die Jungen, wir brauchen frisches Blut!", so sein Fazit.