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Georg Memminger: Der König der Käfer

27.09.2017 12:06 Uhr
Der Memminger-Käfer hat mit dem Original wenig mehr als das Aussehen gemein.
© Foto: Benjamin Bessinger/SP-X

Einen alten Käfer selbst fahren kann ernüchternd sein. Es sei denn, er kommt aus Reichertshofen. Denn dort restauriert Georg Memminger den Klassiker nicht nur, sondern rüstet ihn auf Wunsch auch zum Rennwagen auf.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

Jedes Mal wenn er einen Käfer sieht, dann huscht ein seeliges Lächeln über Georg Memmingers Lippen. Denn wie so viele aus seiner Generation hat auch der Mitsechziger aus München mit der Mutter aller Volkswagen das Fahren gelernt. Doch je länger er in seinen Erinnerungen kramt, desto schneller ist es vorbei mit der romantischen Verklärung. "Schließlich war der Käfer noch nie so richtig gut zu fahren", sagt Memminger. Und als ehemaliger Langstrecken-Rennfahrer auf Modellen vieler Marken kann er das beurteilen.

Deshalb hat er es sich der Bayer aber trotzdem nicht nehmen lassen, sich intensiver mit dem Kultauto aus Wolfsburg zu beschäftigen. Im Gegenteil: Aus der Restauration eines Cabrios für seine Frau, mit der er sich in den Neunzigern über ein paar nervige Geschäfte hinweg trösten wollte, ist für den gelernten Stahlbauer peu a peu eine Lebensaufgabe geworden, die mittlerweile über 250 Käfer zurück auf die Straße gebracht und dabei jede Menge Vorurteile widerlegt hat.

Denn je länger Memminger an seinem ersten offenen Käfer geschraubt und geschweißt hat, desto klarer wurde ihm, wie schlecht zum Ende der Laufzeit die Qualität war und wie dürftig es damals später mit vernünftigen Ersatzteilen ausgesehen hat. Also hat er sein Cabrio nicht nur restauriert, sondern weitgehend neu konstruiert und viele Komponenten kurzerhand nach neuestem Stand der Technik nachgebaut. Und kaum war das Auto fertig, wollten es ihm die ersten Sammler schon wieder abkaufen.

Die meisten Komponenten sind nagelneu

"Da habe ich gemerkt, dass es für solche Arbeiten offenbar einen Markt gibt", erinnert sich der Münchner an die Zeit, als er seinen Stahlbau-Betrieb in Reichertshofen verkauft und in der Halle stattdessen die Firma "Memminger Feine Cabrios" gründete. Die belässt es allerdings längst nicht mehr bei der klassischen Restaurierung. Denn auch wenn ein paar Altteile aufbereitet und wiederverwendet werden, sind die meisten Komponenten mittlerweile nagelneu: Erst wurden die Türen und die Seitenteile selbst hergestellt, dann die Querwände, die Vorderachse und auch Getriebeteile.

Und weil er schon mal dabei war, hat er gleich auch noch einen eigenen Motor entwickelt: Auf Basis des Typ4-Motors konstruierte er einen Triebsatz, der in der Grundversion 100 oder sogar 175 PS oder im Extremfall sogar 210 PS leistet und den Käfer von einem lahmen Krabbler zu einem Kugelblitz macht – die Porsche-Fahrer, die sich gelegentlich auf Memmingers Teststrecke ins Nirgendwo zwischen Ingolstadt und München wagen, können davon ein Lied singen. Zumal Memminger eben nicht nur den bärenstarken Motor ins Heck hängt, sondern auch das Fahrwerk fit macht für so viel Leistung und der Käfer zum ersten Mal zu einem Auto wird, bei dem mit dem Pedalweg des Gasfußes auch der Puls des Fahrers steigt- und zwar nicht aus Wut oder vor Angst, sondern weil die Knutschkugel plötzlich eine Spaßgranate ist.

Vom Original bleibt dabei allerdings nicht viel übrig. Teile der Bodengruppe mit der alten Fahrgestellnummer, der Frontrahmen, ein paar Streben vom Verdeck und eine Überweisung von 95.000 Euro aufwärts – viel mehr braucht Memminger nicht, um daraus einen fabrikneuen Oldtimer zu machen. "Bis zu 80 Prozent an unseren Autos bauen wir mit nagelneuen Teilen auf."

