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"Ein Vertrauensbruch": Frust bei EU-Partnern über Verbrenner-Blockade

10.03.2023 07:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Nicht nur Frankreich äußert Kritik zu Deutschlands Verhalten beim EU-Verbot für neue Verbrennerautos. 
© Foto: Marcel Kusch / dpa / picture alliance

Eigentlich sollte das weitgehende Verbrenner-Aus ab 2035 in der EU längst beschlossen sein. Doch Verkehrsminister Wissing hat das Vorhaben auf den letzten Metern gestoppt. In Brüssel sorgt das Vorgehen für heftige Kritik – auch an Bundeskanzler Scholz.

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Die anhaltende deutsche Blockade des geplanten Aus für neue Verbrenner ab 2035 stößt bei europäischen Partnern auf Unverständnis und Entsetzen. EU-Diplomaten in Brüssel sprechen von einem Vertrauensbruch und kritisieren die Uneinigkeit der Regierung in Berlin. Auch die Führungsstärke von Kanzler Olaf Scholz (SPD) wird infrage gestellt und Vergleiche mit der ungarischen Regierung von Viktor Orban kommen auf.

"Wir finden, es ist ein Vertrauensbruch", sagt eine Diplomatin der Deutschen Presse-Agentur über das deutsche Vorgehen. Die Verhandlungen hätten in gewohnter Manier stattgefunden, Einwände hätten früher eingebracht werden können – und die deutschen Bedenken seien berücksichtigt worden. "Man würde sich wünschen, dass die koalitionsinternen Streitigkeiten vorher ausgetragen werden." In Zukunft werde man sich immer fragen, "was ein Abkommen mit Deutschland überhaupt noch wert ist". Womöglich würden auch andere Länder auf die Idee kommen, sich ebenso zu verhalten. Ihr Fazit: "Das ist alles höchst bedenklich." 

Denn eigentlich sollte schon seit Dienstag beschlossen sein, wovon Politiker, Autobauer und andere Beobachter ohnehin seit Monaten ausgegangen waren: Dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Darauf hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Oktober geeinigt. Im November bestätigten die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten das Verhandlungsergebnis mit deutscher Zustimmung und das Europaparlament segnete es Mitte Februar ab.

Zustimmung der EU-Staaten eigentlich eine Formalie

Für den vergangenen Dienstag war nun der allerletzte Schritt in dem langen Gesetzgebungsverfahren geplant: die endgültige Zustimmung der EU-Staaten – eine Formalie, die normalerweise ohne Debatte auskommt. Denn es gab ja bereits ausreichend Möglichkeiten, eigene Wünsche einzubringen, wie mehrere Diplomaten betonen. Im Sommer etwa, als die EU-Staaten ihre Verhandlungsposition abstimmten. Oder später, als die Gespräche mit dem Parlament liefen. Aber jetzt Bedenken anzumelden – "das ist ziemlich ungewöhnlich", sagt ein EU-Diplomat. Die anderen Länder seien sehr überrascht gewesen, sagt eine andere Diplomatin. 

Wieder andere Vertreter von Mitgliedstaaten in Brüssel äußern sich weitaus weniger diplomatisch über das Vorgehen, das vor allem der FDP zur Last gelegt wird. Denn erst Ende Februar, rund eine Woche vor der geplanten Abstimmung, äußerte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing via "Bild" plötzlich Bedenken – und drohte in der Zeitung damit, dem Ergebns nach monatelanger Verhandlung nicht zuzustimmen. Seitdem betonen Wissing und FDP-Chef Christian Lindner immer wieder, dass die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreiten müsse, wie nach 2035 noch private Neuwagen zugelassen werden können, die klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels tanken. Die FDP argumentiert vor allem, dass für eine klimaneutrale Mobilität alle technologischen Optionen offengehalten werden müssen. Mit E-Fuels können Verbrenner theoretisch klimafreundlich betrieben werden, ihre Herstellung ist aber verhältnismäßig energieintensiv. 

Blockade-Allianz mit Polen, Italien und Bulgarien 

Auf Druck der FDP hatte die Bundesregierung bereits im Sommer 2022 einen Zusatz in das geplante Gesetz hineinverhandelt, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag zu CO2-neutralen Kraftstoffen vorlegen soll. In der Brüsseler Behörde ist man allerdings der Ansicht, dass dieser nicht auf Privatwagen, sondern nur auf Sonderfahrzeuge wie Feuerwehrautos abzielen kann. Und so blockiert die Bundesregierung derzeit das fertig verhandelte Gesetz – zusammen mit Polen, Italien und Bulgarien. Die Abstimmung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. 

