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70 Jahre Citroen DS: Schwebend der Zukunft entgegen

11.03.2025 10:29 Uhr | Lesezeit: 3 min
Geburtsstätte einer Göttin – Im Grand Palais in Paris debütierte 1955 der Citroen DS 19, im Bild mit ihrem modernen Nachfolger von 2025, dem DS No 8.
© Foto: DS Automobiles Stellantis Bruit

Umsturz in Paris, statt modischer, aber mutloser Pontonformen plötzlich Avantgarde: Vor 70 Jahren beamte der futuristisch designte Citroen DS den Automobilbau in die Zukunft. Technisch und kulturell einzigartig, so avancierte die göttliche "Déesse" zum Jahrhundertauto – das heute als Fundament für die Premiummarke DS dienen soll.

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Wie sieht die Autowelt in 15 oder 20 Jahren aus? Wer 1955 einen Blick in die Kristallkugel riskieren wollte, ging zum Pariser Autosalon, denn dort präsentierte Citroen eine Zeitmaschine namens DS 19. "Mon dieu, incroyable!", staunten sogar Fachleute bei der Premiere der vom Bildhauer und Designer Flaminio Bertoni in futuristische Form gebrachten großen Citroen-Limousine.

Sogar den gleichfalls neuen Peugeot 403 in eleganter Ponton-Couture aus dem Atelier des Stardesigners Pininfarina ließ der revolutionäre Citroen alt aussehen. Die DS, französisch gesprochen Déesse wie "Göttin", wirkte wie ein Auto für die Gesellschaft von übermorgen, zumal ihre visionären technischen Raffinessen wie die Hydropneumatik für schwebend leichtes Dahingleiten dem aerodynamischem Karosseriekörper in nichts nachstanden.

Weltweit erste Wankel-Limousine

Als NSU 1967 den Ro 80 als weltweit erste Wankel-Limousine in Stromlinienform vorstellte, gab es nur eine Messlatte: die Göttin, inzwischen zur DS 21 gereift. Noch 1975, in ihrem finalen Jahr als DS 23, zeigte die Déesse Vorsprung: Der Mercedes 450 SEL 6.9 beeindruckte die Oberklasseklientel als erster Benz mit dem Komfort einer hydropneumatischen Federung – 20 Jahre nach dem Debüt des Features im DS 19. Wie kein zweites französisches Automobil hat sich die Déesse in die Geschichte von Technik, Kunst und Kultur eingetragen, und sie fungiert seit 2015 sogar als Vorbild für DS Automobiles, einer neuen Premiummarke aus Paris.

Der Buchstabencode eines früheren Citroen-Modells als Signet für die französische Edeldivision von Stellantis: Vergleichbares hat es in der Automobilhistorie nicht gegeben. So verwundert es auch nicht, dass DS Automobiles den 70. Geburtstag seines Namensspenders mit einem neuen Flaggschiffmodell würdigt. Das vollelektrische, aerodynamisch gezeichnete SUV-Coupé DS No 8 soll an das luxuriöse Fahrerlebnis der einstigen Göttin erinnern, allerdings wird die Hydropneumatik ersetzt durch ein zeitgeistiges adaptives Fahrwerk.


70 Jahre Citroen DS

70 Jahre Citroen DS Bildergalerie

Anders sortiert sind beim DS No 8 auch die Ausstattungslinien: Der mythische Name „Pallas“ definiert die preiswerteste Basisausstattung. Verrückt, mögen da Fans der früheren DS-Typen denken: Wurde der einst größte Citroen – mit 4,84 bis 4,87 Meter Länge im Format der damaligen deutschen Oberklasse – doch erst in der betont luxuriösen und kostspieligen Pallas-Linie zum internationalen Inbegriff französischen Lifestyles. Weshalb in den 1960ern und 70ern viele passionierte DS-Fahrer ihren Citroen schlicht „der Pallas“ nannten, zumal der Name göttlichen Bezug hat. Erinnert er doch an Pallas Athena, die griechische Göttin der Weisheit, Künste und Wissenschaften. Wie einst diese wurde auch die automobile gallische Göttin bewundert, angebetet – und ob ihrer Schwächen bisweilen verflucht.

So drohte der Rostteufel speziell die Anfang der 1970er Jahre produzierten DS-Modelle – es gab neben den Limousinen u.a. die über fünf Meter langen Kombis Break, Familiale und Commerciale sowie extravagante Cabriolets und extralange Repräsentationskarossen aus der Manufaktur von Henri Chapron – vorschnell zu eliminieren.

