Im Interview sagt der Leiter Forschung und Entwicklung von Schmierstoffspezialist Liqui Moly, David Kaiser, worauf man vor dem Tanken der neuen klimafreundlichen Spritsorten B10 und XTL beziehungsweise HVO achten sollte.
B10, XTL, HVO – drei Kürzel, aber nur zwei neue Kraftstoffsorten. Was hat es damit auf sich?
David Kaiser: Bei B10-Diesel ist die Erklärung einfach. Verglichen mit dem bisherigen B7-Diesel, dessen Biodieselanteil sieben Prozent ausmacht, sind es bei B10 zehn Prozent. Die restlichen 93 beziehungsweise 90 Prozent sind fossiler Diesel. Im Gegensatz zu HVO ist der Kraftstoff immer noch aus wenig bearbeiteten Naturstoffen. Und da kommen wir zur nächsten Abkürzung. HVO steht für Hydrotreated Vegetable Oils. Sie werden aus Altspeise- oder aus Pflanzenöl gewonnen. Hinter XTL verbirgt sich X-To-Liquid. Das X steht für einen beliebigen Energieträger, der verflüssigt wird. Das Ausgangsmaterial kann ein beliebiger Rohstoff sein. Und der wird in einem synthetischen Herstellungsprozess zu paraffinischem Diesel umgewandelt.
Das Verfahren ist immer identisch?
D. Kaiser: Nein, es gibt zwei verschiedene. Im Fischer-Tropsch-Verfahren entstehen die Kraftstoffe aus einem Synthesegas, das als Basis dient. Dieses setzt sich aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid zusammen und kann ursprünglich Biomasse, Kohle, Erdgas oder grüner Wasserstoff und CO2 aus der Luft sein. Der Zusatzstoff gibt dem Treibstoff seinen Namen: BTL ist Biomass-To-Liquid. Bei CTL bedeutet das C Coal, also Kohle und im Falle von Gas heißt der Kraftstoff bei Verwendung von Erdgas GTL oder bei Verwendung von Wasserstoff aus Elektrolyse E-Fuel. Das andere Verfahren nutzt hydrierte Pflanzenöle, kurz HVO. Es kann in Reinform getankt oder fossilem Diesel beigemischt werden.
Gibt es für diese Mischungen konkrete Bezeichnungen?
D. Kaiser: Ja. Je nach HVO-Anteil heißt der Treibstoff Klimadiesel 25, Klimadiesel 90 oder HVO100 beziehungsweise C.A.R.E. Diesel.
Wer darf diese alternativen Kraftstoffe tanken?
D. Kaiser: Jedes Fahrzeug, das vom Hersteller freigegeben wurde. Befindet sich auf der Innenseite der Tankklappe ein Symbol mit der Kennzeichnung XTL oder B10, kann der Kraftstoff bedenkenlos eingefüllt werden.
Wie groß sind die Unterschiede zu herkömmlichem Diesel?
D. Kaiser: In der Praxis schneiden die neuen Dieselvarianten nicht schlechter als der bislang verfügbare Diesel ab. Das haben Tests gezeigt. Aufgrund ihrer synthetischen Beschaffenheit sind XTL und HVO aus technischer Sicht sogar hochwertiger, denn sie sind frei von Aromen und anderen Nebenprodukten. Auch die Cetanzahl ist mit bis zu 74 höher als bei fossilem Diesel (54). Für das Verbrennungsverhalten im Motor ist das positiv. Außerdem entstehen 30 Prozent weniger Feinstaub und Stickoxide. Obendrein ist der Verschleiß technischer Komponenten geringer; dazu zählen Partikelfilter und Abgasrückführsystem (AGR). Im Vergleich zu Bio- oder Mineralöldiesel verbrennt der alternative Kraftstoff sauberer und ist alterungsresistenter.“
Klingt sehr gut für Autofahrer, weniger gut für einen Hersteller von Additiven, die vor Verschleiß schützen und eine saubere Verbrennung gewährleisten. Werden Kraftstoffzusätze von Liqui Moly nicht mehr gebraucht?
D. Kaiser: Und ob. 30 Prozent geringerer Verschleiß von technischen Komponenten bedeutet nur verschleißärmer, aber nicht verschleißfrei. Auch entstehen immer noch Rückstände und Ablagerungen als Folge des Verbrennungsprozesses, nur eben weniger als beim B7-Diesel. Damit der Motor möglichst lange funktioniert, empfehlen wir auch beim Tanken der neuen Kraftstoffsorten Additive, die das System reinigen und pflegen; beispielsweise der Motorsystemreiniger Diesel. Zumal die neuen Dieselsorten nicht über dieselben Schmiereigenschaften wie herkömmlicher Kraftstoff für Selbstzünder verfügen. Unsere Dieseladditive können bedenkenlos in B10 und XTL angewendet werden.
Haben Sie abschließend noch einen Expertentipp?
D. Kaiser: Wer von fossilem Diesel auf HVO und XTL umsteigen möchte, ist gut beraten, das Kraftstoffsystem mit Additiven zu reinigen. So werden bestehende Ablagerungen entfernt. Wer dann noch regelmäßig Additive beim Tanken der neuen Kraftstoffe in den Tank gießt, beugt Verbrennungsrückständen vor.