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Bremsprüfstände: Engpass oder Panikmache?

22.03.2018 11:00 Uhr
Bremsenprüfstand
Ab 2020 müssen Bremsprüfstände die technischen Vorgaben der Bremsprüfstandsrichtlinie erfüllen.
© Foto: ATT Nussbaum Prüftechnik

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Bremsprüfstand? Nein, haben wir noch keinen neuen, den brauchen wir ja erst 2020." So oder so ähnlich lautet oftmals die Antwort von Werkstätten auf die Frage nach einem richtlinienkonformen Bremsprüfstand. Der Grund dafür: Die leidgeplagten Werkstätten trauen den Vorgaben nicht (mehr). Werkstatt-Inhaber Thomas Holzinger aus Forstinning erklärt: "Man weiß ja nie, in zwei Jahren kann sich noch viel ändern. Dann kaufe ich mir jetzt einen Bremsprüfstand und ein Jahr später sind die Vorgaben doch wieder anders. Die Automobiltechnik entwickelt sich schnell und auf einmal soll der Prüfstand dann weitere Vorgaben erfüllen." Sein Bremsprüfstand von MAHA ist jetzt rund zehn Jahre alt. Vielleicht könnte er aufgerüstet werden. Der Aufwand dafür würde sich aber vermutlich nicht rechnen, hat jedenfalls der Monteur bei der letzten UVV-Prüfung gesagt. Aber genauer hat sich Thomas Holzinger damit noch nicht befasst. Macht er auch nicht. Erst wenn es soweit ist, wird das Thema für ihn relevant.

Abwartende Haltung

Diese Einstellung mag für den einzelnen durchaus nachvollziehbar sein. Schließlich werden nicht zum ersten Mal Fristen verlängert oder Vorgaben angepasst. Als Beispiel sei hier nur die HU-Scheinwerfer-Prüfrichtlinie genannt, bei der es Unklarheiten bezüglich Fristen für die Kalibrierung gab ( siehe Interview auf Seite 20). Kfz-Meister Thomas Holzinger erinnert sich: "Mein Vertreter hat mir letztes Jahr gesagt, dass ich ein neues digitales Scheinwerfereinstellgerät brauche. Dabei konnte ich mein analoges von 2010 weiter verwenden. Erst kürzlich war ein externer Prüfer da und hat es kalibriert." Kein Wunder also, dass der Werkstatt-Betreiber inzwischen skeptisch ist und beim Thema Bremsprüfstand vorerst abwartet.

Das Problem dabei: Zögert die Mehrzahl der Werkstätten die Entscheidung für bzw. gegen einen neuen Bremsprüfstand bzw. eine Umrüstung bis zum Schluss hinaus, kann es gegen Ende der Bestandsschutzfrist 2019 zu Engpässen kommen. Dem wollen die Bremsprüfstands-Hersteller entgegenwirken. Selbstverständlich lassen sich ihre Produktionskapazitäten bis zu einem gewissen Maße erhöhen und sie stellen sich für die nächsten zwei Jahre bereits auf eine steigende Nachfrage ein. "Wir haben die Produktion vereinfacht, die Arbeitszeiten erhöht und Mitarbeiter eingestellt. Allerdings geht das auch nur bis zu einem gewissen Grad", erklärt etwa Harald Schneider von AHS Prüftechnik. Der Hersteller hat erst im vergangenen Jahr gebaut und seinen Stammsitz von Delmenhorst nach Ganderkesse an einen größeren Standort verlagert.

Begrenzte Produktionskapazitäten

Auch die anderen Bremsprüfstands-Hersteller wie Autopstenhoj, Beissbarth/Bosch, Heka Auto Test, MAHA, ATT Nussbaum Prüftechnik oder Snap-On Equipment stellen sich auf die steigende Nachfrage in den nächsten zwei Jahren ein und haben entsprechend vorgesorgt. "Wir passen uns zwar an die höhere Nachfrage an, aber wie bei den anderen Kollegen auch, kann die Stückzahl nur begrenzt hochgefahren werden. Die Montage-Kapazitäten werden zu weiteren Engpässen führen", gibt Herbert Kallinich, Geschäftsführer der Heka Auto Test GmbH, zu bedenken.

Auch individuelle Anpassungen und das Thema Kalibrierung könnten zu Verzögerungen führen. Dazu Robin Spaans, Produktmanager für Prüftechnik bei Autopstenhoj: "Viele Werkstätten wünschen sich einen Prüfstand für ein vorhandenes Fundament, diese Prüfstände haben oft eine deutlich höhere Lieferzeit." Schon jetzt steige die Lieferzeit Monat für Monat an, gegen Ende der Bestandsschutzfrist gehen die Hersteller daher von einem Engpass aus. "Es wird vermutlich zu Engpässen kommen. Der Flaschenhals ist aber mehrschichtig, das heißt zum einen möglicherweise produktionsseitiger Engpass, zum anderen auch beim Thema Montage und vor allem bei der Stückprüfung/Kalibrierung", so Markus Weber, Leiter Business Development & Marketing bei MAHA. Beim Thema Kalibrierung sind die Hersteller jedoch inzwischen entsprechend aufgestellt und können in Zusammenarbeit mit Partnern und akkreditierten Laboren die notwendige Kalibrierung anbieten ( siehe Kasten rechts).

