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70 Jahre Volkswagen Transporter: Ben und die Bullies

01.09.2017 12:58 Uhr
70 Jahre Volkswagen Transporter
Generationentreffen: VW Bulli Summer Festival 2017.
© Foto: VW

Eine Skizze des niederländischen VW-Importeurs Ben Pon bescherte der Transporterwelt den vielleicht kultigsten Lastenesel und charismatischsten Kleinbus aller Zeiten. Der VW Bulli beförderte alle, gleich ob Handwerker im Wirtschaftswunder, Hippies im Summer of Love oder Firmenbosse und Familien.

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Von Wolfram Nickel/SP-X

Den Weg vom pragmatischen Kleintransporter zum ewig jungen Kultmobil haben bisher die wenigsten Nutzfahrzeuge gefunden. Dabei hat doch Volkswagen mit der liebevoll Bulli genannten Transporter-Reihe gezeigt, wie Legenden gewoben werden. Über zwölf Millionen Einheiten in sechs Generationen konnte VW von seinem vielseitig einsetzbaren Lieferwagen, Kleinbus, Van und Freizeittransporter bisher verkaufen. Das ist nicht einmal dem hartnäckigsten Verfolger Ford Transit gelungen. Was ist das Geheimnis des Bulli? Es liegt in der Geschichte dieses Volkswagens.

Sie beginnt im kriegszerstörten Europa des Jahres 1947, als vor allem Pferdewagen und Vorkriegs-Dreiradfahrzeuge die Transportaufgaben übernahmen. Anders in den Wolfsburg Motor Works unter britischer Verwaltung. Dort wurden praktische Plattenwagen eingesetzt, mit der Technik des VW Käfer und einem Fahrerhaus über dem Heckmotor. Als der Niederländer Ben Pon Anfang 1947 in Wolfsburg dieses Transportvehikel entdeckte, erhandelte er von den britischen Militärbehörden nicht nur einen VW-Händler-Vertrag für sein Heimatland. Er durfte auch den eigenwilligen Plattenwagen exportieren. Nur erteilten ihm die niederländischen Behörden keine Zulassung für das Gefährt mit heckseitigem Fahrerhaus. Für Ben Pon die Inspiration für einen VW-Transporter mit geschlossenem Aufbau, den er in einem Notizbuch skizzierte und der vom 1948 eingesetzten VW-Chef Heinrich Nordhoff umgesetzt wurde.

Nun kam das neue Nutzfahrzeug in Fahrt. Rund zwei Meter Radstand, 1.500 Kilogramm Leergewicht und dazu noch einmal die gleiche Nutzlast, so definierte Ben Pon vor 70 Jahren die Anforderungen an den Volkswagen Transporter (intern Typ 29). Es war ein kantiges Kastenwagenkonzept, das Heinrich Nordhoff überzeugte und so ließ er Ende 1948 seinen Chefkonstrukteur Alfred Haesner mit der Arbeit beginnen. Haesner machte sich das Thema leichte Laster fast zur Lebensaufgabe, denn nur fünf Jahre später lancierte er auch den einzigen echten Rivalen des VW Typ 2, die Ford FK-Modelle (Transit). Zurück zum VW. Nach Windkanalversuchen wurde die Front rundlicher und das anfänglich erprobte Käfer-Chassis wich einer stärkeren Neukonstruktion. Trotz dieses Aufwands stellte Volkswagen in Rekordzeit vier Fahrzeuge für die Pressepräsentation fertig, die genau ein Jahr nach Entwicklungsbeginn nicht mehr bei den britischen Besatzern, sondern bereits in der soeben gegründeten Bundesrepublik stattfand.

Triumphator, Juwel, Felix
 
Einen Namen trug das Nutzfahrzeug damals noch nicht, denn das Patentamt hatte alle VW-Vorschläge zurückgewiesen. Darunter waren Bezeichnungen wie Triumphator, Juwel, Felix - und auch Bulli. Gegen Bulli hatte Lanz überraschende Bedenken, denn der Mannheimer Zugmaschinenhersteller befürchtete eine Verwechslungsgefahr mit seinen Traktoren, was VW-Chef Nordhoff amüsiert kommentiert haben soll. So wurde der vielseitige Volkswagen später schlicht Transporter genannt und gab damit der ganzen Branche einen Namen. Aber auch die Bezeichnungen Typ 2 (Typ 1 war der Käfer) oder eben doch Bulli sind beliebt, zumal der Kosename Bulli im VW-Konzern von Beginn an kursierte.

