Die meisten Autohändler die heute ein Auto verkaufen, nehmen gleichzeitig ein altes Fahrzeug in Zahlung. Wie viel es wert ist, steht dabei in der Regel schnell fest – ein Blick in die entsprechenden Datenbanken genügt. Das war nicht immer so: In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts noch musste jeder Händler allein auf Basis seiner eigenen Erfahrung den Wert eines Autos einschätzen. Gerade bei Fremdfabrikaten lag dabei so mancher gründlich daneben. Gleichzeitig lieferten sich viele Betriebe Rabattschlachten, während die Hersteller mit Überkapazitäten und den Folgen von Kriegswirtschaft und Wirtschaftskrise zu kämpfen hatten. Sowohl viele Händler als auch Hersteller mussten in der Folge Insolvenz anmelden – allein die Zahl der Hersteller sank von 1923 bis Ende 1930 von 77 auf 16.
Was allen fehlte, waren valide, für jeden zugängliche Marktdaten. Um das zu ändern und die Branche so vor dem weiteren Kollaps zu bewahren, gründeten die Vorgänger von VDA, VDIK und ZDK – etwa der Reichsverband der Automobilindustrie oder der Reichsverband des Kraftfahrzeughandels – die Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT). Am kommenden Sonntag nun feiert sie ihren 90. Geburtstag.
Marktdaten für alle
Seit ihrer Gründung begreift sich die Organisation als neutralen Schiedsrichter, der für alle Akteure gleichermaßen Marktdaten sammelt, sortiert, normiert, strukturiert und dann flächendeckend bereitstellt. Damit das funktioniert, haben sich die Hersteller verpflichtet, der DAT und ihren Experten sämtliche Daten zu Neuwagenpreisen, Ausstattungsmerkmalen, Ersatzteilpreisen und Arbeitswerten bereitzustellen. Der Handel wiederum steuert eigene Daten, wie die Verkaufspreise von Gebrauchtwagen, bei. Durch dieses Vorgehen konnte ab 1931 dann auch der Mercedes-Händler beurteilen, was der alte Opel seines Kunden wirklich wert ist und wie sich notwendige Reparaturaufwände auf den Preis der Inzahlungnahme auswirken. Und umgekehrt konnte auch der Opel-Händler den Mercedes vor sich besser einschätzen bzw. von DAT-Sachverständigen einschätzen lassen.
90. Geburtstag DAT
BildergalerieDie Konstellation der Gesellschafter sowie die Beteiligung von Verbraucherverbänden sollte dabei garantieren, dass kein Akteur gegenüber den anderen einen Vorteil erlangt, beispielsweise in Form besserer Fahrzeugbewertungen. Um die Neutralität zu bewahren, gibt es aber noch einen weiteren Sicherungsmechanismus: Die drei Gesellschafter VDA, VDIK und ZDK sind gegenüber der DAT nicht weisungsbefugt. "Als ich neulich einem sehr erfahrenen Juristen im Unternehmensrecht die Satzung der DAT gezeigt habe, hat dieser mit Verwunderung festgestellt, dass die DAT-Geschäftsführung nicht dem Weisungsrecht ihrer Gesellschafter unterliegt. Dies wäre ihm in 30 Jahren Berufspraxis noch nicht untergekommen", berichtet DAT-Chef Jens Nietzschmann.
Daran haben sich bislang auch offenbar alle gehalten: "Ich selbst habe es in den zurückliegenden 26 Jahren als Mitarbeiter der DAT kein einziges Mal erlebt, dass jemand aus den Gremien jemals auch nur ansatzweise zum Beispiel Einfluss auf die von uns veröffentlichten Gebrauchtfahrzeugwerte nehmen wollte: Offenbar haben alle den notwendigen Respekt vor unserer Schiedsrichterrolle", erzählt Nietzschmann.
Preislisten aus Papier sind längst passé
Die gedruckten Preislisten und Reparaturkostenkalkulationen von damals sind indes längst in Datenbanken wie SilverDAT gewandert – erst auf CD und DVD und dann schließlich in die Cloud. Dort finden Betriebe mittlerweile auch Original-Reparaturanleitungen, erhalten Zugang zu Telematikdaten und bekommen von einer künstlichen Intelligenz Hilfe bei der Analyse von Schäden. Seit den 1970er Jahren nimmt die DAT auch die Verbraucher selbst in den Blick und veröffentlicht einmal im Jahr ihren DAT-Report mit Einblicken in die Wünsche und Befindlichkeiten der Autokäufer.
Eine Feier zum 90. Geburtstag steht übrigens erst einmal nicht an – das Corona-Virus schert sich schließlich wenig um Jubiläen. Erst im Sommer soll es, wenn möglich, eine kleine Feier geben. (aw)