"JA Bitte!" versus "NEIN Danke!": Im Dauerstreit um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen machen Befürworter und Gegner immer stärker mobil. Wenige Tage nach dem Start einer Kampagne der CSU gegen eine generelle Beschränkung auf 130 Kilometer pro Stunde konterte die Deutsche Umwelthilfe am Dienstag mit einer Online-Aktion für Tempo 120 - harsche Kritik jeweils inklusive. Die Grünen fingen Überlegungen eines Bundestagsabgeordneten eilig wieder ein, auch über Ausnahmen für Elektroautos von einem Tempolimit nachzudenken.
Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch eröffnete die Gegenattacke und warf der CSU eine "Panikaktion" vor der Kommunalwahl in Bayern am 15. März vor. Deren Kampagne ziele auf eine "Fortsetzung des besinnungslosen Rasens und gegen den Klimaschutz", kritisierte die Umwelthilfe. Dabei habe keine andere Einzelmaßnahme im Verkehr ein so hohes Klimaschutzpotenzial und könne so kurzfristig und kostengünstig umgesetzt werden wie ein Tempolimit. Die Aktion spiegelt schon im Motto die CSU-Vorlage: "Mach mit - gemeinsam für ein Tempolimit". Zwei Stunden nach dem Freischalten hätten sich noch ohne Bewerben 7.200 Unterstützer eingetragen, sagte Resch auf Anfrage.
Die CSU hatte ihre Kampagne "Mach mit - gemeinsam gegen Tempolimit" vor einigen Tagen gestartet und will sich damit ausdrücklich gegen das "ideologisch motivierte Vorhaben" von Grünen, SPD und Linke stellen. An Gefahrenstellen oder zum Lärmschutz könne schon heute die Geschwindigkeit beschränkt werden, und das sei auch gut so. Ein generelles Limit verbessere aber weder die Verkehrssicherheit noch die Klimabilanz des Verkehrs substanziell. Zahl der Unterstützer am Dienstagnachmittag: mehr als 110.000.
Die Debatte nimmt damit weiter Fahrt auf. Die SPD hat ein Limit von Tempo 130 per Parteitagsbeschluss als ein zusätzliches Vorhaben genannt, über das sie in der schwarz-roten Koalition sprechen will. Wie sie das konkret angehen will, ist vorerst offen. Die Union ist in weiten Teilen gegen ein Tempolimit. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) setzt stattdessen auf mehr digitale Verkehrsbeeinflussung. Für Aufsehen sorgte gerade auch, dass der ADAC sein striktes Nein nach Jahrzehnten aufgegeben hat. Der Autofahrerclub wirbt nun für eine umfassende Untersuchung möglicher Folgen vor allem für die Sicherheit auf der Straße. Weiter contra Tempolimit ist die Autoindustrie.
Uneinigkeit bei den Grünen
Bei den Grünen, die seit Jahren für ein Limit werben, gab es Wirbel in der eigentlich klaren Angelegenheit. "Ein Tempolimit ist vor allem zu Tageszeiten mit hoher Verkehrsdichte zwingend, da es nachweislich die Verkehrssicherheit verbessert und klimaschädliches Benzin spart", sagte der Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag). "Warum aber in Zukunft nicht darüber nachdenken, zum Beispiel zu Nachtzeiten mit wenig Verkehr Ausnahmen zu gewähren für klimafreundliche Fortbewegungsmittel wie E-Autos, die mit erneuerbarem Überschussstrom fahren."
Es dauerte aber nicht lange, bis sich führende Grüne dazu meldeten: "Als Grüne sind wir für ein Tempolimit ohne Ausnahmen", stellte Fraktionsvize Oliver Krischer klar. "Egal ob Verbrenner, Stromer oder Wasserstoffauto - eine Höchstgeschwindigkeit sollte aus Sicherheitsgründen für alle gelten." Vorteile für umweltfreundliche Autos seien beim Parkraum oder bei der Kfz-Steuer sinnvoller.
FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte: "Ausnahmen beim Tempolimit für E-Autos lassen sich aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht rechtfertigen." Er nahm aber den Ball auf und begrüßte, dass es bei den Grünen Bewegung gebe. Der Ansatz, digital und situativ Limits anzuwenden, sei besser als starre Verbotsideologie. Die Debatte solle konstruktiv geführt werden. Intelligente Steuerung nach Tageszeit und Wetter seien eine Grundlage für einen gesellschaftlichen Konsens.
Als ein Argument für ein Tempolimit gilt auch, dass gleichmäßigere Geschwindigkeiten für künftige computergesteuerte Fahrzeuge sinnvoll sind. Dabei gilt auf dem Großteil der Autobahnen nach wie vor freie Fahrt - auf 70 Prozent des Netzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen für 2015 zeigen - am häufigsten sind Tempo 120 (7,8 Prozent) und Tempo 100 (5,6 Prozent).
Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen. Seit mehr als 40 Jahren gilt zudem die empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130. Schaut man sich eine EU-Karte an, ist Deutschland ein "weißer Fleck", überall sonst gibt es nach einer ADAC-Übersicht Tempobeschränkungen. (dpa)
Andreas Berchtenbreiter