Nachrüstung prüfen

Wie viele Bremsprüfstände im Markt aber tatsächlich noch an die neuen Vorgaben angepasst werden müssen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Der ASA-Verband schätzt den Gesamtbestand auf rund 35.000 ( siehe Interview Seite 18), rund 16.000 Bremsprüfstände müssten bis 2020 noch umgerüstet bzw. erneuert werden. Dem ZDK liegen keine belastbaren Zahlen vor, der Verband geht aber davon aus, "dass aktuell rund 50 Prozent der Bremsprüfstände in Kfz-Werkstätten der Bremsprüfstandsrichtlinie entsprechen. Dass dieser Anteil nicht höher ist, liegt daran, dass Kfz-Werkstätten in den letzten Monaten/Jahren insbesondere mit den Kalibrierungen beschäftigt waren und zum Teil kurzfristig zunächst in die Einrichtung der Flächen für die Scheinwerferprüfung investieren mussten. Darüber hinaus bestand bei den Kfz-Werkstätten im Zusammenhang mit einer möglichen Nachrüstung der ASA-Schnittstelle starke Verunsicherung."

Denn nicht alle Bremsprüfstände müssen gleich ersetzt werden, Werkstätten sollten unbedingt die Nachrüstbarkeit bei ihrem Hersteller prüfen lassen. So sind etwa die Bremsprüfstände von AHS Prüftechnik ab Baujahr Mitte 2006 mit dem AHS-Livestream-Kit nachrüstbar, vorausgesetzt, sie erfüllen die mechanischen Voraussetzungen zum Beispiel hinsichtlich des Rollendurchmessers. "Zum Teil müssen auch die Laufrollen ausgetauscht werden, wenn der Rollendurchmesser keine Kalibrierung nach DAkkS - die nach der Nachrüstung erforderlich ist - zulässt", erklärt Harald Schneider von AHS Prüftechnik weiter.

ATT Nussbaum Prüftechnik hat seine Bremsprüfstände bereits ab 2003 schrittweise mit einer neuen Elektronik ausgestattet. "Alle Prüfstände, die diese neue Elektronik besitzen und - für Pkw schon mit der Prüfgeschwindigkeit 5km/h und einer Achslast von 4 Tonnen ausgestattet sind - sind ohne Weiteres hochrüstbar", erklärt Geschäftsführer Peter Beichter. Da es kein festes Datum für diese neue Elektronik gibt, müsse jeder Prüfstand anhand der Seriennummer individuell bewertet werden. Prüfstände ab Baujahr 2011 entsprächen grundsätzlich der Richtlinie.

Bei MAHA sind alle Bremsprüfstände ab dem Baujahr 2011 nachrüstbar. Bei älteren Prüfständen müsse die Nachrüstbarkeit im Einzelfall geprüft werden. "Um speziell produktionsseitigen Engpässen entgegenzuwirken, bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, bei entsprechender Hardware-Voraussetzung Nachrüstungen in der Fläche mit Prüfständen rückwirkend in die 90er-Jahre anzubieten", ergänzt Markus Weber von MAHA.

Heka Auto Test bestätigt die Nachrüstbarkeit für Prüfstände ab 2003. Bei Beissbarth/Bosch lassen sich Bremsprüfstände der BD600er-Reihe mittels Asanetwork-Livestream-Schnittstelle und zusätzlichem Speed-Sensor hochrüsten. Matthias Kaiser, Produktmanager bei Beissbarth, erklärt dazu: "Bei alten Prüfständen mit einer verringerten Rollengeschwindigkeit von 2,5 km/h ist eine Umrüstung oft nicht wirtschaftlich, da komplette Motor/Getriebeeinheiten getauscht werden müssten, um auf die vorgeschriebenen 4 km/h zu kommen. Prüfstände ausgeliefert seit 2011 sind bereits richtlinienkonform."

Bei Snap-On Equipment bestätigt man die Aufrüstbarkeit für Prüfstände, die vor Veröffentlichung der Richtlinie 2011 ausgeliefert wurden, eigene Aufrüstlösungen seien verfügbar. Ausgenommen davon sind Prüfstände aus den 90er-Jahren und auch bei Prüfständen, die deutlich älter als zehn Jahre sind, rät das Unternehmen aufgrund von fehlender Ersatzteil-Verfügbarkeit von Aufrüstlösungen ab.

Nachrüstung oder Neuanschaffung?

Die Kosten der verschiedenen Nachrüstlösungen lassen sich nicht pauschal beziffern, sind aber in der Regel niedriger als eine Neuanschaffung, sofern die Aufrüstung technisch möglich ist. Dennoch muss im Einzelfall individuell geprüft werden, ob eine Nachrüstung oder Neuanschaffung wirtschaftlich sinnvoller ist.

