Überrollkäfig, Schalensitze, diverse Leitungen, Kabel, Schalter und Displays, im engen Cockpit des Opel Corsa sieht es fast so aus wie in jedem anderen Rallyeauto auch. Mit einem Unterschied: Es fehlt der lange Schalthebel, mit dem der Fahrer die Gänge im Bruchteil einer Sekunde wechseln kann. Der Grund ist simpel: Opels kleiner Bestseller fährt elektrisch, benötigt damit kein Getriebe. Fahrpedal niederdrücken reicht – und ab geht’s.
Bislang dröhnen auf jeder Rallye, egal ob WRC (World Rally Championship) oder DRM (Deutsche Rallye Meisterschaft) klassische Verbrennungsmotoren. Von alternativen Antrieben will man hier nichts wissen, zumindest noch nicht. Das könnte sich allerdings in Zukunft ändern. Mit gutem Beispiel voran geht Opel. Die Rüsselsheimer, seit mehr als einem halben Jahrhundert im professionellen Rallyesport zu Hause, schicken bereits die dritte Saison ihren elektrischen Corsa auf die Piste. Der kompakte Stromer ist weltweit das erste E-Fahrzeug, mit dem ein Markenpokal (ADAC Opel Electric Rally Cup "powered by GSe") ausgetragen wird. Die Serie soll jungen Talenten als Einstiegsplattform in den Rallyesport dienen.
Rallye und Strom, wie passt das zusammen? Wo stehen die Ladesäulen? Wie lange oder wie weit können die Piloten überhaupt fahren? Mit diesen Fragen haben sich natürlich auch die Motorsport-Strategen bei Opel intensiv auseinandergesetzt – und brauchbare Lösungen gefunden. Der Markenpokal findet im Rahmen konventioneller Rallyes statt, hat sein eigenes Reglement und fährt nicht jede Wertungsprüfung (WP) mit, die die Verbrenner absolvieren müssen.
Opel Corsa Rally Electric
BildergalerieAuch was die Leistung angeht, könnte der Corsa Electric kaum mit seinen Benzinbrüdern mithalten. Sein E-Motor leistet wie im Serienmodell lediglich 100 kW / 136 PS, das Drehmoment beträgt vom Stand weg 260 Newtonmeter. Doch die Zahlen spiegeln nicht die wahre Performance auf Rallyestrecken wider. Wie flott es über Stock und Stein gehen kann, konnten wir auf einer abgesperrten Schotterpiste in Österreich erfahren. Auf ihnen kann der Corsa Rally Electric sogar aufgrund seines tiefen Schwerpunktes und der guten Gewichtsverteilung (beides ist der Batterie im Boden geschuldet) einige Vorteile im Handling ausspielen. Aus Kurven heraus hilft ihm das frühe und volle Drehmoment des E-Motor enorm. Enge Kehren können wunderbar mit einem kurzen Zug an der Handbremse (langes, senkrechtes Rohr zwischen den Vordersitzen) im Drift genommen werden.
Eine große, logistische Herausforderung bei einer Rallye mit E-Fahrzeugen war für Opel die Bereitstellung von Energie, sprich Strom. 18 private Teams gilt es zu versorgen. Die Lösung, große Generatoren, die mit Diesel oder Erdgas betrieben werden, im Fahrerlager laufen zu lassen (so macht es die Formel E), kam nicht infrage. Auch einen Sattelzug voller geladener Batterien abzustellen, wurde verworfen. Der Ladestrom wäre zu gering, die Ökobilanz schlecht. Opel dagegen zapft den Strom mit rund 20.000 Volt vom öffentlichen Mittelspannungsnetz ab und schickt ihn in einen eigens mitgebrachten Transformator, der den Strom in 1.000 Volt Gleichstrom (DC) umwandelt. Vom Transformator wandert der Strom dann zu sogenannten Cubes (Ladepunkten) direkt zu den Rallye-Corsa. Jedes Fahrzeug lässt sich so mit bis zu 100 kW in nur 25 Minuten wieder aufladen – und ist fit für die nächste Etappe.
Im Renntempo hält der 50-kWh-Akku maximal 60 Kilometer, was deutlich über den durchschnittlichen Wertungsprüfungen liegt. Die sind zwischen 5 und 15 Kilometern lang, selten mal mehr. Prinzipiell also passen Strom und Rallye gut zusammen. Hellhörig ist auch die oberste Motorsportbehörde, die FIA, geworden. Dem Vernehmen nach soll es ab 2025, läuft alles nach Plan, ein Reglement für BEV (Battery Electric Vehicles) in der Rallyeklasse 5 geben. Es wäre eine kleine Revolution im Rallyesport.