Serienfertigung begann 1950

Die Serienfertigung des 4,10 Meter langen Bulli mit nun 2,40 Meter Radstand und 760 Kilogramm Nutzlast begann 1950, dem Jahr der ersten Reisewelle nach dem Krieg. Zu einer Zeit als noch immer fast fünf Millionen Wohnungen fehlten, aber die Wirtschaft bereits auf vollen Touren lief und die Wochenarbeitszeit 49 Stunden betrug, dies von Montag bis Samstag. Der Startschuss für den VW Transporter war ideal terminiert, denn Unternehmer und Handwerker verlangten dringend Ersatz für ihre klapprigen Uralt-Vehikel. Bis Jahresende wurden 8.000 Kastenwagen und Kleinbusse gebaut, nicht genug, um lange Lieferzeiten zu vermeiden. Zumal im selben Jahr der Bulli-Export in die ganze Welt startete, durch Ben Pon natürlich zuerst in die Niederlande.

Ab 1951 ergänzte ein sogenanntes Sondermodell, vom Volksmund als Samba-Bus bezeichnet, das Bulli-Angebot. Dieser fröhliche Vorgänger des aktuellen Caravelle bot 25 Fenster und ein Schiebedach für seine Passagiere und erzielt heute Liebhaberpreise, die in den sechsstelligen Bereich gehen - einmalig für ein kleines Nutzfahrzeug. Auch die Westfalia-Campingbox als Vorläufer aller späteren VW-Campingbusse wurde 1951 aufgelegt. Wie dem Käfer verordnete Volkswagen dem Transporter eine jährliche Modellpflege. Flügeltüren auf beiden Seiten, Pritschenwagen und mehr Leistung (22 kW/30 PS aus 1,2 Liter Hubraum) zählten dazu, so dass Heinrich Nordhoff schon 1954 den 100.000sten Typ 2 feierte. Die halbe Million machte 1960 ein Bulli aus dem neuen Werk Hannover voll. Satte 71 Prozent Marktanteil in Deutschland sowie ab 1963 die praktische „Ratschbumm“-Schiebetür zeigten, dass der T1 dem Zenit seiner Karriere zustrebte. Beim Generationswechsel im Sommer 1967 kam der T1 auf 1,8 Millionen Bullis, der nachfolgende größere und variantenreichere T2 brachte es jedoch schon auf drei Millionen Fahrzeuge allein aus europäischen Werken.

Globaler Bulli-Hype

Nicht nur in der Bundesrepublik, sondern weltweit waren die Volkswagen Transporter die Nummer eins in ihrem Segment, was auch die immer längeren Lieferzeiten verrieten. Stellvertretend für den globalen Bulli-Hype sei der T2 aus Brasilien genannt. Dieser Oldie brachte es auf 46 Produktionsjahre, ehe er 2013 in den Klassikerhimmel aufstieg. Alarmsignale für alle Konkurrenten, die oft mit technisch anspruchsvolleren, leistungsstärkeren oder ladefreundlicheren Konstruktionen aufwarteten, aber in Wirtschaftlichkeit und Größe des Händlernetzes unterlegen waren. Ernsthafte Konkurrenz erwuchs dem VW mit Bulli-Schnauze aber erst durch den 1965 erneuerten Ford Transit.

Nachdem der Volkswagen Transporter ein neues Leicht-Laster-Segment definiert hatte, konterten die Kölner Ford Werke. Schließlich hatte sich der Transit seit seinen Anfängen als FK1000 vom spartanischen Arbeitstier zum multifunktionalen Vielzweckmobil entwickelt. Dies mit einer bis dahin beispiellosen Aufbau- und Variantenvielfalt und optionalem Dieselmotor. Talente, die den Transit bis heute zum härtesten Rivalen des Bullis machen, mehr als die Kleinlaster von Fiat, den Franzosen oder von Mercedes.

Ob VW oder Ford, beide Kästen avancierten zu Favoriten der Wohnmobilausstatter und Lieblingen der Flower-Power-Ära. Während mit dem Transit Generationen von Rock- und Popgruppen quer durch Europa tingelten, war der Volkswagen in Amerika, Indien und auf Ibiza ein Symbol der Hippies. Dennoch: Bis heute reicht es für den Ford nur für Platz zwei hinter dem Bulli als Zwölf-Millionen-Bestseller seines Segments. Möglich machte das die konsequente Evolution über den VW T2 (ab 1967) in größerem Format und mit stärkeren Motoren, den T3 (ab 1979) mit Diesel und wassergekühlten Boxern, den T4 (ab 1990) mit Frontmotor und Vorderradantrieb, den T5 (ab 2003) mit neuen Luxusversionen und optionalem 3,2-Liter-Benziner bis hin zum aktuellen T6. In die Zukunft tragen soll die Bulli-Legende die Elektrobus-Studie I.D. Buzz, deren Serienbau Volkswagen für 2022 versprochen hat.

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