Ursprünglich sollte Deutschland seine CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren. Nach dem Rüffel des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesregierung nun 65 Prozent Reduktion gegenüber 1990 als Ziel ausgegeben. Damit wird ein bereits sportliches Ziel noch ambitionierter. Auch der Verkehrssektor, der für 20 Prozent der Emissionen steht, wird um einen signifikanten Beitrag nicht herumkommen. Während die Emissionen in anderen Sektoren seit Jahren rückläufig sind, gab es hier lange Zeit allerdings kaum Bewegung.
Das Marktforschungsunternehmen Dataforce hat deshalb untersucht, weshalb im Straßenverkehrsbereich und speziell bei den Pkw so wenig vorangeht. Letztere stehen für 62 Prozent der CO2-Emissionen im Straßenverkehr, der wiederum 94 Prozent der Emissionen des gesamten Verkehrssektors ausmacht.
Wachsender Fahrzeugbestand frisst CO2-Einsparungen neuer Modellen auf
Im Rahmen eines Webinars hat Dataforce nun seine Ergebnisse präsentiert. Zentrale Aussage: Der konstant wachsende Fahrzeugbestand hat die Einsparungen durch niedrigere CO2-Werte bei Neuwagen bis dato weitgehend aufgefressen. So sei zwar der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen zwischen 2001 und 2018 um 19 Prozent von 181 auf 147 Gramm pro Kilometer gesunken, der Pkw-Bestand aber sei beispielsweise von 2007 bis 2020 von 41,2 auf 48,2 Millionen Fahrzeuge gewachsen. Die Emissionen im Straßenverkehr seien aufgrund dieses Trends zwischen 2001 und 2018 nur um acht Prozent gefallen.
Nun aber rechnet Dataforce mit einem deutlich stärkeren Rückgang der Emissionen. Das liege nicht zuletzt am verbindlichen EU-Flottenverbrauchsziel von 95 Gramm CO2 pro Kilometer nach NEFZ (WLTP: rund 100g/km). Dieses habe in kürzester Zeit zu signifikanten Einsparungen nahezu sämtlicher Autohersteller geführt und werde mit dem sukzessiven Wegfall bestehender Ausnahmeregelungen bis 2025 sehr wahrscheinlich eingehalten. Den Prognosen zufolge würden die Hersteller die 2021 gültige Vorgabe von 124 Gramm CO2 pro Kilometer (WLTP) im Schnitt ebenfalls einhalten, erklärte Benjamin Kiebis, Senior Automotive Analyst bei Dataforce im Webinar.
E-Mobilität als Krisengewinner
Hierbei spiele der Erfolg der Elektromobilität eine entscheidende Rolle. Laut den Erhebungen von Dataforce ist der Anteil alternativer Kraftstoffe bei den Neuzulassungen zwischen dem ersten Quartal 2019 und dem ersten Quartal 2021 von fünf auf 26 Prozent gewachsen. Das E-Auto Angebot sei gleichzeitig von 18 Modellen im Jahr 2018 auf derzeit 40 gestiegen.
Die Corona-Krise habe den Trend zur E-Mobilität dabei maßgeblich befeuert, weil die damit verbundenen Einbußen vor allem zulasten der Verbrenner gingen: Bis auf den September seien die Zulassungszahlen von Verbrennern 2020 in jedem Monat deutlich unter dem Niveau des Vorjahres geblieben. Reine E-Autos (BEV) und Plug-in-Hybride (PHEV) hingegen seien bis auf eine Ausnahme im April in jedem Monat deutlich über dem Vorjahresniveau gelandet. Im Dezember 2020 etwa lagen die BEV-Neuzulassungen bei 759 Prozent des Vorjahresniveaus (Dez. 2019 = 100 Prozent).
Für die Zukunft prognostiziert Dataforce einen weiteren Anstieg alternativer Antriebe und damit verbunden einen Rückgang der CO2-Emissionen. Demnach machen alternative Antriebe (PHEV + BEV) 2025 etwa ein Drittel der Neuzulassungen aus. Auf Benzin und Diesel sollen zusammen nur noch rund 60 Prozent entfallen – so hoch lag 2019 noch der Anteil von Benzin allein. 2026 soll es der Prognose zufolge allerdings einen leichten Knick in die andere Richtung geben, weil die Förderung der E-Mobilität durch die Umweltprämie endet. Das sei aber nur vorübergehend, betonte Kiebis.
Fuhrparks treiben die Elektrifizierung voran
Noch viel deutlicher als im Gesamtmarkt soll der Siegeszug alternativer Antriebe im Flottenbereich ausfallen, glauben die Dataforce-Analysten. Hier prophezeien die Experten, dass sich Verbrenner einerseits sowie BEV und PHEV andererseits im Bereich zwischen 40 und 50 Prozent bis auf wenige Punkte annähern – bevor 2026 mit dem Ende der Förderung die Verbrenner ihren Abwärtstrend kurz umkehren können.
Interessant dabei: Obwohl die E-Mobilität im Flottenbereich deutlich stärker Fahrt aufgenommen hat als im Gesamtmarkt, wissen viele Fuhrparkleiter nur wenig über bestehende Fördermöglichkeiten. In einer Dataforce-Umfrage unter 624 Fuhrparkleitern konnten 42 Prozent von sich aus (ohne Antwortmöglichkeiten) keine einzige staatliche Fördermaßnahme nennen. Am bekanntesten war noch die Umweltprämie mit immerhin 19 Prozent. Selbst als die Umfrageteilnehmer unter mehreren Antwortmöglichkeiten auswählen konnten, welche Förderungen sie kennen, kam die Umweltprämie nur auf 76 Prozent. Auf Platz zwei und drei lagen die reduzierte Dienstwagenbesteuerung (71 Prozent) und die Kfz-Steuerbefreiung (69 Prozent).
Fördergelder nicht ausschlaggebend für E-Autokauf
Dass Fördergelder für viele Flottenverantwortliche bei der Entscheidung für E-Autos offenbar nicht die entscheidende Rolle spielen, zeigt auch eine weitere Dataforce-Umfrage vom März 2021 unter 417 Fuhrparkleitern: Hier erklärten 62 Prozent, dass sie auch ohne Förderungen E-Autos in ihre Flotten aufgenommen hätten. Als Gründe für die E-Autos in ihrem Fuhrpark nannten die Umfrageteilnehmer unter anderem das damit verbundene positive Unternehmensimage, Umweltschutz oder geringere Wartungskosten. Der aus Sicht der Fuhrparkleiter wichtigste Aspekt aber war: Die Nachfrage ihrer Dienstwagenfahrer. Als Ursache dafür sieht Dataforce-Analyst Kiebis den zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte: Um Mitarbeiter zu halten würden viele Unternehmen versuchen, Anreize zu schaffen. Der Dienstwagen sei dafür nach wie vor ein probates Mittel.
Aus Sicht vieler Flottenverantwortlicher besteht im Hinblick auf alternative Antriebe allerdings noch großer Beratungsbedarf. Vor allem die Frage nach der reellen Reichweite bei unterschiedlichsten Witterungsbedingungen und Einsatzszenarien (Stadt, Autobahn, Landstraße) treibt laut Dataforce viele um. Die beste Beratung liefern dabei am ehesten noch die Autohäuser: 42 Prozent fühlen sich von ihrem Autohändler zu alternativen Antrieben gut beraten. Von den Herstellern und Leasinggesellschaften hingegen sagen das nur 34 und 27 Prozent.