Beitrag zum Artenschutz

Damit macht sich der Bayer freilich nicht nur Freunde und gilt in den Traditionalisten der Oldtimerszene als Käfer-Ketzer, der Schindluder mit der PS-Geschichte treibt. Aber das ficht ihn nicht an: "Wir diskutieren nicht über Originalität, sondern über Qualität. Bei uns wird nicht repariert oder geflickt, sondern im Zweifel lieber ersetzt“, sagt der Käfer-König, der nur ein Ziel hat: „Den besten Käfer der Welt zu bauen." Und weil er trotzdem was für die echten Klassiker übrig hat, lässt er von gut erhaltenen Stücken oder von Raritäten die Finger. Stattdessen hortet er für seine nächsten Kunden in einer eigenen Halle dutzende rostiger Wracks und Unfallwagen, die irgendwann mal wieder dastehen wie neu. "So leisten auch wir unseren Beitrag zum Artenschutz des Käfers", verteidigt sich Memminger. "Denn ansonsten gehören diese Autos einfach auf den Schrott."

Wenn er nach sechs bis acht Monaten mit einem Käfer fertig ist, sieht der Krabbler nicht nur besser als neu aus, er fährt auch so: Klar erinnern die spartanischen Instrumente, das unerreicht schlichte Interieur, die Lenkstockhebel dünn wie Strohhalme, die Pedale für Schuhgröße 36 genau wie das wunderbare Boxer-Brabbeln aus dem Heck an früher und auf den ersten Metern fühlt man sich wie auf einer Zeitreise. Doch man muss nicht erst die Sitzheizung anschalten, die Servolenkung oder das ABS ausprobieren, damit man den Käfer mit ganz anderen Augen sieht.

Es genügt allein das Spiel mit Gas und Gängen: Selbst wenn der Motor schon bei 1.500 Touren genügend Dampf hat, jeden der vielen Traktoren hier in der Holledau auf der kürzesten Geraden zu überholen, macht es einen Heidenspaß, ein, zwei Gänge herunter zuschalten, den Boxer über 3.000, 4.000 Umdrehungen zu ziehen und auf den Kick zu warten, der einem dann ins Kreuz fährt, wenn der Käfer seinen zweiten Wind bekommt und gar vollends zur Hornisse wird: Mehr als 200 km/h in einem Käfer – da fühlt sich plötzlich jeder königlich.

Kein etchtes Oldtimer-Feeling

Zwar bietet der Memminger-Käfer damit mehr Fahrspaß als mancher Neuwagen. Aber so echtes Oldtimer-Feeling will dabei keines aufkommen. Die Fahrt auf der Memory Lane fühlt sich eher so an, als hätte man die alten Schwarz-weiß-Fotos aus dem Familienalbum eingescannt und würde sie nun auf dem Bildschirm betrachten. Doch Spaß macht die Sause trotzdem. Erst recht, wenn das Wetter gut und die Landstraße leer ist. Denn dann ist der Memminger-Käfer einfach ein cooles Cabrio mit einer sehr, sehr klassischen Form. Und mal ehrlich: Ein Fiat 500 oder ein offener Mini spielen auch mit dem Charme des Klassikers, haben aber mit dem Original noch weniger gemein.

Weil es ihm immer wieder eine Freude ist, wenn andere sich an seinen Käfern freuen, genießt Memminger die Probefahrten mit seinen Kunden mehr als vieles andere in seinem Job. Und natürlich gefällt er sich in der Rolle des Käfer-Königs. Wenn man mit ihm durch die große Halle mit den Wracks geht, die er in der ganzen Welt für neue Projekte zusammenkauft, wenn er einem sein riesiges Lager mit alten Ersatz- und neu produzierten Teilen zeigt und wenn er von den prall gefüllten Auftragsbüchern mit monatelangen Wartefristen spricht, dann macht es deshalb erst recht nicht den Eindruck, als hätte der Bayer die Lust und die Zeit, sich noch um andere Autos zu kümmern. Selbst wenn sein Sohn längst in die Firma eingestiegen ist und ein knappes Dutzend Mitarbeiter die meiste Arbeit machen.

Doch so ganz ungetrübt ist die Freude nicht. Denn der Käfer ist für ihn allenfalls die zweite Liebe und sein Herz hat er schon seit frühesten Rennfahrerzeiten eigentlich an Porsche verloren. Immer wieder juckt es ihn deshalb in den Fingern und alle paar Monate verirrt sich mal einer seiner Motoren in das Heck eines alten Elfers. Nicht fürs Geschäft, sondern nur so zum persönlichen Spaß. Aber dafür hat er immerhin eine gute Ausrede: "Im Grunde ist ein Porsche ja auch nichts anderes als ein Käfer mit flachem Dach."


Käfer von Georg Memminger

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