Dabei ist sich die Ampel-Koalition selbst nicht einig. Die FDP und auch SPD-Kanzler Scholz sehen die Kommission am Zug. Das grün geführte Umweltministerium kritisiert dagegen die Blockade des Verkehrsministeriums. Ministerin Steffi Lemke warnt: "Deutschland sollte im Kreis der EU-Partner ein verlässlicher Partner bleiben." 

Doch der Schaden ist längst angerichtet. Die Vize-Regierungschefin Spaniens, Teresa Ribera, warnte kürzlich vor Szenarien, in denen andere Regierungen bei anderen Themen ähnlich vorgehen könnten. Ein weiterer EU-Diplomat sagt, solch ein Verhalten erwarte man von der ungarischen Regierung unter Viktor Orban, Deutschland habe in der EU jedoch eine besondere Verantwortung.

Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel habe verstanden, dass eine gut funktionierende EU im besten Interesse Deutschlands als größtem Mitglied und der größten Volkswirtschaft sei. "Scholz hat dies noch nicht verstanden und scheint mehr als nationaler Minister denn als Bundeskanzler zu agieren", betont der Diplomat. Einen "engstirnigen nationalen Ansatz in der EU zu verfolgen", könne Deutschland sich angesichts der Weltlage allerdings nicht leisten. 

Der Diplomat verweist zudem darauf, dass es nicht das erste Mal sei, dass die Ampel-Regierung in Brüssel als zerstritten wahrgenommen wird. Er nennt etwa die Verhandlungen über bessere Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter, bei denen die EU-Staaten zuletzt keine Position festlegen konnten, weil die Ampel keine Linie fand. Ein hochrangiger EU-Diplomat sagte bereits Anfang des Jahres, dass Deutschland das einzige Land sei, dass es sich erlauben könne, gleichzeitig drei Positionen zu ein und demselben Thema zu vertreten – je nachdem, mit welcher Partei man spreche.

"Wir werden ökologisch und industriell weggefegt"

Wissings französischer Amtskollege Clément Beaune rief die Bundesregierung am Mittwoch zum Einlenken auf. "Wir müssen den Ehrgeiz bewahren, bis 2035 von Autos mit Verbrennungsmotoren wegzukommen. Andernfalls werden wir ökologisch und industriell weggefegt. Wir müssen das Elektroauto zu einem erschwinglichen, französischen und europäischen Produkt machen", betonte Beaune. Wenn man nun Gegensignale sende, werde es nicht gelingen, ein für alle zugängliches Elektroauto zu schaffen.

Österreich stellt sich auf die Seite Deutschlands

In der Debatte um ein Aus für neue Verbrenner-Fahrzeuge in der Europäischen Union (EU) hat sich Österreichs Kanzler Karl Nehammer auf die Seite der deutschen Regierung gestellt. "Auch ich werde mich dagegen aussprechen, den Verbrennungsmotor zu verbannen", falls das Thema bei einem EU-Gipfel besprochen werde, sagte der konservative Regierungschef am Freitag.

"Welche Zukunftsvision ist das, wo man den Verbrennungsmotor ins Out stellt und sich dann nur mehr auf einen Antriebsmechanismus fokussiert?", fragte Nehammer mit Blick auf synthetische Treibstoffe. Nehammers Aussagen waren Teil seiner "Rede zur Zukunft der Nation".

"Der Feind ist fossile Energie"

Auch Europas Autohersteller haben sich gegen ein pauschales Verbot von Pkw mit Verbrennungsmotor ausgesprochen. Der Branchenverband ACEA teilte mit, Technologieoffenheit sei unerlässlich, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. "Der Feind ist fossile Energie, nicht eine bestimmte Technologie", sagte Verbandspräsident und Renault-Chef Luca de Meo. Die Interessensgruppe vertritt unter anderem auch VW, Mercedes-Benz und BMW.

Zudem hieß es in der ACEA-Mitteilung: "Der grundlegende Wandel in der europäischen Automobilindustrie braucht Planungssicherheit." Man stelle fest, dass Europa der einzige geografische Raum sei, der die Technologieneutralität per Gesetz aufgeben wolle.

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