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Es waren allerdings nicht nur die luxuriösen Pallas oder die präsidialen Staatskarossen für den Élysée-Palast, denen die 20 Jahre lang gebaute Citroen-Modellreihe ihren Status als technisches Wahrzeichen der Grande Nation verdankte. Ebenso wie einst beim Bau des Eiffelturms – in dessen Sichtweite die DS-Typen vor 70 Jahren debütierten – war es eine in dieser Art noch nie dagewesene Faszination des Fortschritts, die sich in den großen Citroen-Modellen spiegelte.

Eigene Galas für Staatsgäste und Prominente auf einem Automobilsalon, das gab es erstmals im Oktober 1955, als der DS 19 vorgestellt wurde. Angeblich 750 Bestellungen sammelte Citroen in den ersten 45 Minuten nach der Enthüllung des an ein Raumschiff aus Science-Fiction-Filmen erinnernden Fahrzeugs, rund 12.000 Kaufwillige sollen sich bis zum Abend des ersten Messetags gemeldet haben, ein Rekord für die Ewigkeit. Insgesamt entstanden bis 1975 fast 1,5 Millionen Citroen DS; zur Einordnung: NSU erreichte mit dem revolutionären Ro 80 nicht einmal drei Prozent dieser Mega-Auflage.

Leichtbau-Karosserie

Die zukunftsgläubigen Franzosen nahmen die DS an, für deren unkonventionelle Technik das kongeniale Konstrukteurs-Duo André Lefèbvre und Paul Magès verantwortlich zeichnete. Branchenweite Leuchtturm-Wirkung entfaltete die Leichtbau-Karosserie mit Teilen aus glasfaserverstärktem Kunststoff und Aluminium und gigantischem, 3,13 Meter großem Radstand für Reisekomfort. Aber auch die hydropneumatische Federung mit Niveauregulierung, die einzigartige Zweikreisbremsanlage mit Hochdruckservounterstützung inklusive vorderer Scheibenbremsen, das halbautomatische Getriebe, das aufprallsichere Einspeichen-Lenkrad, die Gürtelreifen und ab 1967 die mitlenkenden Scheinwerfer setzten Maßstäbe. Nicht alle dieser teils einzigartigen Technologien arbeiteten stets fehlerfrei, aber DS-Piloten waren sich ihrer Pionierrolle bewusst und konnten ihrer Göttin verzeihen.

Den Erfolg der Typen DS und ab 1957 auch ID (für "Idée") als Einstiegsversion begrenzten nicht einmal die bescheidenen Vierzylinder-Benziner mit 46 kW/63 PS bis maximal 93 kW/126 PS oder die hohen Preise auf Exportmärkten. So kosteten die DS-Modelle in Deutschland Mitte der 1950er ähnlich viel wie der V8-Typ BMW 501 und in den 1970ern sogar mehr als die Sechszylinder-Typen Mercedes 280 oder BMW 2500.

DS glänzte als Diva

Andererseits setzte die Déesse bei ihren fortschrittsgläubigen Käufern neues Denken voraus, denn dieser Space-Age-Citroen wurde öffentlich diskutiert wie avantgardistische Kunst. So vom Kulturphilosophen Roland Barthes, der den neuen Citroen als mythisches, vom Himmel gefallenes Objekt betrachtete. In vielen Büchern und in rund 1.500 Filmen besetzte die DS die automobile Hauptrolle. Ob unter Regisseur François Truffaut, Begründer der Nouvelle Vague, oder mit Stars wie Marcello Mastroianni, Leonardo Di Caprio, Alain Delon oder Cathérine Deneuve: Die DS glänzte als Diva. Und als Botschafterin des Techno-Futurismus, der unter dem Staatspräsidenten Charles de Gaulle auch den Caravelle-Jet, die Concorde und Hochgeschwindigkeitszüge hervorbrachte. De Gaulle liebte die DS, zumal er in der Göttin 1962 einen Attentatsversuch überlebte – für Citroen unbezahlbare Werbung.

Ihre außergewöhnliche avantgardistische Auslegung vererbten die DS-Modelle, die auch als Kombis, Krankenwagen, Lieferwagen, Taxis und Polizeiautos französische Alltagskultur verkörperten, an den 1974 vorgestellten Citroen CX. Den Nimbus einer Göttin erreichte aber bislang kein anderer Citroen – auch wenn die heutige Stellantis-Marke DS seit 2015 diese Ambition verfolgt.

Die Bedeutung der DS für Oldtimerfans, erklärt Christoph Pichura von Classic Analytics: "Zur DS gibt es keine Alternative. Ihre Fans lieben die Form, den Fahrkomfort, ihre technischen Raffinessen und sehen über ihre Schwächen frankophil lässig hinweg. Schon früh wurde sie zum Liebhaberauto und kostet heute im guten Zustand etwa 26.400 Euro."


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