Auch die Kosten für einen neuen Bremsprüfstand sind abhängig von Umfang und Zubehör. Los geht es laut Autopstenhoj bei ca. 3.200 Euro für einen Plattenprüfstand und ca. 4.500 Euro für einen Rollenprüfstand. Doch wer neu investiert, möchte zukunftssicher sein und bestellt häufig die Allraderkennung, den feuerverzinkten Rollensatz etc. direkt mit. "Diese Prüfstände liegen mit Montage, Stückprüfung und Kalibrierung nach DAkkS bei ca. 6.000 Euro und mehr", weiß Harald Schneider von AHS Prüftechnik.

Alle befragten Hersteller empfehlen die Umrüstmöglichkeiten baldmöglichst prüfen zu lassen bzw. sich bei Bedarf für einen neuen Bremsprüfstand zu entscheiden. Denn die Annahme aller Abwartenden, gegen Ende könnte die Bestandsschutzfrist doch nochmal verlängert werden, verneint Herbert Kallinich, Leiter Prüfstände vom ASA-Verband. Nicht umsonst seien die Übergangsfristen entsprechend lang angesetzt worden.

War seit Veröffentlichung der Bremsenrichtlinie 2011 zunächst keine steigende Nachfrage zu verzeichnen, hat sich dies spätestens 2017 verändert. "Durch die erhöhte Nachfrage werden Ressourcen auf jeden Fall knapp werden und die Lieferzeiten stark ansteigen. Spätentschlossene werden sehr lange auf ihre Lieferung warten müssen", erklärt etwa Thomas Kramer, General Manager bei Snap-on Equipment GmbH aus Unterneukirchen. Peter Beichter von ATT Nussbaum Prüftechnik fasst es wie folgt zusammen: "Früher hieß es, 'Wer nicht bestellt, wird nicht beliefert'. Es könnte 2019 soweit kommen: 'Auch wer bestellt, wird nicht beliefert'."

Kurzfassung

Die Einschätzungen, wie viele Bremsprüfstände sich im Markt befinden und wie viele davon bereits der Bremsprüfstandsrichtlinie von 2011 entsprechen, gehen auseinander. Fakt ist: Bis spätestens 2020 müssen alle Werkstätten, die weiter die HU anbieten möchten, ihre Bremsprüfstände den technischen Vorgaben anpassen. Damit das 2019 nicht zum großen Engpass führt, sollten sich Werkstätten schnellstmöglich um das Thema kümmern, sind sich Verbände und Bremsprüfstands- Hersteller einig.

Kalibrierung

Seit 1. Januar 2017 gilt die Kalibrierpflicht nach den Anforderungen des Verkehrsblatts 14/2016 für alle Bremsprüfstände, die für die Durchführung von Hauptuntersuchungen im Einsatz sind. Die Kalibrierung muss zusätzlich zur Stückprüfung durchgeführt werden.- Wie funktioniert die Kalibrierung?Die Kalibrierung kann nach verschiedenen technischen Verfahren erfolgen, die auch die Mitwirkung des Prüfstandherstellers erfordern (Erstellung einer Kalibrierbeschreibung, Bereitstellung der Kalibriertools und Schulung). Daneben gibt es auch Bestrebungen, herstellerunabhängige Kalibrierverfahren zu entwickeln.- Wer darf kalibrieren?Seit 1.1. 2018 dürften eigentlich Kalibrierungen nur noch von akkreditierten Prüflaboren gemacht werden. Tatsächlich gibt es aber bisher nur drei akkreditierte Labore für die Kalibrierung von Bremsprüfständen in Deutschland.- Wie funktioniert das Bevollmächtigtensystem?Viele Hersteller, Händler, Servicebetriebe und Überwachungsorganisationen bedienen sich zur Kalibrierung der Esz AG Calibration and Metrology, einem Kalibrierdienstleister im bayerischen Eichenau. Die Esz ist seit Juni 2017 von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) als Prüflabor für die Kalibrierung von Bremsenprüfständen akkreditiert. Um die Masse an Kalibrierungen in geschätzt 40.000 Prüfstützpunkten bewältigen zu können, arbeitet man mit dem so genannten Bevollmächtigten-Konzept. Fachkundige Mitarbeiter erhalten durch die Esz eine umfassende Schulung sowie rückgeführtes Messwerkzeug. Danach sind sie befähigt, im Auftrag der Esz AG Kalibrierungen auszuführen. Über eine spezielle Kalibriersoftware prüft die Esz alle Kalibrierungen und gibt diese frei. Erst dann kann ein Kalibrierschein ausgedruckt werden. Derzeit sind 570 bevollmächtigte Techniker im Einsatz.Laut Esz wurden in Deutschland bisher knapp 13.100 Bremsprüfstände kalibriert.Eine Liste mit allen kalibrierbaren Modellen ist auf der Webseite der Esz unter www.esz-ag.de verfügbar. Werkstätten sollten hier zunächst prüfen, ob ihr Bremsprüfstand kalibrierbar ist.

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