Von Peter Maahn/SP-X
Viele durchaus namhafte Autohersteller haben in diesem Jahr der Messe in Detroit den Rücken gekehrt, anschließend den traditionsreichen Genfer Salon geschwänzt oder bereits jetzt ihre Teilnahme an der Frankfurter IAA im September abgesagt. Zurück blieben entnervte Ausstellungschefs, die mühsam versuchen mussten, die freien Flächen in den Hallen zu kaschieren. Vielleicht sollten alle mal in Shanghai nachfragen.
Zur Mega-Messe in der Megacity sind nämlich alle wieder da, die sich anderswo die teuren Mieten und den Personalaufwand erspart haben. Die Liste der Aussteller liest sich wie das "Who is Who" des Auto-Olymps. Rolls-Royce, Bentley oder Lamborghini haben ihre neuesten Kreationen ebenso ins Land der Mitte verschifft wie natürlich das Premium-Trio aus Süddeutschland. Und sogar Tesla, das sonst Automessen ebenso meidet wie Benzin-Tankstellen, stellt sich der ebenso elektrischen Konkurrenz zum direkten Vergleich.
Und die hat es in sich. Natürlich dreht sich bei Mercedes-Benz vieles um das stromernde SUV mit Namen EQC oder bei Audi um den Q5 e-tron. Auf die neue Form des Antriebs setzen auch Jaguar, Schwedens Polestar oder all die anderen, die endlich Elektrisches im Angebot haben. Druck bekommt Tesla plötzlich von unerwarteter Seite, von den Firmen aus dem Gastgeberland der Messe.
Frontalangriff gegen die Platzhirsche
Zwar hat die junge China-Marke Nio bei ihrer Anlehnung an Tesla die Ähnlichkeit des kommenden Modells ET deutlich übertrieben. Aber andere coupéhafte Viertürer gehen durchaus eigene Wege. Sicherlich sind manche der fernöstlichen Exponate noch Studien in Vorbereitung auf die Serienproduktion. Aber wer das Tempo kennt, mit dem die chinesischen Firmen loslegen, muss sich wohl auf einen Frontalangriff gegen die etablierten Platzhirsche einstellen. So ein Xpeng P7 (600 Kilometer Reichweite) sieht einfach schick aus. Auch das elektrisches SUV iV6 der weithin unbekannten Firma Bordrin kann sich sehen lassen.
Messerundgang Auto Shanghai 2019
BildergalerieAll diese Beispiele belegen, dass die Messe in Shanghai nicht nur ein weiterer Meilenstein in Richtung Elektrifizierung ist, sondern eben viel mehr. Schon kurz vor Messebeginn beschreibt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer die Zeitenwende: "China ist dabei, die Technologieführerschaft in der Autoindustrie zu übernehmen und legt dabei wegen seiner Größe die Regeln fest." Nach seiner Meinung wird das Auto der Zukunft aus dem Riesenreich kommen. Da läge vor allem auch an der Batterietechnologie und an der weit entwickelten Vernetzung, die für die chinesischen Käufer noch wichtiger ist, als Leistung und Verbrauch bei uns. Schließlich sind über 800 Millionen Chinesen im Internet unterwegs und wollen auch im Auto immer online sein.
Natürlich versuchen die Branchengrößen, vor allem auch die deutschen Edelmarken, dagegen zu halten. BMW mit seiner verlängerten Version des neuen Dreiers, Volkswagen mit einer wahren Schwemme an SUV, die bis Ende des nächsten Jahres insgesamt elf Modelle umfasst. Mercedes widmet China mit der AMG-Version A 35 L eine exklusive Variante der A-Klasse. Mini verlegt die Weltpremiere des Clubman nach Shanghai, und Porsche feiert das Cayenne Coupé. Alles feine Autos, doch irgendwie wirkt all das wie das übliche Business.
Beim Rundgang durch die sechs mit Autoneuheiten bestückten Hallen wird klar: Der Druck der chinesischen Regierung auf mehr "saubere" Autos zwingt die vielen heimischen Hersteller, von denen die meisten bei uns völlig unbekannt sind, zum Handeln. Fast jede noch so kleine Firma hat ein Elektroauto im Angebot, die meisten sogar noch mehr. Dabei ist es die Regel, dass beim Kauf unter verschiedenen Batteriestärken gewählt werden können, je nach Bedarf an Reichweite. Üblich sind zwischen 150 und rund 400 Kilometern. Kleinwagen, die meist an den Smart erinnern, werden ebenso in Fülle angeboten wie SUV im Klein- oder Mittelformat. Die Kunden haben die Wahl.
Noch allerdings ist die Verlockung nach der deutschen Marken ungebrochen. VW ist immer noch mit weitem Vorsprung die meistverkaufte Marke, zusammen mit dem Schwesterfirmen Audi, Porsche und Skoda wird der Abstand sogar noch größer.