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Ford GT Baujahr 1964: Vollgas aus der Vergangenheit

06.07.2017 06:00 Uhr
Kaum ein Auto hat in den 60er-Jahren so für Furore gesorgt wie der Ford GT.
© Foto: Ford

Der neue Ford GT gilt als einer der faszinierendsten Supersportwagen aller Zeiten. Allerdings nur, bis man sich in das Original aus den Sechzigern setzt. Denn acht Zylinder, 4,7 Liter Hubraum und 340 PS wecken Erinnerungen, an die auch der neue Traum aller Tiefflieger nicht herankommt.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

Ein Ford für 530.000 Euro? Wenn die Amis in diesem Sommer endlich den GT von der Leine lassen, werden sich selbst reiche Raser an die Stirn tippen. Es sei denn, sie kennen das Original aus den Sechzigern. Denn kein anderes Auto hat damals so sehr für Furore gesorgt wie dieser Ford. Nicht umsonst ist er beim 24 Stunden-Rennen von Le Mans im Frühjahr 1966 gleich als Trio an die Spitze gestürmt und hat Ferrari damit die vielleicht größte Schmach in der Renngeschichte eingebracht.

Die alten Schwarz-Weiß-Bilder eines regnerischen Renntages kommen einem sofort wieder in den Sinn, genau wie der Film mit Steve McQueen, wenn sich plötzlich ein Transporter öffnet und daraus ein Auto wie aus einer anderen Welt rollt. Flach, breit, schwarz und mit einem Kennzeichen, dass sich selbst Präsident Bill Ford nicht an den Dienstwagen schrauben würde: FMC 1 "Ford Motor Company 1" – mehr muss zum Stellenwert nicht sagen, den dieses Auto in der Firma hat.

Der Rundkurs, an dem das Ufo aus der Vergangenheit seinen Landgang antritt, ist zwar nicht die legendäre Strecke an der Sarthe, sondern nur das Testoval der Ford-Fabrik im englischen Dunton. Sie ist nicht einmal halb so lang wie der 24-Stunden-Kurs, die Geraden sind kürzer und die Kurven weniger spektakulär. Doch wenn man in diesem Auto sitzt, fühlt sich selbst ein Feldweg an wie die legendäre Hunaudieres-Gerade, auf der Bruce McLaren und Chris Amon damals bei ihrem famosen Sieg den 7-Liter-V8 ihres GT40 voll ausgefahren und die 350 km/h hinter sich gelassen haben.

Als höre man die Englein singen

Also rein in die Rennschale, an mit dem Motor und raus auf die Strecke! Wobei da leichter gesagt als getan ist. Schließlich steht die 40 im Typenkürzel für die Höhe in Inch und 1,02 Meter sind verdammt wenig für ein Auto, wenn man noch einen Hauch von Bodenfreiheit und eine Spur von Dach abzieht und man beim Einsteigen auch noch über einen 30 Zentimeter breiten Schweller klettern muss, unter dem rund 70 Liter Sprit schwappen. Aber als wäre der Wohlstandsspeck wie weggeschmolzen und das Rückgrat wieder so biegsam wie damals als Teenager, sitzt man plötzlich in der löchrigen Lederwanne, sieht durch den schmalen Schlitz hinter dem Lenkrad das schärfste PS-Dekolleté aller Zeiten und im Rückspiegel die acht Hutzen auf den Zylindern, die wie Orgelpfeifen über dem Motor thronen. Und dann ist es, als hörte man die Englein singen. Physikalisch sitzt man zwar vor dem 4,7 Liter großen V8, den die Ingenieure kurzerhand aus dem Mustang geklaut haben. Psychologisch allerdings ist man mittendrin, hört das Triebwerk weniger, als dass man es spürt und hat das Gefühl, dass sein Blut längst in den Zylindern kocht, während einem das Benzin durch die Adern schießt.

Genauso, wie man dieses Auto fühlt, so fährt man es auch. Es braucht zwar drei, vier Runden, bis der Wagen so richtig warm ist und sich die ganze Feinmechanik wieder sortiert hat. Und ein bisschen Übung kann nicht schaden, wenn man in einem Rechtslenker sitzt, die Füße über winzige Pedale fliegen und man den Stummel für das hakelige Fünfgang-Getriebe erst irgendwie aus der rechten Kniekehle friemeln muss, bevor man den Drehzahlmesser vor dem Overkill retten kann. Doch je länger man die Gerade auf der Teststrecke hinunter jagt, desto später bremst man vor der 180-Grad-Kehre, und desto selbstverständlicher fühlt es sich an, wenn um die 340 PS und etwa 450 Nm einem kaum 1.000 Kilo schweren Kampfwagen aus Aluminium und Fiberglas dem Horizont entgegen schleudern. Von 0 auf 100 in rund fünf Sekunden und bei Vollgas je nach Set-Up und Strecke zwischen 270 und 300 km/h – in modernen Sportwagen schafft man das mit dem kleinen Zeh und lenkt dabei mit den Fingerspitzen. Doch im GT40 ist das buchstäblich ein Kraftakt und es fühlt sich an, als würde eine Concorde starten – wenn nicht gleich eine Saturn-Rakete.

Wer bremst, verliert

Schneller, immer schneller möchte man mit dem rasenden Rentner fahren, die Gänge weiter ausdrehen, das Gaspedal noch tiefer treten und die Flunder noch härte um die Kurven zirkeln. Wer braucht schon ESP, wenn er fette Slicks auf den Achsen und ordentlich Herz in der Hose hat? Und wozu aktive Aerodynamik oder Keramikscheiben? Wer bremst, verliert und den Sieg in Le Mans gab’s schließlich ich nicht im Schongang.

Doch je größer die Lust wird, desto mehr Angst macht sich breit. Schließlich hat Ford von 1964 bis 1968 gerade einmal 124 Exemplare des GT40 gebaut. Und obwohl da ganz sicher nur Draufgänger am Steuer saßen, haben davon bislang 107 überlebt. Deshalb möchte man nicht schuld daran sein, dass es demnächst vielleicht nur noch 106 Autos sind und zwingt sich schweren Herzens zur Zurückhaltung.

Wer einmal in einem GT aus den Sechzigern gesessen hat, dem ist das neue Modell herzlich egal. Denn so authentisch das Remake auch sein mag und so sehr es sich nach Rennwagen anfühlt, bleibt es gemessen am Original natürlich trotzdem nur ein müder Aufguss. Wer allerdings deshalb und weil er bei der Zuteilung der 1.000 neuen Exemplare leer ausgegangen ist, nach einem Klassiker sucht, der wird gleich die nächste Enttäuschung erleben. Denn der echte GT40 ist nicht nur das seltenere Auto, sondern auch das teurere. Das sehr viel Teurere sogar. Auktionserlöse in zweistelliger Millionenhöhe machen ihn zum aktuell wertvollsten US-Oldtimer der Geschichte und die 530.000 Euro für die Neuauflage riechen plötzlich verdammt nach einem Schnäppchen. 


Ford GT 1964

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